BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Gift im Schacht

Auch in Prosper Haniel lagern hochgiftige PCB. © D. Jansen

"Aus den Augen - aus dem Sinn", nach diesem Motto verfuhren die Ruhrkohle AG und die zuständigen Bergbehörden bis zum Jahr 2006. Seit Mitte der 80erJahre wurden so insgesamt etwa 1,6 Millionen Tonnen Sondermüll und andere bergbaufremde Reststoffe in den NRW-Steinkohlenbergwerken "verklappt". Dazu lagern untertage noch etwa 12.000 Tonnen PCB-belastete Hydrauliköle. Mit dem Einstellen der Wasserhaltung und dem "Absaufen" der alten Stollen besteht das Risiko, dass diese Gifte in die Biosphäre gelangen können. Ein Gutachten der Landesregierung sollte klären, ob die damals von der RAG und der Bergbehörde postulierte Langzeitsicherheit tatsächlich besteht, bzw. welche Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssen, um Schaden von der Umwelt abzuwenden.

Seit Jahrzehnten warnt der BUND vor "tickenden Zeitbomben".

Bergwerke als Müllschlucker

In den NRW-Steinkohlenbergwerken wurden in der Vergangenheit insgesamt etwa 1,6 Millionen Abfälle verbracht. Der so genannte untertägige Bergversatz wurde als eine günstige Verwertungsmöglichkeit für industrielle Massenreststoffe bzw. -abfälle angesehen. Die Abfälle wurden  zu einem "Wertstoff" umdeklariert und konnten so unter Umgehung der abfallrechtlichen Vorschriften allein nach Bergrecht entsorgt werden. Selbst Sondermüll verlor so seine formale Abfalleigenschaft und wurde zu einem "Wertstoff". Es reichte, dass die RAG vorgab, der verbrachte Abfall würde die Standsicherheit oder die Bewetterung der alten Stollen verbessern. Gegen diese Tricksereien hat der BUND bereits 1993 Klage eingereicht - und aus formalen Gründen verloren.

Neben Rückständen aus Steinkohlenfeuerungsanlagen wurden insbesondere hochgiftige Filterstäube und Rauchgasreinigungsrückstände aus Hausmüllverbrennungsanlagen, Filterstäube aus Klärschlammverbrennungsanlagen, Gießereialtsande und Strahlmittelrückstände eingesetzt. Diese gefährlichen Stoffe - insgesamt etwa 578.000 Tonnen - wurden nach dem so genannten "Prinzip des vollständigen Einschlusses" eingebracht.

Insgesamt wurden in dem oben genannten Zeitraum rund 1,6 Millionen Tonnen bergbaufremder Abfälle in 11 Steinkohlenbergwerken zu Versatzzwecken eingesetzt.

In den nachfolgend aufgeführten Bergwerken fand eine Verbringung von bergbaufremden Abfällen zu Versatzzwecken statt:

  • Haus Aden/Monopol, Bergkamen
  • Hugo/Consolidation, Gelsenkirchen
  • Walsum, Duisburg
  • Emil Mayrisch, Alsdorf
  • Ewald/Schlägel & Eisen, Herten
  • Friedrich Heinrich, Kamp-Lintfort
  • Fürst Leopold/Wulfen, Dorsten
  • Auguste Victoria, Marl
  • Blumenthal/Haard, Recklinghausen
  • Lippe, Dorsten
  • Lohberg/Osterfeld, Oberhausen

Bei der "immissionsneutralen Verbringung" ging man davon aus, dass aufgrund der chemischen Eigenschaften der Reststoffe keine Gefährdung des Grundwassers eintreten könne. Die gefährlicheren Stoffe, u.a. die schon damals als "besonders überwachungsbedürftige Reststoffe" eingestuften MVA-Filterstäube, die in hohem Maße mit Schwermetallen, PAKs sowie Dioxinen und Furanen belastet sind - verbrachte man nach dem "Prinzip des vollständigen Einschlusses". Dazu wurden die Reststoffe - die eigentlich auf eine Mono- oder Untertage-Deponie gehörten - zusammen mit zementartigen Zusatzstoffen und mit Wasser vermischt über Leitungen unter hohem Druck in die Tiefe gepumpt. Im sogenannten "alten Mann" - den ausgekohlten Bereichen - wurde die pastöse Masse als Versatzmaterial verpresst. Nach der Theorie sollte das Material vollständig abbinden und die darin enthaltenen Schadstoffe einkapseln. Mit den einfallenden Stollen sollte sich ein neuer Gebirgsverbund bilden, und selbst nach Ende der Wasserhaltung und dem Absaufen der Stollen sollte der Abfall dauerhaft sicher eingeschlossen sein.

