BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

"Manheimer Bucht" verhindern

RWE will im südöstlichen Bereich des Tagebaus Hambach noch auf 600 Hektar Fläche Abraum zur Kippenstabilisierung im Restloch gewinnen. Damit würden eine uralte Kulturlandschaft unnötig zerstört und die ökologische die Wiedervernetzung der Wälder verhindert. Das müssen wir verhindern.

Was will RWE?

Die "Manheimer Bucht" soll zur Abraumgewinnung dienen. [Kartengrundlage: RWE] Die "Manheimer Bucht" soll zur Abraumgewinnung dienen. [Kartengrundlage: RWE]

Die vom BUND gerichtlich erzwungene und über den öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen der RWE Power AG und der Bundesregierung fixierte frühzeitige Beendigung des Tagebau Hambach bis 2029 hat große Auswirkungen auf die Abbaugrenzen und die räumliche Lage des geplanten Restsees. Der Tagebau wird von den ursprünglich geplanten 85 km2 Größe auf 68 km2 verkleinert, der Hambacher Forst, der Merzenicher Erbwald, Teile der Steinheide sowie der Ortschaft Morschenich bleiben erhalten.

Durch diese veränderten Abbaubedingungen muss RWE auch sein bislang auf die vollständige Inanspruchnahme der gesamten Tagebaufläche ausgerichtetes Konzept zur Massengewinnung revidieren. Deshalb legte die RWE Power AG ein aktualisiertes Plankonzept zur weiteren Tagebauentwicklung vor. Damit räumte der Kohlekonzern entgegen zuvor vehement vertretener Positionen ein, dass es Alternativen zur den ursprünglich verfolgten Planungen gibt. Dabei hatte RWE ursprünglich sogar im Gerichtsverfahren mit dem BUND darauf bestanden, der Hambacher Wald müsse allein schon wegen der Notwendigkeit, dort Material gewinnen zu können, gerodet werden. Der BUND hatte diese nachweislich falschen Aussagen schon 2018 widerlegt. Auch die vom BUND damals vorgeschlagene Steilerstellung der Gewinnungsböschung auf 1:5 wurde damals von RWE kategorisch ausgeschlossen, wird heute aber umgesetzt. Am 15. November veröffentlichte die Bezirksregierung Köln erstmals die detaillierte Beschreibung des Änderungsvorhabens Tagebau Hambach (Stand 30.06.2021) der RWE Power AG.

Für die Herstellung eines standsicheren Böschungssystems im Restloch sowie zur Wiedernutzbarmachung der Flächen benötigt RWE nach eigenen Angaben ab Januar 2021 etwa 770 Mio. m³ Material (65 Mio. t Löss, Forstkies, Substrat sowie 705 Mio. m3 sonstiges Bodenmaterial). RWE behauptet, die erforderlichen Mengen nicht vollständig innerhalb der bestehenden Tagebaugrenzen bereitstellen zu können und plant deshalb die Ausgestaltung einer sogenannten „Manheimer Bucht“. Auf 600 Hektar Fläche will RWE im Südosten des Tagebaus etwa 235 Mio. m³ Bodenmaterial gewinnen. Das Material, so RWE, könne aus qualitäts- und mengenspezifischen Gründen nur östlich des Hambacher Forstes und dort ganz überwiegend nur auf der 1. Sohle gewonnen werden. Damit verbunden sei die vollständige Inanspruchnahme der Ortschaft Manheim.

Ziel von RWE ist es, die Rand- und Gewinnungsböschungen des Tagebaus auf eine Generalneigung von 1:5 abzuflachen, die Innenkippe unterhalb der Sophienhöhe zu terrassieren und Rekultivierungsmaterial (Löss, Forstkies und Substrat) aufzutragen. Der Schwerpunkt der weiteren Abraumverwendung liegt laut RWE auf der Sicherung der Nordrandböschung vor Elsdorf (470 Mio. m3). Weitere rund 30 Mio. m³ Massen werden danach für die Umgestaltung der vorhandenen Kippe zu einer Seeböschung im Bereich des Bandsammelpunktes benötigt. 210 Mio. m³ Massen sind schließlich zur Gestaltung der zukünftigen Seeböschung und zur Herstellung der landwirtschaftlichen Wiedernutzbarmachung auf der Innenkippe im Anschluss an die Sophienhöhe eingeplant. Mit anderen Worten: RWE will eine intakte Natur- und Kulturlandschaft zerstören, um an anderer Stelle "Neuland" zu schaffen.

