Aktuelles
Die Landesregierung hat Ende 2022 mit dem Prozess für eine neue Leitentscheidung begonnen. Im Rahmen so genannter Expertenfachgespräche zu verschiedenen Themen (Geologie, Raumentwicklung, Zukunft der Dörfer, etc.) sammelte die Landesplanungsbehörde Positionen und Meinungen ein. Die Zusammensetzung der Runden war mehr oder weniger willkürlich, Protokolle wurden nicht angefertigt. Am 8. und 11. März 2023 fanden zwei so genannte "Dialogveranstaltungen" statt; im Frühsommer will die Landesregierung dann die Leitentscheidung beschließen, so die ursprüngliche Planung. Wie auch bei der 2021er-Leitentscheidung wird es keine umfassende Bürgerbeteiligung geben. Der Prozess bleibt intransparent, auch das Parlament bleibt außen vor.
Nach der Kritik von Initiativen, Umweltverbänden und kirchlichen Gruppen am Prozess zur Erarbeitung der neuen Braunkohle-Leitentscheidung steuert die Landesregierung jetzt nach. Auf der Dialogveranstaltung in Erkelenz kündigte Wirtschaftsministerin Mona Neubaur weitere Beteiligungsformate an, auch wenn der ursprüngliche Zeitplan deshalb nicht mehr haltbar sei.
Am 19. September 2023 übermittelte Wirtschaftsministerin Mona Neubaur im Rahmen einer Unterrichtung die am gleichen Tage vom Landeskabinett beschlossene Leitentscheidung 2023: "Meilensteine für den Klimaschutz, Stärkung der Versorgungssicherheit und Klarheit für die Menschen in der Region". In einer ersten Reaktion kritisierte der BUND diese als schwere Hypothek für den Klimaschutz. Es sei zwar lobenswert, dass fünf weitere Dörfer geschützt und ein neues Biotopverbundsystem geschaffen werden sollen. Doch trotz dieser positiven Ansätze sei ein Braunkohlenausstieg erst im Jahr 2033 aus klimapolitischer Sicht noch immer deutlich zu spät. Der bis dato geplante Abbau weiterer 280 Millionen Tonnen Braunkohle sei viel zu hoch.
Am 15. November 2023 beschäftigte sich erstmals der nordrhein-westfälische Landtag intensiv mit der neuen Braunkohle-Leitentscheidung der Landesregierung. In einer Sachverständigenanhörung des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie äußern sich Expertinnen und Experten am 15. November zum geplanten Ende des Braunkohleabbaus in NRW. Ein konkretes Mitbestimmungsrecht hat der Landtag indes nicht.In einer umfassenden Stellungnahme hat der BUND seine Bewertung der Leitentscheidung vorgelegt.
BUND-Stellungnahme zur Leitentscheidung
Leitentscheidung 2023 - Anforderungen
Die schwarz-grüne Landesregierung hat leider nichts aus Kritik an den vorherigen Braunkohle-Leitentscheidungen gelernt: Das Verfahren zur Aufstellung der 5. Leitentscheidung ist eine „Black Box“ - intransparent, ohne echte Beteiligung der Zivilgesellschaft und nicht auf die Einhaltung der 1,5 Grad-Grenze des Pariser Klimaabkommens ausgerichtet. Eine dauerhafte Befriedung der Region wird so unnötig erschwert.
Simulation von Bürger*innenbeteiligung
Die Landesregierung will offenbar nur noch die mit dem „RWE-Deal“ vom Oktober 2022 bereits getroffenen Festlegungen in Vorgaben für die Braunkohlenplanung durch den Braunkohlenausschuss umsetzen. Mit der RWE-Vereinbarung und der Zulassung des Hauptbetriebsplans für Garzweiler ist jedoch der zweite Schritt vor dem ersten gemacht worden. Anstatt zuerst die Eckpunkte für einen stetigen Braunkohlenausstieg bis 2030 und für eine zukunftsfähige Transformation des Rheinischen Reviers zu definieren, wurden erst einmal Fakten geschaffen. Die Landesregierung gibt damit den Willen auf, das Rheinische Revier zu einer echten Modellregion für eine zukunftsfähige Transformation machen zu wollen.
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Braunkohlentagebau Garzweiler: Bergrechtliche Zulassung in der Kritik
Tagebau Garzweiler: Keine bergrechtliche Zulassung als Blanko-Scheck für RWE
Eine umfassende Beteiligung der verschiedenen Akteursgruppen und der Betroffenen im Rheinischen Revier bei der Erarbeitung der Leitentscheidung findet bislang nicht statt. Dem haben auch nicht die auf Einladung der Landesplanungsbehörde durchgeführten Fachgespräche mit verschiedenen Stakeholdern abhelfen können. Der Kreis der dazu Eingeladenen erschien willkürlich, die Sitzungsergebnisse wurden nicht protokolliert, eine Ergebnissicherung fand nicht statt. Auch die zwei öffentlichen Info-Veranstaltungen drohen zur reinen Simulation einer Bürger*innen- und Öffentlichkeitsbeteiligung zu werden. Dies auch vor dem Hintergrund, dass es keine Möglichkeit geben soll, zum Entwurf der Leitentscheidung Stellung zu beziehen. Mit echter Beteiligung hat das wenig zu tun, womit die Legitimation der Leitentscheidung von vornherein fraglich sei.
