BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Braunkohle-Restseen

Nach Beendigung der Braunkohlenförderung verbleiben große Restlöcher, die nach und nach zu gigantischen Seen werden sollen. Nach dem Bodensee wären sie die größten Seen Deutschlands. Die geplante künstliche Befüllung dauert Jahrzehnte und bringt etliche Probleme mit sich.

Nach den Vorstellungen der RWE Power AG soll der Garzweiler-Restsee so aussehen. [Quelle: RWE Power AG]

Vom Restloch zum Restsee

Wird ein Braunkohlentagebau aufgeschlossen, muss zuerst das die Kohleflöze überlagernde Deckgebirge – meist aus Kiesen, Sanden und Tonen bestehend – abgeräumt werden. Dieses wird auf der so genannten Außenkippe abgelagert.  Beim Tagebau Hambach ist so zum Beispiel ein mehr als 200 Meter hoher Kunstberg entstanden, der nach Tagebauende nicht wieder verfüllt werden soll. Wird dann auch noch die Braunkohle gefördert, entsteht ein Massendefizit. Nach Tagebauende verbleiben so gigantische Restlöcher in der Landschaft. Eine Ausnahme bilden dabei die Tagebaue Bergheim und Fortuna, die vollständig mit Massen aus Hambach verfüllt wurden, wodurch das dortige Massendefizit noch größer geworden ist.

Die Restlöcher würden ohne weiteres Zutun nach Einstellung der Sümpfungsmaßnahmen, sprich: nach Abstellen der Pumpen, die die Tagebaue trocken halten, ganz von alleine zu Seen werden. Dieser Prozess würde aber wahrscheinlich Jahrhunderte dauern, da der Grundwasserspiegel durch die Tagebaue bis zu 550 Meter Tiefe abgesenkt wurde und es lange Zeit bräuchte, dass über die Niederschläge gespeist wieder quasi-natürliche Grundwasserverhältnisse einträten. Das wäre natürlich aus rein ökologischer Perspektive hochspannend, da in den Restlöchern aufgrund der extremen Standortverhältnisse sehr interessante Lebensräume - wenn auch auf Zeit - entstünden. Solche Überlegungen hat man aber nie angestellt, es gab nie einen Plan B (oder C).

Ein Effekt solch natürlicher Prozesse wäre aber, dass die Standsicherheit der Böschungssysteme in den bis zu 400 Meter tiefen Gruben nicht gewährleistet werden könnte. Aus Verkehrssicherungsgründen müsste also Sorge getragen werden, dass diese Bereiche nicht betreten werden, damit durch Böschungsrutschungen niemand zu Schaden kommt.

Demgegenüber haben sich die damals Verantwortlichen schon 1977 (Tagebau Hambach) bzw. 1995 (Tagebau Garzweiler) für eine künstliche Befüllung der Restlöcher mit Rheinwasser entschieden. Der Tagebau Inden sollte ursprünglich auch vollständig mit Material aus dem Tagebau Hambach verfüllt werden. Auf Antrag der RWE Power AG wurde aber der entsprechende Braunkohlenplan 2009 geändert, sodass auch dort ein Restsee - gespeist aus der Rur - entstehen soll. RWE spart dadurch etwa 250 Mio. Euro (… mehr). Gegenüber der ursprünglich beschlossenen Verfüllung sind die Nutzungsmöglichkeiten natürlich limitiert. Es entfällt z.B. die Möglichkeit einer Wiederbewaldung oder der landwirtschaftlichen Folgenutzung.

3.550 Hektar groß und bis zu 400 m tief soll der Hambacher Restsee werden. [Quelle: RWE Power AG] 3.550 Hektar groß und bis zu 400 m tief soll der Hambacher Restsee werden. [Quelle: RWE Power AG]

Wo kommt das Wasser her?

Für die Befüllung der Restlöcher sind gigantische Mengen an Wasser vonnöten. Nach der Neuplanung soll der Garzweiler Restsee noch eine Größe von 2.260 Hektar und ein Volumen von rund 1,5 Milliarden Kubikmetern haben. Die Befüllung soll 2036 starten und - so die optimistische Hoffnung der Landesregierung - nach 40 Jahren beendet sein. Der Restsee des Tagebaus Hambach würde nach der derzeitigen Planung eine Fläche von etwa 3.550 Hektar einnehmen, mit Tiefen von 350 m und einem Volumen von mehr als 3 Milliarden Kubikmetern Wasser. Der im Volksmund „Indescher Ozean“ genannte Restsee soll bei einer Tiefe von 130 Metern etwa 1.100 Hektar groß werden. Mit der Befüllung dieser Seen soll 2030 begonnen werden.