 

"Manheimer Loch" wäre Rückschlag für Waldvernetzung

Blick vom Hambacher Wald nach Osten. Im Hintergrund der Bochheimer Wald. [Foto: Dirk Jansen] Blick vom Hambacher Wald nach Osten. Im Hintergrund der Bochheimer Wald. [Foto: Dirk Jansen]

Käme die "Manheimer Bucht" (besser: das "Manheimer Loch"), wäre das ein herber Rückschlag für die angestrebte Wiedervernetzung der Restwälder und das vom BUND angedachte Biotopverbundsystem Rheinisches Revier. Eine bis zu 60 m tiefe Abgrabung bis nach Manheim würde zu einer ökologischen Verinselung der Waldflächen führen. Würde diese realisiert, würden die Austauschbeziehungen zwischen Merzenicher Erdwald/Hambacher Wald und Steinheide massiv gestört, eine Waldvernetzung für Jahrzehnte unterbunden. Zudem würde damit ein Lebensraum für mehr als 50 Brutvogel-Arten des Offenlandes zerstört, dem gemäß avifaunistischer Bewertung eine sehr hohe (für alle Arten) bzw. sogar überragende Bedeutung (für die Arten der Roten Liste) zukommt. Beispielhaft zu nennen sind hier Feldlerche und Grauammer. Zudem ist es geradezu absurd eine uralte Kulturlandschaft inklusive des dortigen Agrarlandes zu zerstören, um dort die Massen zur (landwirtschaftlichen) Wiedernutzbarmachung der Innenkippe zu gewinnen. Genau das aber hat RWE vor, dafür allein werden 210 Mio. m3 Material benötigt.

Entgegen der Festlegungen der Leitentscheidung (s.u.) hat das Land NRW zugelassen, dass RWE schon erste Fakten schaffen kann. Mit der Zulassung des Hauptbetriebsplanes 2021 bis 2024 wurde bereits der Weg für die Zerstörung von weiteren etwa 250 Hektar Fläche im Südosten des Tagebaus frei gemacht. Diese Abbaugenehmigung beinhaltet auch die Rodung des Waldes bei Haus Bochheim. Trotz nicht nachgewiesener betrieblicher Notwendigkeit hat die Bezirksregierung Arnsberg es zugelassen, dass RWE diesen Wald am 1. Dezember 2021 roden konnte. Damit ging ein wichtiger, etwa 4 Hektar großer ökologischer Trittstein für die angestrebte Wiedervernetzung der Wälder verloren. Zudem gestattet die Zulassung, dass RWE bis zu 50 Meter an den Ostrand des Hambacher Waldes heran baggert. Der BUND hat gegen die Hauptbetriebsplan-Zulassung Klage eingereicht.

Was sagt die Landesregierung?

Ende Oktober 2021 fressen sich die Bagger bereits in die "Manheimer Bucht". [Foto: Dirk Jansen] Ende Oktober 2021 fressen sich die Bagger bereits in die "Manheimer Bucht". [Foto: Dirk Jansen]

Die Landesregierung hat auf die frühzeitig vorgetragene Kritik reagiert und im Entscheidungssatz 7 der 2021-er Leitentscheidung festgelegt, dass die zur Gestaltung der Tagebauböschungen erforderliche Massengewinnung vorrangig aus dem bisherigen Abbaufeld des Tagebaus zu erfolgen hat. Die Gewinnungs- sowie Verkippungsplanung und -ausführung sind derart zu optimieren, dass die zur Abraumgewinnung erforderliche Flächeninanspruchnahme auf ein "zwingend erforderliches Mindestmaß" beschränkt bleibt. Im Braunkohlenplanänderungsverfahren Hambach ist danach das Dargebot der Massen, die Massenbilanz, die Eignung der Massen zu den vorgesehenen Zwecken und ihre Herkunft zu überprüfen. Dabei sind jeweils flächenschonende Alternativen und weitere Optimierungsmöglichkeiten zu betrachten.

