BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Rheinwassertransportleitung

Der geplante Bau einer insgesamt etwa 45 Kilometer langen Rheinwassertransportleitung zur Befüllung der Braunkohlenrestlöcher nach Tagebauende und zur Stützung der von der tagebaubedingten Grundwasserabsenkung betroffenen Feuchtgebiete wirft viele Fragen auf. Die bisherigen Planungen sind ökologisch unverträglich und würden zu einem Ewigkeitsschaden für das Grundwasser einer ganzen Region führen.

Geplante Rheinwassertransportleitung. [Quelle: RWE] Geplante Rheinwassertransportleitung. [Quelle: RWE]

Was ist geplant?

Schon vor Jahrzehnten wurde die Entscheidung getroffen, die nach dem Ende der Braunkohlenförderung verbleibenden Restlöcher künstlich zu befüllen. Einen "Plan B" hat man damals erst gar nicht ergebnisoffen untersucht. Mit dem auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg wird die Umsetzung der Planung jetzt umso dringlicher.

Bereits 2020 war die Trasse für eine Rheinwassertransportleitung von Dormagen nach Frimmersdorf am Tagebau Garzweiler raumordnerisch festgelegt worden. Diese Leitung sollte dazu dienen, die grundwasserabhängigen Feuchtgebiete nördlich des Tagebaus Garzweiler für etliche weitere Jahrzehnte lang künstlich „am Tropf“ zu halten und nach dem Ende des Tagebaus den Grundwasserkörper und das Restloch zu befüllen. Denn mit dem absehbaren Ende der Sümpfungsmaßnahmen nach Tagebauende steht kein gehobenes Grundwasser mehr für die Stützung der Feuchtgebiete zur Verfügung und ein natürlicher Grundwasseranstieg würde Jahrhunderte benötigen, ehe die ursprünglichen Flurabstände wieder erreicht würden.

Im bereits genehmigten Braunkohlenplan wurde die Leitungstrasse zwischen einem Entnahmebauwerk für Rheinwasser am Rheinufer im Bereich Dormagen-Rheinfeld (Piwipp) bei Rheinstrom-km 712,6 und dem RWE-Betriebsgelände in Frimmersdorf raumordnerisch gesichert. Mit der Änderung des Braunkohlenplans soll nun auch der Verlauf einer Leitungstrasse für die Zuführung von Rheinwasser bis zum Tagebau Hambach raumordnerisch gesichert werden.

Denn mit der vorzeitigen Beendigung des Tagebaus Hambach Ende 2029 sieht die RWE Power AG die Notwendigkeit, das dortige Restloch bereits ab 2030 ebenfalls mit Rheinwasser zu befüllen. Deswegen wurde eine Erweiterung des geplanten Rohrleitungssystems vorgeschlagen: Die 22,4 Kilometer lange Bündelungsleitung von der Rheinwasser-Entnahmestelle bei Dormagen-Rheinfeld bis zu einem Verteilbauwerk bei Frimmersdorf soll statt zwei 1,4 m-Rohre nun drei 2,2 m-Rohre umfassen. Die daran anschließende 18,5 Kilometer lange Hambachleitung würde dann mit zwei Rohren bis zum Tagebau Hambach weitergeführt. Dabei war im Braunkohlenplan Hambach noch eine ganz andere Befüllung des Hambacher Grundwassers und Restsees vorgesehen.

Mit dem auf 2030 vorgezogenem Braunkohlenausstieg im gesamten Rheinischen Revier erhöht sich noch einmal die Dringlichkeit des Vorhabens. Alternativen dazu wurden bereits in der Vergangenheit verworfen.

Entnahmebauwerk

Die Entnahme des Rheinwassers soll im Uferbereich auf der linken Rheinseite zwischen Dormagen-Rheinfeld und Monheim an der Entnahmestelle „Piwipp“ bei Rheinstrom-km 712,6 erfolgen. Hierzu muss eine etwa 60 m x 15 m großes Entnahmebauwerk errichtet werden.

Die eigentliche Wasserentnahme soll mittels sogenannter Passiv-Rechen erfolgen, die auch den Fischschutz gewährleisten sollen. Sie sollen in Massivbauweise vollständig eingehaust werden. Denn in unmittelbarer  Nähe zum geplanten Entnahmestandort am Rhein befindet sich ein Teilabschnitt des FFH-Gebietes "Rhein-Fischschutzzonen zwischen Emmerich und Bad Honnef" (DE-4405-301). Konkret befindet sich die Entnahmestelle zwischen den Teilgebieten „Rhein am NSG ‚Rheinaue Worringen-Langel‘“ (etwa 2 km rheinaufwärts) und „Rhein am NSG ‚Urdenbacher Kämpe‘ und ‚Zonser Grind‘” (etwa 4 km rheinabwärts).