Wenn man die Restlöcher künstlich befüllen will, muss das Wasser irgendwoher kommen. Bei den hier in Rede stehenden Volumina - der Hambacher Restsee würde der tiefste See Deutschlands werden, vom Volumen her fast das Doppelte des Chiemsees aufweisen - kann das Wasser nur aus dem Rhein kommen. Gleiches gilt für den Garzweiler-Restsee. Für den Restsee Inden soll das kleine Flüsschen Rur angezapft werden.

Allerdings ist die große Frage, wieviel Wasser entnommen werden kann ohne weitere negative Beeinträchtigungen der Fließgewässer-Ökosysteme zu verursachen. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie schreibt ein Verschlechterungsverbot fest und auch die zum Natura 2000-Netz gehörenden und unter dem Schutz der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU stehenden Rheinfischschutzzonen dürfen nicht beeinträchtigt werden.

Die zweite Frage ist dann, ob zukünftig überhaupt genug Wasser im Rhein vorhanden ist, um die Löcher in 40 Jahren zu befüllen. Hier ist große Skepsis angebracht. Die Politik muss sich da ehrlich machen. Die hydrologischen Prognosen laufen darauf hinaus, dass die Perioden sommerlicher Dürre und damit geringer Wasserstände zunehmen werden. Wenn dann die Gletscher im Einzugsgebiet des Rheins klimawandelbedingt verschwunden sind, fehlt ein wichtiges Korrektiv. Insofern wird man nur im Winterhalbjahr entsprechend große Mengen Rheinwasser entnehmen können. Dazu kommt, dass die Verdunstungsmengen in den teilbefüllten Restlöchern perspektivisch sehr hoch sein werden. Unterm Strich ist es eher wahrscheinlich, dass die Befüllung deutlich länger dauern wird als die erhofften 40 Jahre.

Letztendlich eignet sich das Rheinwasser von der Qualität her auch überhaupt nicht zur Füllung der Restlöcher, zur Befüllung der Grundwasserkörper und zur Versorgung der Feuchtgebiete. Bislang sehen die Planungen vor, das Rheinwasser lediglich mechanisch zu säubern und dann in Richtung der Restseen zu pumpen. Der Einbau einer Reinigungsstufe ist nicht vorgesehen. Somit würde das mit einer Reihe problematischer Schadstoffe belastete Rheinwasser sowohl durch direkte Infiltration als auch durch Verbindung mit dem Grundwasserkörper über viele Jahre in verschiedene Erdschichten bzw. Grundwasserleiter gelangen. Deswegen muss RWE das Rheinwasser aufbereiten und reinigen, so die BUND-Forderung.

Auch die Errichtung des Entnahmebauwerks in der Rheinaue und der Bau der 45 Kilometer langen Rheinwassertransportleitung werfen zahlreiche Fragen auf.

So soll der Restsee Inden aussehen. [Quelle: RWE Power AG] So soll der Restsee Inden aussehen. [Quelle: RWE Power AG]

Gibt es Alternativen?

Die Beweggründe für die Restseelösung sind vielfältig. Die Kommunen haben die Vision einer touristischen Folgenutzung und sehen sich wohl schon mit einem schönen Getränk beim Sonnenuntergang am Seeufer sitzen. Ein solcher See mit entsprechender Nutzung auch schon während der Befüllungsphase - zum Beispiel für Natur auf Zeit und/oder Photovoltaik - ist aber nur möglich, wenn die Tagebauendböschungen auch ausreichend standfest und sicher sind. Eine Befüllung bei zeitgleich noch erfolgender so genannter "nachfolgender Sümpfung" der angrenzenden Bereiche ist hat dabei den Vorteil, dass es immer ein Druckgefälle vom See in die Böschung hinein gibt. Das verringert die Gefahr von Rutschungen.

Da während der Befüllung natürlich auch Wasser in die an die Gruben angrenzenden Bereiche aussickert, hätte die Wasserbefüllung auch den Effekt, dass damit ein Beitrag zur Grundwassersanierung in quantitativer Hinsicht geleistet würde.

Allerdings besteht vor allem im Garzweiler Restloch das Problem, dass aus der Innenkippe bei durchströmendem Wasser Eisendisulfid freigesetzt wird. Damit die Seen und das Grundwasser nicht künftig versauern, werden dem Abraum schon jetzt im Jahr viele Tonnen Kalk hinzugefügt, ansonsten hätte man ein überdimensioniertes Säurebecken. Diese Gegenmaßnahmen können das Versauerungspotenzial allerdings nur teilweise minimieren.

