Nach der zwischen Rot-Grün im März 2014 vereinbarten Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler II hatte die Landesregierung verkündet, eine neue Leitentscheidung zur Zukunft des Rheinischen Braunkohlereviers nach 2030 zu erarbeiten. Sie soll die den Braunkohlenplänen zugrunde liegenden Leitentscheidungen aus den Jahren 1987 und 1991 ersetzen.
Nach der Leitentscheidung muss der Braunkohlenausschuss bei der Bezirksregierung Köln den Braunkohlenplan Garzweiler II entsprechend anpassen. Die konkreten neuen Abbaugrenzen und die Rekultivierungsziele werden in diesem Verfahren dann neu festgelegt.
Mit der neuen Leitentscheidung will die Landesregierung nach eigener Aussage "Zukunftssicherheit für die Menschen im Braunkohlerevier sowie Investitionssicherheit für Unternehmen und den Erhalt von Arbeitsplätzen schaffen". Ziel der neuen Leitentscheidung sei zudem, dass nach dem im April 2014 vom Braunkohlenausschuss beschlossenen Umsiedlungsverfahren für die Erkelenzer Orte Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich sowie Berverath keine weiteren Umsiedlungen mehr durchgeführt werden müssen.
Nach Einschätzung der Landesregierung bleibt der angeblich "subventionsfreie und heimische Energieträger Braunkohle unverzichtbar für die Versorgungssicherheit." Eine Abkehr von der bisherigen Braunkohlenvorrangpolitik ist also nicht in Sicht. Die Landesregierung will deshalb auch nicht der BUND-Forderung nachkommen, und alle Braunkohlepläne auf den Prüfstand stellen. Der BUND befürchtet daher, dass die neue Leitentscheidung zum "Klimaschutz-Placebo" wird.
Im Rahmen des Erarbeitungsprozesses zur neuen Leitentscheidung haben im Frühjahr 2015 unter Beteiligung des BUND verschiedene Expertengespräche stattgefunden. Die jeweiligen Vorträge und Ergebnisse werden auf der Homepage der Staatskanzlei dokumentiert.
Heftige Kritik des BUND
Im Juli 2016 hat das Landeskabinett den Entwurf der Leitentscheidung abgesegnet. Der BUND reagierte mit heftiger Kritik. Zwar würde damit erstmals die Verkleinerung eines genehmigten Tagebaus festgeschrieben, der Anspruch, eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier aufzuzeigen, würde aber verfehlt. Mit dem Festhalten an der Braunkohleverstromung bis zum Jahr 2045 würden zudem die ambitionierten Klimaschutzziele geopfert.
"Die Landesregierung hat sich davor gedrückt, den Ausstieg aus dem Klimakiller Braunkohle konsequent anzugehen", sagte der BUND-Landesvorsitzende Holger Sticht. "Das Landesklimaschutzgesetz wird so zum Papiertiger." Dass mit der Leitentscheidung auch der Beschluss zur Umsiedelung von weiteren 1.600 Menschen in fünf Ortschaften des Tagebaus Garzweiler bekräftigt wird, bezeichnete Sticht angesichts der energiewirtschaftlichen Entwicklungen als "skandalös und nicht mehr vermittelbar."
Mit dem Verzicht auf lediglich 400 Millionen Tonnen Braunkohle sollen weniger als 15 Prozent des Kohlevorrats in den Tagebauen Garzweiler, Hambach und Inden unangetastet bleiben. "Will NRW seine ambitionierten Klimaschutzziele erreichen, müssten aber drei Viertel der Braunkohle im Boden bleiben", sagte der BUND-Braunkohlenexperte Dirk Jansen. Ein Braunkohlenausstieg bis zum Jahr 2025 sei machbar ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden.
Allerdings bedeute die Leitentscheidung nicht, dass auch tatsächlich die verbleibende Braunkohle komplett gefördert wird. "Die Landesregierung hat jetzt den Schwarzen Peter an RWE weitergegeben", so Jansen. Nicht vermittelbar bleibe aber, dass die Landesregierung sich davor gedrückt habe, auch die Tagebaue Hambach und Inden auf den Prüfstand zu stellen und ein klares Braunkohlenausstiegsszenario zu definieren. "Damit bleibt die Unsicherheit für die verbliebenen RWE-Beschäftigten und der längst überfällige Strukturwandel wird verzögert."
Nach Kohle-Kompromiss neue Leitentscheidung notwendig
Mit der Umsetzung der Empfehlungen der Kommission 'Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung' (Kohle-Kommission) wird jetzt die Erarbeitung einer neuen Leitentscheidung notwendig. Wird, wie von der Kommission gefordert, 3 Gigawatt an Kraftwerksleistung im Rheinischen Revier bis 2022 stillgelegt, verringert sich der Braunkohlenbedarf aus den Tagebauen Hambach und Garzweiler insgesamt um etwa 50 Prozent. Das macht eine Umplanung unter Aussparung aller Dörfer und des Hambacher Waldes notwendig. Auch der bis spätestens 2038 zu vollziehende Ausstieg aus der Braunkohle muss sich an der Erdoberfläche widerspiegeln.
Noch immer ist Nordrhein-Westfalen für ein Drittel aller Treibhausgasemissionen Deutschlands verantwortlich. Hauptgrund dafür ist der mit etwa 75 Prozent hohe Anteil der Kohle an der Stromerzeugung. Allein die drei großen RWE-Braunkohlenkraftwerke stoßen mit 75 Millionen Jahrestonnen Kohlendioxid fast 10 Prozent aller Treibhausgase Deutschlands aus. Nach RWE-Angaben waren Ende März 2019 noch etwa 9.900 Menschen (inkl. Azubis) in den Braunkohlentagebauen und –kraftwerken des Rheinlandes beschäftigt.