Der BUND äußerte schon in den 1990er Jahren erhebliche Zweifel an der Langzeitsicherheit des Bergversatzes. Dies auch, weil damals keine objektives und transparentes Prüf- und Genehmigungsverfahren garantiert war. Bei den bergrechtlichen Verfahren war die Öffentlichkeit praktisch "außen vor" und die RAG schrieb sich die Gutachten und vermeintlichen Langzeitsicherheitsnachweise quasi selbst. Immerhin erreichte der BUND, dass 2002 von Umweltminister Jürgen Trittin die Bergversatzverordnung erlassen wurde. Danach wurden keine neuen Genehmigungen mehr erteilt.

Grubenwassereinleitung in die Lippe. © D. Jansen

PCB gefährden die Umwelt

Polychlorierte Biphenyle (PCB) sind giftige, krebserregende organische Chlorverbindungen. PCB zählen  zu den zwölf als dreckiges Dutzend bekannten organischen Giftstoffen, welche durch die Stockholmer Konvention vom 22. Mai 2001 weltweit verboten wurden

Bis in die 1980er Jahre wurden PCB vor allem in Transformatoren, elektrischen Kondensatoren und als Hydraulikflüssigkeit in Hydraulikanlagen eingesetzt. So auch im Bergbau. Durch den Einsatz PCB-haltiger, schwer entflammbarer Hydraulikflüssigkeiten erhoffte man sich ein Mehr an Grubensicherheit. Nachdem die Gefährlichkeit der PCB erkannt wurden, entwickelte man Ersatzstoffe wie TCBT, Handelsname Ugilec. Diese waren nicht minder gefährlich, so dass 1991 auch deren Einsatz verboten wurde. Welche Mengen gefährlicher PCB heute noch untertage lagern, ist schwer zu ermitteln. Nach alten Erhebungen sollen in NRW etwa 15.000 Tonnen PCB eingesetzt worden sein. Nach einem Bericht der Landesregierung vom 21. Januar 2015 (Vorlage 16/2631) wurden nur 5 % dieser Flüssigkeiten planmäßig entsorgt. Ein erheblicher Teil wurde danach untertage freigegeben oder über Leckagen freigesetzt. Welche Mengen mit der geförderten Steinkohle oder über das Grubenwasser in die Umwelt gelangten, ist unbekannt. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass noch etwa 12.000 Tonnen untertage lagern, die sukzessive über das Grubenwasser ausgetragen werden.

Nachdem der SPIEGEL im Januar 2015 - u.a. alarmiert durch den BUND - das Thema aufgriff (siehe DER SPIEGEL "Gift im Schacht"), veranlasste die Landesregierung ein Sondermessprogramm. Erste Ergebnisse wurden von der Landesregierung am 25. März 2015 vorgelegt (Vorlage 16/2791). Laut der Untersuchungen der Bergbehörde lagen die erfassten Analysen danach "überall in Höhe oder kleiner Nachweisgrenze". Der Wirtschaftsminister Garrelt Duin kam zu dem Fazit: "Auch nach der erweiterten Recherche zu durchgeführten Messprogrammen gibt es keine Hinweise auf einen signifikanten Austrag von PCB in Bereichen, in denen ein Grubenwasseranstieg erfolgt oder bereits erfolgt ist, der derzeit sofortige Maßnahmen in Bezug auf die Grubenwasserhebung und -Einleitung in Oberflächengewässer erfordern würde (Vorlage 16/2791, S. 12).

Eine unglaubliche Verharmlosung.

Mit Erlass vom 19. März 2015 forderte das NRW-Umweltministerium das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) auf, alle derzeitigen Grubenwassereinleitungen mit der Zentrifuge zu beproben und insbesondere auf PCB zu untersuchen. In einem auf den 28. Juli 2015 datierten Zwischenbericht fasste das LANUV die Ergebnisse zusammen. Danach ist das an den verschiedenen Grubenwassereinleitstellen beprobte Grubenwasser zum Teil hochgradig mit den bergbaubürtigen PCB-Kongeneren PCB-28 und PCB-52 belastet. Die gemessenen Werte überschreiten die Umweltqualitätsnorm für PCB gemäß Oberflächengewässerverordnung zum Teil um mehr als den Faktor 3. Die höchsten Werte wurden bei den Einleitungen der Zechen Zollverein und Prosper Haniel (Emscher), dem Bergwerk Ost/Haus Aden (Lippe) und dem Bergwerk Ibbenbüren (Einzugsgebiet Ems/Ibbenbürener Aa) gemessen. Der BUND erstattete daraufhin Strafanzeige (s. DER SPIEGEL vom 21.08.2015). Im August 2016 teilte die Staatsanwaltschaft Bochum mit, die Ermittlungen eingestellt zu haben. Der BUND hat dagegen Beschwerde eingelegt. Diese wurde im Februar 2017 von der Generalstaatsanwältin in Hamm abgelehnt (s. Meldung). Damit gibt sich der BUND allerdings nicht zufrieden: eine erneute Beschwerde wurde eingereicht - erfolglos.