Die Rheinwassertransportleitung soll zudem Wasser zur Infiltration und Einleitung in die Feuchtgebiete im FFH-Gebiete Schwalm-Nette liefern. Mit dem Wegfall des bisher dafür genutzten Sümpfungswassers aus dem Tagebau Garzweiler würden diese ansonsten wegen der Grundwasserabsenkung trockenfallen.

Oberstes Ziel muss es erst einmal  sein, die Tagebaurestlöcher so klein wie möglich zu halten, um die Landinanspruchnahme zu minimieren. Denn solch gigantische große Restseen sind in der Niederrheinischen Bucht ein Fremdkörper. Leider planen das Land und RWE wenig kreativ, wobei sich das Wirtschaftsministerium bislang allein auf die Wünsche von RWE einzulassen scheint. Es gibt aber Alternativlösungen.

Zuletzt hat das Planungsbüro ahu für das Wirtschaftsministerium eine solche skizziert: Durch den Verzicht auf eine vollständige Verfüllung des östlichen, etwa 700 Hektar großen Garzweiler-Restlochs könnten 100 Hektar wertvolle landwirtschaftliche Nutzfläche mit den besten Ackerböden Deutschlands im Westen erhalten werden. Die dadurch eingesparte Gewinnung von 200 Millionen Tonnen Verfüllmaterial würde bedingen, dass das östliche Restloch ein um 29 Meter tieferes Niveau hätte. Dort würden sich ökologisch höchst wertvolle Biotope entwickeln. Der Gutachter spricht sogar von einem "Leuchtturmprojekt" für den Naturschutz. Dagegen machen aber die Bürgermeister und Landwirte mobil. Sie wollen die Fläche für landwirtschaftliche Nutzung und Gewerbegebiete. Natur scheint in deren Denke nur zu stören, eine Einstellung, die leider weit verbreitet ist.

Seit langem gibt es auch Streit um die so genannte „Manheimer Bucht“: RWE will trotz Beendigung der Kohleförderung vor dem Hambacher Wald noch etwa 600 Hektar Fläche abbaggern, um dort Material für die Rekultivierung und Böschungsstabilisierung zu gewinnen. Werden diese Planungen realisiert und entsteht auch dort später ein See, werden die ökologischen Austauschbeziehungen zwischen den dann isolierten Waldflächen gekappt und der Biotopverbund wird scheitern.

Die Alternativplanung der Umweltverbände sieht für den Restsee Inden viel Platz für die Natur vor. Die Alternativplanung der Umweltverbände sieht für den Restsee Inden viel Platz für die Natur vor.

Platz für die Natur

Dabei ist Deutschland verpflichtet, 30 Prozent der Landfläche für den Biotopverbund zu sichern. Das ist keine "nice to have", sondern eine klare Verpflichtung, die nicht zuletzt aus dem Kunming-Montreal Übereinkommen resultiert. Hier können die Tagebaurestlöcher und natürlich auch die Flächen dazwischen eine wichtige Rolle spielen. Während der Befüllphase bieten sich spannende Möglichkeiten für Natur auf Zeit. Denn die nährstoffarmen Extremstandorte sind Heimat seltener Pflanzengesellschaften, die wiederum einer daran angepassten Tierwelt Lebensraum bieten. Das ließe sich zum Beispiel auch mit der Nutzung der Solarenergie kombinieren.

Es müssen aber auch schon jetzt die entsprechenden Naturschutzflächen der Zukunft gesichert werden. Werden die Flächen jetzt überwiegend anders verplant, sind sie für die ökologische Revitalisierung der Region verloren. So haben die Naturschutzverbände zum Beispiel aktuell eine Alternativplanung für den zukünftigen Restsee des Tagebaus Inden erarbeitet.

Anstatt großen touristischen Visionen zu folgen sollte sich die Zukunftsplanung vor allem an den Bedürfnissen der Menschen in der Region orientieren. Die brauchen weniger eine Freizeit-Halligalli, sondern ein gesundes und erholsames Lebensumfeld. Die stille Erholung und der Naturschutz können dabei prima Hand in Hand gehen. Das beinhaltet auch, dass ausreichend große Areale sich selbst überlassen werden und dass nicht alle Bereiche unbedingt zugänglich sein müssen. Hierzu bedarf es einer klugen Zonierung und später einer intelligenten Besucherlenkung. Ansonsten droht die Natur wieder einmal zu den Verlierern zu gehören.

Rheinwassertransportleitung

Zur künstlichen Befüllung der Tagebau-Restlöcher Hambach und Garzweiler soll eine Pipeline vom Rhein bei Dormagen bis zu den Tagebauen gebaut werden.

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