An die Passivrechen schließen drei Leitungen DN 2200 an, die das entnommene Rheinwasser  unter dem Hochwasserschutzdeich hindurch in Richtung eines Pumpbauwerks im Deichhinterland befördern sollen.

Risiken und Nebenwirkungen

Wasserentnahme und Absenkung gem. Entnahmekonzept mit Begrenzung Entnahme auf 1cm Absenkung bis GlW +250 cm (entspricht Wasserstand 347 cm) gemäß Beschluss ZKR kumuliert für die Tagebaue Garzweiler und Hambach. [Quelle: RWE] Wasserentnahme und Absenkung gem. Entnahmekonzept mit Begrenzung Entnahme auf 1cm Absenkung bis GlW +250 cm (entspricht Wasserstand 347 cm) gemäß Beschluss ZKR kumuliert für die Tagebaue Garzweiler und Hambach. [Quelle: RWE]

Die Neuplanung sieht vor, die Wasserentnahme aus dem Rhein von 4,2 auf 18 Kubikmeter pro Sekunde zu erhöhen. Dabei musste schon die ursprüngliche Planung mit 4,2 m3/s nur zur Befüllung von Garzweiler zum Schutz des Ökosystem Rhein und der Binnenschifffahrt mit differenzierten Entnahmebedingungen je nach Rheinpegel abgesichert werden. Und jetzt soll die Entnahmemenge mehr als vervierfacht werden. Ob in Zeiten fortschreitenden Klimawandels und zum Teil dauerhaft niedriger Rheinpegel trotz des geplanten gestaffelten Entnahmekonzepts damit eine Wasserentnahme in erforderlicher Höhe ohne ökologische Beeinträchtigungen gewährleistet ist, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Aussagefähige Prognosen fehlen. Sehr wahrscheinlich ist, dass sich die Region darauf einstellen muss, dass die Befüllung der Tagebaurestlöcher länger dauern wird, als gewünscht. Im Entscheidungssatz 10 der Braunkohle-Leitentscheidung von 2021 hatte die Landesregierung festgelegt, dass die Befüllung des Restsees Hambach innerhalb eines Zeitraum von 40 Jahren zu ermöglichen ist. RWE selbst geht hingegen davon aus, dass auf Basis der derzeitigen Entnahmemengen und einer Absenkung von rd. 1cm (bis GlW +250) aus dem Rhein, gemäß den Vorgaben der Zentralkommission Rhein (ZKR) eine Befüllung des Tagebausees Hambach in rd. 60 Jahren möglich wäre.

Eingriffe durch Trasse

Dazu sind mit der Planung weitere massive Eingriffe in die Landschaft geplant. Mit der Trassenbündelung ist eine Verbreiterung des Rohrgrabens von 15 auf 25 Meter vorgesehen. Insgesamt würde sich ein bis zu 70 Meter breiter Arbeitsstreifen durch die Landschaft fräsen. Dazu soll die erweiterte Rohrleitung das besonders sensible und europarechtlich geschützte FFH-Gebiet im Knechtstedener Wald queren. Für den BUND ist das eine "Salami-Taktik": Zuerst wird eine schmale Leitung für Garzweiler geplant und planungsrechtlich festgezurrt und jetzt soll die Verbreiterung kommen. Inwieweit das ohne erhebliche zusätzliche Beeinträchtigungen möglich sein soll, bleibt fraglich. Auch die beabsichtige Durchschneidung zahlreicher Altablagerungen erfordert eine gute ökologische Baubegleitung. Zur Minimierung des Eingriffs sollte unbedingt daran gedacht werden, die Trasse als Element des Biotopverbundes ökologisch aufzuwerten.

Reinigung des Rheinwassers erforderlich

Letztendlich eignet sich das Rheinwasser aufgrund seiner volatilen Qualität auch überhaupt nicht uneingeschränkt zur Füllung der Restlöcher, zur Befüllung der Grundwasserkörper und zur Versorgung der Feuchtgebiete. Den bisherigen Unterlagen ist zu entnehmen, dass das Rheinwasser lediglich mechanisch gesäubert und dann in Richtung der Restseen gepumpt wird. Eine Überprüfung der Rheinwasserqualität vor Einleitung in die Rohrleitungen ist offenbar ebenso wenig vorgesehen wie der Einbau einer Reinigungsstufe. Somit würde das mit einer Reihe problematischer Schadstoffe belastete Rheinwasser sowohl durch direkte Infiltration als auch durch Verbindung mit dem Grundwasserkörper über viele Jahre in verschiedene Erdschichten bzw. Grundwasserleiter gelangen. Mit Beginn der Einleitung von Rheinwasser bis zum endgültigen Füllstand werden so etwa 5 Mrd. m3 in die angrenzen Grundwasserleiter zufließen; das sind rund 54 % der Gesamtmenge.

