Kunstlandschaften statt Natur
Bis Ende 2021 wurden im Rheinland 33.836 Hektar Land vom Braunkohlentagebau in Anspruch genommen. Davon wurden 23.876 ha wieder nutzbar gemacht. 13.047 ha wurden wieder für landwirtschaftliche Zwecke zur Verfügung gestellt, 8.797 ha wurde aufgeforstet. Für Wasserflächen wurden 820 ha bereit gestellt.
Doch bis heute fehlt eine ökologische Gesamtbilanz. Was war vor der bergbaulichen Inanspruchnahme vorhanden? Was ging durch die Tagebaue verloren? Welche Verluste konnten kompensiert werden? Neben dem Verlust der Flächen mit ihren fruchtbaren, unersetzlichen Böden wurde tiefgreifend in den Grundwasserhaushalt eingegriffen. Allein zwischen 1969 und 1985 wurden 25 Mrd. m3 Grundwasser "gesümpft". Quellen verlagerten sich, Flüsse trockneten aus oder wurden komplett abgegraben und künstlich neu erschaffen (Inde).
Nach Auffassung des BUND sind die gravierenden Eingriffe in Natur und Landschaft nicht ausgleichbar. So wird z.B. das wertvollste bodenbildende Substrat -der Löß - großflächig abgetragen und kann nur zum Teil wieder bei der Schaffung von Neuböden eingesetzt werden. Es kommt unweigerlich zu Verlusten an natürlicher Bodenvielfalt. Die Neulandböden bieten bei weitem nicht das landwirtschaftliche und ökologische Potenzial ihrer in Jahrtausenden entstanden Vorgänger. Nach Expertenmeinung erreichen ackerbaulich genutzte Neulandböden auch nach Jahrzehnten nicht die Standortqualität der Altflächen. Ökolandbau wird für lange Zeit unmöglich.
Auch der Verlust an Waldflächen ist nicht ausgleichbar. Zwar hatte es bereits vor 1920 Versuche gegeben, die Braunkohlengruben wieder aufzuforsten. Doch nach dem 2. Weltkrieg lagen etwa 2.000 ha unrekultiviert da. Charakteristisch für die Aufforstungen dieser Zeit war das Einbringen von nicht standortgerechten Pionierbaumarten wie Pappeln, Erlen und Akazien. Bodenverdichtungen und Staunässe erschwerten häufig die Wiederbewaldung. Erst Ende der 50er Jahre begann man, die Rekultivierung auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen.
Wurden zuvor in erster Linie Hauptterrassenmaterial und tertiäre Sedimente verkippt, entwickelte man nun den so genannten "Forstkies", ein Gemisch aus quartären Sand- und Kiesschichten mit Löß und anderen Bodenarten. Die Pappel wurde nur noch als Zeitmischung in die Bestände eingebracht. Ziel wurde es standortgerechte Wälder zu entwickeln. So pflanzten die RWE-Förster auf der Außenkippe des Tagebaus Hambach (Sophienhöhe) vorwiegend Eichen und Buchen. Teilflächen wurden aber auch der Sukzession überlassen. Diese sind ökologisch besonders wichtig. Den Sukzessionsanteil zu erhöhen und noch mehr Sonderstandorte zu schaffen, muss das oberste Ziel sein.
Trotz unbestrittener Weiterentwicklung der Rekultivierungstechnik bleibt festzuhalten, dass die Rückbesiedlung der rekultivierten Waldbereiche nicht für alle Arten leicht ist. Der Hambacher Wald wurde so z.B. bis auf etwa 650 ha plus Steinheide und Lindenberger Wald zerstört. Nur diese bieten einen Rückzugsraum für Bechsteinfledermaus, Mittelspecht und Co. und sollen zukünftig Ausgangspunkt für die Wiederbesiedlung sein.
Letztendlich wird die Rekultivierung auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein, den Verlust von Altwald-Ökosystemen zu ersetzen, auch wenn Ziel, mindestens flächengleiche neue Wälder zu begründen, erreicht wird. Letztendlich bleibt ein gravierender Flächenverlust. Restlöcher mit einer Gesamtfläche von etwa 7.000 ha sollen zu Wasserlandschaften werden, deren ökologischer Wert zweifelhaft ist. Künstliche Flusslandschaften wie die "neue Inde" werden am Reissbrett geplant und von den RWE-Designern als besser als das Original bejubelt. Kunstlandschaften statt Natur?
Allerdings hat sich die Ausrichtung der Rekultivierung deutlich verbessert. Die Forschungsstelle Rekultivierung der RWE Power AG hat eine umfassende Biodiversitätstrategie entwickelt und setzt diese auch um. Gegenüber dem Tagbauumfeld ist dies mit vielen ökologisch positiven Aspekten in Sachen biologische Vielfalt verbunden. Ein Problem bleibt, diese Flächen und Bewirtschaftungsformen auch in der Nachbergbauzeit zu sichern und zu erhalten. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die von RWE geschaffene Ersatznatur in ein konsistentes Biotopverbundsystem im Rheinischen Revier zu integrieren.
Vorrangiges Ziel muss es aber weiterhin sein, den Eingriff "Braunkohlentagebau" zu vermeiden. Heute ist keine energiepolitische Notwendigkeit mehr ersichtlich, die den gravierenden, letztendlich nicht ausgleichbaren Eingriff in unsere natürlichen Ökosysteme rechtfertigen könnte.