[Quelle: http://www.umweltauswirkungen-utv.de/gutachten_2/final/UTV_Kurzfassung_181206.pdf]

Ergebnisse des Gutachtens

Im Januar 2017 wurde der Endbericht von Teil 1 des "Gutachtens zur Prüfung möglicher Umweltauswirkungen von Abfall- und Reststoffen zur Bruch-Hohlraumverfüllung in Steinkohlenbergwerken in Nordrhein-Westfalen" vorgelegt, der die Gefährdungsabschätzung für Haus Aden/Monopol zum Inhalt hat (s. http://www.umweltauswirkungen-utv.de/gutachten_1.html).

Neben PCB geht es dabei auch um die Frage, ob der mittels der so genannten Bruchhohlraumverfüllung (BHV) untertage verbrachte Giftmüll ein Risiko darstellt. Das anorganische Gefährdungspotential der BHV beruht v. a. auf den in den Reststoffen enthaltenen Schwermetallen. Im Bergwerk Haus Aden/Monopol sind dies beispielsweise v. a. 1.321 t Zink, 403 t Blei und 19 t Cadmium. Das organische Gefährdungspotential beruht auf 7,2 kg Dioxinen und Furanen (entspricht ca. 110 g „Seveso-Dioxin“, der toxischsten Einzelverbindung der Dioxine).

Anders als damals von der RAG behauptet, beginnt ab ca. in 26 Jahren eine Freisetzung der Stoffe aus der BHV. Die höchsten Schwermetallfrachten treten allerdings erst ab ca. 1.000 Jahren in der Zentralen Wasserhaltung (ZWH) auf. Erste erhöhte Bleifrachten in der ZWH werden in ca. 3.800 Jahren auftreten (unter der Voraussetzung, dass es dann noch eine ZWH geben wird). "Aufgrund der dargestellten Potentiale der Gefährdung, der Freisetzung und der Ausbreitung ist ein Risiko für die Oberflächengewässer und das Grundwasser – bezogen auf heutige Bewertungsmaßstäbe – nicht erkennbar", so die Gutachter.

Das klingt beruhigend, ist es aber nicht. Fakt ist, dass die nach dem so gen. "Prinzip des vollständigen Einschlusses" untertage verbrachten Umweltgifte im Laufe der Zeit mobilisiert werden und dann auch freigesetzt werden. Mit der postulierten Langzeitsicherheit hat dies nichts zu tun. Auch kann von einem "vollständigen Einschluss" keine Rede sein - im Gegenteil. Wie die Gutachter bestätigen, gelangen die Schadstoffe irgendwann in die Biosphäre. Mit einer für die Umwelt "schadlosen Entsorgung" des Sondermülls hat dies nichts zu tun. Man hofft jetzt darauf, dass die Giftbrühe durch das unbelastete Grubenwasser soweit verdünnt wird, dass die Konzentrationen der Schadstoffe insgesamt gering bleiben.

Bezogen auf die 12.000 Tonnen PCB, die noch immer untertage verteilt sind, bestätigen die Gutachter, dass die Giftstoffe sukzessive über das Grubenwasser in die Umwelt gelangen. Zwar ließe sich die PCB-Fracht dadurch minimieren, dass der Einstau der Grubenbaue bis weit über das von der RAG geplante Niveau von etwa 600 m unter Flur erfolge, dies brächte aber eine Reihe anderer Probleme mit sich.

Im September 2018 wurden schließlich der Endbericht von Teil 2 des Gutachtens sowie eine allgemeinverständliche Zusammenfassung veröffentlicht.  

Im Ergebnis steht nach Vorlage des Gutachtens für den BUND fest: Ohne eine Klärung des Grubenwassers können die umweltrechtlichen Vorgaben nicht eingehalten werden. Es ist schlichtweg unzulässig, PCB in die Oberflächengewässer einzuleiten. Und ein Sondergutachten des NRW-Umweltministeriums hat gezeigt, dass eine solche Grubenwassereinigung zu geringen Kosten effizient möglich ist.

Gleichwohl sehen die RAG, die Bergbehörde und das NRW-Wirtschaftsministerium keinen Handlungsbedarf. Der BUND teilt diese Einschätzung nicht.

Ansprechpartner

Dirk Jansen

Geschäftsleiter BUND NRW
E-Mail schreiben Tel.: 0211 - 30 200 522

Problem Grubenwasser

Der beabsichtigte Grubenwasseranstieg ist mit Risiken für das Trinkwasser und andere Umweltgüter verbunden. Der BUND fordert, keine Genehmigungen ohne vorherige ökologische Gesamtbilanz und Gesamt-UVP durchzuführen.

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Gutachten der Landesregierung

Prüfung möglicher Umweltauswirkungen von Abfall- und Reststoffen zur Bruch-Hohlraumverfüllung in Steinkohlenbergwerken in Nordrhein-Westfalen. ...zum Gutachten

Zur Durchführung dieser Prüfung haben das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MKULNV) und das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (MWEIMH) am 16.07.2015 einen Auftrag an ein Gutachterkonsortium unter Federführung der ahu AG Aachen erteilt. Die Erstellung des Gutachtens wird durch einen Arbeitskreis begleitet. In diesem ist auch der BUND vertreten.

Endbericht

Kurzfassung

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