Als ein Beispiel seien hier die Per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) genannt, die auch als Ewigkeitschemikalien bekannt sind. Sie fallen als Abfallprodukte unter anderem im Chemiepark Leverkusen an und werden in die Oberflächengewässer Wupper und Rhein abgeleitet. Damit steht zu befürchten, dass bei einer Rheinwasserentnahme unterhalb der Chemieparks eine deutlich schlechtere Wasserqualität vorherrscht, als im Rheinwassergütebericht der Landesregierung unterstellt. Nicht alle dieser persistenten Stoffe werden auch überhaupt von der Grundwasser-Verordnung erfasst. Ein Verweis darauf, alle Parameter der Verordnung würden eingehalten, führt damit ins Leere.

Der Rheinwassergütebericht erfasst zudem nur die Daten zur Wasserqualität bei Düsseldorf-Flehe und Stürzelbach. Beide Messstellen liegen deutlich flussabwärts, Düsseldorf auf der anderen Rheinseite. Deshalb ist es zwingend erforderlich, eine neue Messstelle direkt flussaufwärts vor der Entnahmestelle für die RWTL einzurichten und deren Daten zur Grundlage für eine mögliche Entnahmegenhemigung zu machen.  

Auch die Frage, wass aus einem Störfall des unmittelbar oberhalb der Entnahmestelle liegenden Chemparks folgen würde, ist bislang ungeklärt. Ob die Entnahmepumpen rechtzeitig abgestellt werden könnten ist fraglich.

Zudem muss RWE das Rheinwasser aufbereiten und reinigen, so die BUND-Forderung. Der BUND hält ein flankierendes Ziel im Braunkohleplan für dringend geboten, dass eine ausreichende Klärung der oben genannten und sonstigen bedenklichen Schadstoffe absichert, bevor Rheinwasser in den Tagebaurestsee Hambach, den Tagebaurestsee Garzweiler oder in die Feuchtgebiete nördlich des Tagebaus Garzweiler eingeleitet wird. Hierfür sollte sichergestellt werden, dass eine oder mehrere ausreichend dimensionierte Reinigungsanlagenanlagen standörtlich vorgesehen und errichtet werden. Ferner muss die spätere Versorgung der Feuchtgebiete mit Ersatzwasser unbedingten Vorrang vor der Befüllung der Restlöcher bekommen. Entsprechende Vorgaben müssen im Braunkohlenplan als textliches Ziel verankert werden.

Ausblick

Schlussendlich muss gewährleistet werden, dass die vorgesehenen Maßnahmen für viele Jahrzehnte nach Bergbauende aufrechterhalten werden, ohne dass dafür bislang ausreichende Sicherheiten des Bergbaukonzerns vorliegen. Es steht zu befürchten, dass letztendlich die Steuerzahlenden für die Langzeitfolgen aufkommen werden. Nach dem Verursacherprinzio muss die RWE Power AG deshalb für die Begleichung der Folgekosten herangezogen werden, sei es durch die Einzahlung in einen öffentlich-rechtlichen Fonds oder in eine zu gründende Stiftung.

Ob die Restseebefüllung tatsächlich funktioniert, ob die Standsicherheit der Böschungssysteme gewährleistet ist, welche ökologischen Funktionen ein Restsee überhaupt erfüllen kann, welche Folgen für die Grundwasserkörper zu besorgen sind – alle diese Fragen werden sich erst in vielen Jahren beantworten lassen.


 

Hintergrund zum Planverfahren

Die planungsrechtliche Grundlage für die Rheinwassertransportleitung wurde 2019 mit dem Aufstellungsbeschluss des Braunkohlenplans „Garzweiler II, Sachlicher Teilplan: Sicherung einer Trasse für die Rheinwassertransportleitung“ durch den Braunkohlenausschuss geschaffen. Am 17.06.2020 wurde der Braunkohlenplan durch das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen genehmigt. Der Braunkohlenplan beinhaltet insbesondere die Festlegung und raumordnerische Sicherung des Verlaufs der Rheinwassertransportleitung von der Entnahmestelle am Rhein im Bereich Dormagen-Rheinfeld (Piwipp) bis zum RWE-Betriebsgelände in Frimmersdorf in unmittelbarer Nähe zum Tagebau Garzweiler. Darüber hinaus werden die entsprechend benötigten Korridore für den Bau der Leitung, einschließlich der durchgeführten Umweltprüfung und Umweltverträglichkeitsprüfung festgehalten.

