Der Tagebau Hambach frisst sich in die Manheimer Bucht hinein. Das muss gestoppt werden. [Foto: Dirk Jansen]

Biotopverbund im Rheinischen Revier

Mit dem Ausstieg aus der Braunkohlengewinnung besteht jetzt die historische Chance, der ökologisch geschundenen Region wieder mehr Natur zurückzugeben. Die NRW-Naturschutzverbände schlagen deshalb ein Biotopverbundsystem auf 30 % der Revier-Fläche vor. Nur so kann der Strukturwandel vollumfänglich gelingen.

Mehr Natur im Rheinischen Revier

Stellten das Biotopverbundkonzept vor (v.l.n.r.): Dirk Jansen, Holger Sticht (BUND), Elisabeth Stanzl (NABU), Helmut Dahmen, Carlos Sanchez Oses (Büro für Umweltplanung und wissenschaftliche Beratung) [Foto: Dario Deilmann] Stellten das Biotopverbundkonzept vor (v.l.n.r.): Dirk Jansen, Holger Sticht (BUND), Elisabeth Stanzl (NABU), Helmut Dahmen, Carlos Sanchez Oses (Büro für Umweltplanung und wissenschaftliche Beratung) [Foto: Dario Deilmann]

Das Rheinische Revier steht vor einer bedeutenden Herausforderung und gleichzeitig einer historischen Gelegenheit, sich neu zu positionieren, da der Ausstieg aus der Kohleverstromung beschlossen ist. Die nordrhein-westfälischen Naturschutzverbände BUND, LNU und NABU haben deshalb mit finanzieller Förderung des Wirtschaftsministeriums die Gesellschaft für Umweltplanung und wissenschaftliche Beratung (Bonn) beauftragt, gemeinsam mit dem ehrenamtlichen Naturschutz und vielen weiteren Akteueren ein „Integriertes Biotopverbundkonzept für das Rheinische Revier“ zu erstellen. Die Ergebnisse wurde am 30. Oktober 2023 der Öffentlichkeit vorgestellt. Dieses Konzept zeigt Wege auf, wie der bevorstehende Strukturwandel unter Berücksichtigung der dauerhaften Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen gestaltet werden kann.

Das  Biotopverbundkonzept basiert auf wichtigen, politisch bereits getroffenen Beschlüssen, wie der Biodiversitätsstrategie NRW, der aktuellen Braunkohle-Leitentscheidung für das Rheinische Revier, der Klimaanpassungsstrategie des Landes NRW, den UN Sustainable Development Goals sowie der internationalen Vereinbarung zum Schutz der Natur („Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework“, 30% Ziel).

Ein Jahr lang wurden Daten gesammelt, Kartierungsergebnisse geprüft, Workshops durchgeführt. Die Eingaben und Anregungen der Naturschutzverbände im Bereich des Regionalplans Köln wurden ebenso berücksichtigt, wie Daten des Landesumweltamtes (LANUV), der RWE-Forschungsstelle für Rekultivierung, der Biologischen Stationen. Auch regionale Biotopverbundplanungen wurden geprüft und integriert. Dies führte zu einer Synthese aus dem Biotopverbundnetz des LANUV und den ergänzenden Biotopverbundflächen (integriertes Biotopverbundsystem).

30% für den Biotopverbund

30 % der Flächen im Kernrevier können für den Biotopverbund gesichert werden. 30 % der Flächen im Kernrevier können für den Biotopverbund gesichert werden.

Der Ausstieg aus der Kohleverstromung bedeutet für das Rheinische Revier eine große Herausforderung und eine Jahrhundertchance, für die sich die gesamte Region neu aufstellt. Das Biotopverbundkonzept für das Rheinische Revier zeigt Möglichkeiten auf, den anstehenden Strukturwandel auch im Sinne der Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen zu gestalten.

Das vorliegende Integrierte Biotopverbundkonzept für das Rheinische Revier der drei Naturschutzverbände ergänzt das vorliegende Biotopverbundkonzept des Landes NRW. Es soll damit konkret helfen, die Biodiversitätsstrategie NRW, die Braunkohle-Leitentscheidung für das Rheinische Revier, die Klimaanpassungsstrategie des Landes NRW, die UN Sustainable Development Goals sowie die internationale Vereinbarung zum Schutz der Natur ("Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework", 30% Ziel) umzusetzen.

Das Kerngebiet des Rheinischen Reviers setzt sich aus den Kommunen Aldenhoven, Bedburg, Bergheim, Düren, Elsdorf, Erkelenz, Eschweiler, Frechen, Grevenbroich, Hürth, Jüchen, Jülich, Kerpen, Langerwehe, Merzenich, Mönchengladbach, Niederzier, Rommerskirchen und Titz zusammensetzt. Um abrupte Schnitte in zusammenhängenden Landschaften oder Lebensräumen möglichst zu minimieren und um die Anbindung der Lebensraumkomplexe darzustellen, wurde der Betrachtungsraum um einen 3 km-Puffer vergrößert.

Im Rahmen des Projekts und der durchgeführten Arbeitstreffen konnte die Fachexpertise der örtlichen Naturschutzexpert*innen genauso eingeholt werden und auch die Bedenken der Landnutzenden (aus Land- und Forstwirtschaft, Bergbaubetreiber und Kommunen) in Bezug auf die Biotopverbundräume und deren inhaltliche Gestaltung aufgenommen werden. Eine Konfliktanalyse vervollständigte die erste Analyse der Eingaben.