Um belastbare Aussagen zum Massenbedarf innerhalb des Tagebau Hambach und damit einhergehend zur finalen Abgrenzung des Abbaugebietes zu erhalten wurde Ende Juli durch die Bezirksregierung Köln ein Fachgutachten öffentlich ausgeschrieben. Das Sachverständigengutachten hat das Ziel die durch die RWE Power AG vorgelegte Vorhabenbeschreibung unabhängig und kritisch zu prüfen, mögliche Alternativen zu beleuchten und weitere aufzuzeigen. Neben grundsätzlichen Aussagen zum Materialbedarf im Tagebau Hambach soll das Gutachten insbesondere den Verzicht auf eine Inanspruchnahme bzw. alternative Abbaugeometrien und Ausgestaltungen der Manheimer Bucht und weitere Alternativen thematisieren. Ende August 2021 konnte ein Zuschlag an die ahu GmbH erteilt werden, die das Gutachten in Zusammenarbeit mit der Fuminco GmbH und der ZAI Ziegler und Aulbach Ingenieurgesellschaft mbH bearbeiten wird. Erste Zwischerergebnisse werden am 26. November 2021 erwartet. [vgl. Sitzungsvorlage für die 161. Sitzung des Braunkohlenausschusses am 27. September 2021]

Alternativen zur RWE-Planung

In der RWE-Vision ist kein Platz für den Biotopverbund und die Wiedervernetzung des "Hambi" mit den übrigen Bürgewäldern. [Quelle: RWE Power AG] In der RWE-Vision ist kein Platz für den Biotopverbund und die Wiedervernetzung des "Hambi" mit den übrigen Bürgewäldern. [Quelle: RWE Power AG]

Auch die Landesregierung hatte in der Leitentscheidung angeregt, die geplante Flächeninanspruchnahme dadurch zu vermindern, dass die Materialverkippung auf der „überhöhten Innenkippe“ unterhalb der Sophienhöhe verringert wird. Allein dafür hatte RWE mit 210 Mio. m3 Material fast genau die Menge eingeplant, die in der "Manheimer Bucht" gewonnen werden soll. Letztendlich gibt es keine bergtechnische oder wasserwirtschaftliche Notwendigkeit zur weiteren Materialdeposition auf der überhöhten Innenkippe, diese könnte sofort gestoppt werden. Der Massentransport dient letztendlich nur der Anlage von intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen..

Das belegen auch die bislang (Ende November) unveröffentlichten Zwischenergebnisse des vom Braunkohlenausschuss beauftragten Gutachtens. Der BUND fordert deshalb die Landesregierung und den Braunkohlenausschuss auf, die Grundannahmen für den Braunkohlenplan neu zu definieren. Der Verzicht eines weiteren Massenauftrags auf die Innenkippe würde nur Vorteile bieten. Neben dem Erhalt hochwertigen Agrarlandes, wichtiger ökologischer Trittsteine und der Ortslage Manheim würde die kostenintensive Gewinnung, der Transport und die Verkippung von etwa 100 Mio. m3 Mischbodens M1 entfallen. Durch den Verzicht weiteren Materialauftrags auf die Innenkippe für die landwirtschaftliche Intensivnutzung könnten dort Flächen von hohem ökologischen Wert geschaffen werden. Auch die wasserwirtschaftlichen Probleme zur notwendigen Vermeidung des Abflusses Richtung Restloch würden minimiert.

Vorläufiges Fazit

Die RWE Power AG versucht, ihre Planungen als vermeintlich alternativlos darzustellen. Es drängt sich aber die Vermutung auf, dass nicht immer bergtechnische Gründe eine Rolle spielen, sondern ökonomische. In diesem Zusammenhang ist auch erwähnenswert, dass die RWE-Tochter RBS Kies im Tagebauvorfeld noch große Mengen Kies gewinnt, die nicht zur Restlochgestaltung eingesetzt, sondern gewinnbringend auf dem freien Markt verkauft werden. Zudem wird an längst überholten Rekultivierungszielen festgehalten.

Im Sinne einer dauerhaft zufrieden stellenden Lösung, die den Anforderungen an den Biotopverbund und die Wiedervernetzung der Restwälder genauso Rechnung trägt, wie der dauerhaft standsicheren Gestaltung der Innenkippen, dürfen diese Gründe keine Rolle spielen. Klar ist auch: Je früher der Tagebau beendet wird, desto einfacher wird es, diese Anforderungen zu erfüllen.

[Stand: November 2021]

Rodung des Bochheimer Waldes

Am 1. Dezember hat die RWE Power AG den etwa 4 Hektar großen Bochheimer Wald gerodet und so einen wichtigen ökologischen Trittstein zur Wiedervernetzung der Hambacher Bürgewälder zerstört.

BUND-Bestellkorb