Durch die Zielsetzung der „Leitentscheidung 2021: Neue Perspektiven für das Rheinische Braunkohlerevier“ der Landesregierung Nordrhein-Westfalen vom 23.03.2021 haben sich die Grundannahmen des rechtskräftigen Braunkohlenplans geändert, was eine Planänderung erforderlich macht.

Die neue Leitentscheidung der Landesregierung sieht eine vorzeitige Beendigung des Braunkohlenabbaus im Tagebau Hambach bis 2029 vor. Es entsteht somit neben dem Bedarf an Rheinwasser für den Tagebaurestsee Garzweiler II, zeitnah auch Bedarf für den Tagebaurestsee Hambach und einer Trasse für dessen Zuleitung ab dem Jahr 2030.

Vor diesem Hintergrund wurde mit dem Beschluss des Braunkohlenausschusses vom 28.05.2021 die wesentliche Änderung der Grundannahmen und damit das Erfordernis einer Planänderung für den Braunkohlenplan „Garzweiler II, Sachlicher Teilplan: Sicherung einer Trasse für die Rheinwassertransportleitung“ festgestellt. Anschließend hat der Braunkohlenausschuss (BKA) die Regionalplanungsbehörde am 28.05.2021 damit beauftragt, einen Vorentwurf für die Änderung des Braunkohlenplans zu erarbeiten. In seiner 165. Sitzung vom 25.11.2022 hat der BKA die Aufstellung des Braunkohlenplans beschlossen und demnach das Beteiligungsverfahren eröffnet. Zugleich erfordert die Änderung des Vorhabens der Rheinwassertransportleitung eine vorhabenbezogene Umweltverträglichkeitsprüfung.

Der Entwurf des Braunkohlenplanes einschließlich der zeichnerischen Darstellung, der von der Bergbautreibenden (RWE Power AG) vorgelegte kombinierte UP/UVP-Bericht mit den Angaben der Bergbautreibenden (RWE Power AG) zur Umweltprüfung einschließlich der vorstehend aufgeführten Berichte lagen im Zeitraum vom 16. Januar 2023 bis einschließlich 15. März 2023 bei der Bezirksregierung Köln öffentlich aus. Die NRW-Naturschutzverbände erarbeiten zurzeit eine weitere Stellungnahme.

Bei der Errichtung des Entnahmebauwerks handelt es sich um eine wesentliche Umgestaltung eines Gewässers und seiner Ufer, sodass der Tatbestand des Gewässerausbaus nach § 67 Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) erfüllt ist. Der Gewässerausbau bedarf deshalb gemäß § 68 Abs. 1 WHG der Planfeststellung inklusive Bürgerbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Auch die eigentliche Wasserentnahme bedarf einer eigenständigen wasserrechtlichen Erlaubnis. Für das Entnahmebauwerk soll zudem ein bergrechtlicher Sonderbetriebsplan erstellt werden.

 

Gigantische Restseen

[Quelle: RWE Power AG]

Nach der Neuplanung soll der Garzweiler Restsee noch eine Größe von 2.260 ha und ein Volumen von rd. 1,5 Milliarden Kubikmetern haben - mehr als die Hälfte des Starnberger Sees. Die Befüllung soll 2036 starten und - so die optimistische Hoffnung der Landesregierung - nach 40 Jahren beendet sein. Der Hambacher Restsee soll sogar noch deutlich größer werden.

Mehr

Das Vorhaben

[Quelle: RWE]

Rheinwasser-Entnahmemenge: bis zu 18 Kubikmeter pro Sekunde

Lage Entnahmebauwerk: Rheinufer im Bereich Dormagen-Rheinfeld (Piwipp) bei Rheinstrom-km 712,6

Abmessungen des Entnahmebauwerks: ca. 60 m x 15 m

Gesamtlänge der RWTL: ca. 45 Kilometer

Abschnitt Dormagen-Frimmersdorf: Leitung aus drei Rohren à 2,20 Meter Durchmesser

Verteilbauwerk Allrath-Betriebsgelände Garzweiler und Allrath-Hambach: je zwei Rohre (Durchmesser 1,40 bzw. 2,20 Meter)

sonst. Bauwerke: Belüftungs­, Entlüftungs­ und Entleerungseinrichtungen, Einstiegsbauwerke, Schilderpfähle

Trassenbreite: 25 Meter

Arbeitsstreifen: etwa 70 Meter Breite

geplante Bauzeit: 5 Jahre

Rheinwassertransportleitung

Stellungnahme der Naturschutzverbände im Rahmen des Scoping-Verfahrens

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RWE-Vorschlag zur Festlegung des Untersuchungsrahmens der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)

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