Die Eingaben und die Anregungen der Naturschutzverbände im Raum des Regionalplan Kölns, regionale Biotopverbundplanungen oder Naturschutzplanungen von Naturschutzverbänden oder anderer Akteure sowie Renaturierungsflächen der RWE-Rekultivierungsstelle wurden an Hand der verfügbaren Datengrundlagen des Landes und den Angaben der Naturschutzverbände geprüft und nachfolgend als Fläche digitalisiert und inhaltlich beschrieben. So ergibt sich eine Synthese aus dem Biotopverbundnetz des LANUV und der o.g. ergänzenden Biotopverbundflächen (integriertes Biotopverbundsystem).

In Anlehnung an den Fachbeitrag des Naturschutzes zum Regionalplan Köln wurde für jede Biotopverbundfläche ein Biotopschwerpunkt (=Habitatgilde) festgelegt und entsprechende Schutz- und Entwicklungsziele formuliert.  Für jede Habitatgilde wurden spezifischen Zielarten des Biotopverbundes bestimmt. Diese wurden so auch jeder Fläche zugeordnet. Auf eine Festlegung der Leitarten wurde zum jetzigen Planungsstand verzichtet.

Verbindungsstrukturen wie die alte A4-Trasse am Tagebau Hambach müssen erhalten und erweitert werden. [Foto: Dirk Jansen] Verbindungsstrukturen wie die alte A4-Trasse am Tagebau Hambach müssen erhalten und erweitert werden. [Foto: Dirk Jansen]

Nutzungskonflikte sind lösbar

Die wichtigsten Ergebnisse des integrierten Biotopverbundkonzeptes im Überblick:

  • Das laut internationaler Vereinbarung anerkannte 30%-Ziel, d.h. 30% der Landesfläche unter effektiven Schutz zu stellen, ist mit der Umsetzung der Biotopverbundvorschläge erreichbar;
  • Das aktuelle Biotopverbundsystem weist ein Defizit an Kernflächen auf, welches durch die Schaffung von Kernflächen in und an den Tagebau-Restlöchern (Seen) behoben werden kann;
  • Die zwischenzeitliche Naturschutznutzung der Tagebaulöcher wird verankert.
  • Der Anspruch des Naturschutzes auch im Bereich der entstehenden Seenlandschaft Fläche für eine Entwicklung von naturnahen Lebensräumen und die Besiedlung mit wildlebenden Tieren und Pflanzen auszuweisen, wird entsprochen.
  • Die Erhaltung der letzten historischen Altwälder südlich von Hambach wird gesichert und eine Vernetzung mit weiteren bestehenden Wald- und Gehölzstrukturen verankert.
  • Das Konzept beinhaltet auch die dringende Aufwertung von Flächen in der Agrarlandschaft für Offenlandarten wie die stark gefährdeten Feldvögel.
  • Das Konzept stellt Fließgewässerkorridore dar, die der Wiederherstellung einer strukturreichen Kleingewässeraue und ihrer Lebensgemeinschaften dienen sollen und durch ihre lineare Struktur wichtige Verbundelement darstellen.
  • Anreicherung des Landschaftsbilds und Verbesserung der Erholungsinfrastruktur in einer ansonsten ausgeräumten Agrarproduktionslandschaft.
  • Maßnahmenraum „Wirtschaftswege“, Entwicklung artenreicher Saumstrukturen.
  • Fließgewässerkorridore und Wegraine sollen verstärkt zur Vernetzung genutzt werden.
  • Die dauerhafte Erhaltung der bereits durch die Forschungsstelle Rekultivierung des RWE entstandenen wertvollen Lebensräume und Verbundkorridore wird gesichert.
  • Entwicklung von Lebensraumkorridoren, die die Verbindung der Kernflächen sicherstellen, Populationsvernetzung im Sinne der Biodiversitätsstrategie.
  • Konkrete Vorschläge zur Aufhebung der Zerschneidungswirkung durch Straßen- und Schienenwege.
  • Gründung einer Stiftung „Biotopverbund für das Rheinische Revier“ mit einem ausreichenden Budget zur Umsetzung.

Die Nutzungskonflikte können jetzt gelöst werden. Die Planungen und Strukturen sind noch nicht verfestigt. Deshalb kommt es jetzt vorrangig darauf an, den Biotopverbund auf Ebene der Landes- und Regionalplanung zu konkretiseren und die Flächen planerisch zu sichern.

Die vier konkurrierenden Nutzungen lassen sich zurzeit noch ausgleichen:

  • Gewerbe- und Siedlungsentwicklung – Beachtung der Verbundachsen, Neuversieglung minimieren, landwirtschaftliche Böden schonen;
  • Freizeitnutzungen – Einschränkungen erklären, Attraktivitätssteigerung durch Naturerlebnis;
  • Land- und Forstwirtschaft – produktionsintegrierte Maßnahmen, Wegrainwiederherstellung und Fließgewässerkorridore aufwerten, d.h. mit einem geringen Flächenaufwand, viel erreichen;
  • Naturschutz und Biodiversitätserhalt und -förderung – Barrieren erkennen, Zerschneidungswirkungen aufheben, Entwicklungen initiieren, neue Kernflächen schaffen, alte Kernflächen erhalten und verbinden.

Die Nutzungskonflikte sind aktuell noch lösbar. Ein ausreichendes Budget zur Schaffung der neuen Infrastruktur unterstützt dieses Ziel. Die Naturschutzverbände erarbeiten auch diesbezüglich eine Detailplanung. Das es den Biotopverbund nicht zum Nulltarif geben kann, ist klar.  Für Maßnahmen wie den Flächenankauf, Vertragsnaturschutz oder Biotopmanagement müssen Finanzen in Höhe von 10 Prozent der Gelder aus dem Strukturstärkungsfonds bereitgestellt werden.

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