Inhaltliche Anforderungen
Die fünfte - und mutmaßlich letzte - Leitentscheidung müsste eigentlich die Leitplanken für einen mit der 1,5 Grad-Grenze im Einklang stehenden Kohleausstieg bis 2030 definieren. Das heißt aber auch, dass die in den drei Tagebauen geplante Fördermenge deutlich reduziert werden muss. RWE darf so zum Beispiel keinen Freibrief zur Förderung von 280 Millionen Tonnen Braunkohle allein aus dem Tagebau Garzweiler II bekommen. Enteignungen für die Tagebaue darf es nicht mehr geben.
Auf der Grundlage einer transparenten Massenbilanzierung müssten auch konkrete Festlegungen zur Minimierung der Flächeninanspruchnahme zur Materialgewinnung für die Restlochgestaltung und Böschungsstabilisierung der Tagebaue getroffen werden. Daraus müssten alternative Tagebauszenarien für Hambach und Garzweiler abgeleitet werden, die zum Beispiel den Verzicht auf die vollständige Verfüllung des östlichen Garzweiler-Restlochs und die deutliche Verkleinerung der „Manheimer Bucht“ beinhalten. Diese Planung darf nicht allein der RWE Power AG überlassen bleiben, die nach allein ökonomischen Erwägungen vorgeht.
Die Region braucht endlich Planungssicherheit, um sich zukunftsfähig aufzustellen. Das bedeute auch, klar zu definieren, welche Langzeitfolgen der Braunkohlenbergbau hat und dass die RWE Power AG als Verursacher finanziell zu deren Bewältigung vollumfänglich in die Pflicht genommen wird. Auch müssen in der Leitentscheidung klare Festlegungen zur ökologischen Revitalisierung der geschundenen Region getroffen werden. Die Wiedervernetzung der Bürgewälder und ein Biotopverbundsystem auf 30 Prozent der Fläche müssen mit konkreten Maßnahmen und Finanzen hinterlegt werden.
Der Strukturwandel in der Region muss auf Basis klar definierter Nachhaltigkeitskriterien neu justiert und an den Bedürfnissen der dort lebenden Menschen ausgerichtet werden. Dazu gehört, nur solche Vorhaben und Projekte zu fördern, die nachweislich ohne umweltschädliche Folgen für die kommenden Generationen auskommen und einen Beitrag zur Klimaneutralität leisten. Vor diesem Hintergrund müssen auch die Tagebauflächen für Bürgerenergieprojekte geöffnet werden.
Frühere Leitentscheidungen
Leitentscheidung 2021
Mit der 2021er-Leitentscheidung wurde der vom BUND gerichtlich erwirkte Erhalt des Hambacher Waldes bestätigt. Die Zukunft der Garzweiler-Dörfer blieb ungewiss.
Leitentscheidung 2016
Die 2016er-Leitentscheidung beinhaltete erstmalig die Verkleinerung eines Tagebaus. Damit war klar, dass Holzweiler gerettet ist und eine Zukunft hat.
Leitentscheidung 1991
Leitentscheidung 1987
Koalitionsvertrag 2022
Der zwischen CDU und Bündnis 90/Die Grünen vereinbarte Koalitionsvertrag enthält in Sachen Braunkohle etliche der vom BUND lange geforderten Punkte. Der beschlossene Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen bis 2030, die Ankündigung einer zeitnahen neuen - und dieses Mal finalen - Leitentscheidung sowie die Rettung der fünf Garzweiler-Dörfer des 3. Umsiedlungsabschnittes sind nicht zuletzt auch ein Erfolg der Klimabewegung. Diese Leitentscheidung, so die Landesregierung, soll das letzte Kapitel für den Braunkohletagebau in Nordrhein-Westfalen sein.
Auch die klare Aussage, die Tagebaufolgekosten vollständig der RWE Power AG anzulasten und zur aktuellen Bewertung sämtlicher Tagebaufolgekosten ein unabhängiges Gutachten in Auftrag zu geben, entspricht einer BUND-Forderung, die unter Rot-Grün damals nicht umsetzbar war. Weitere wichtige Punkte wie den Vergabeprozess für Strukturwandel-Projekte transparenter zu gestalten, Arbeit und Struktur der Zukunftsagentur Rheinisches Revier zu verbessern und den Strukturwandel besser mit der Braunkohle- und der Regionalplanung zu verzahnen, begrüßte der BUND ebenfalls. Dies gilt auch für die Betonung der Wichtigkeit eines gesamträumlichen Wasserkonzepts und des Ökosystemverbunds. Das Bekenntnis zu einer in öffentlichem Eigentum stehenden großflächigen Waldvernetzung im südlichen Teil des Tagebaus Hambach und zum dauerhaften Erhalt des Hambacher Waldes ist gleichfalls positiv, muss jetzt aber durch entsprechende Projekte und Entscheidungen umgesetzt werden.
Allerdings: So gut die Festlegungen im Koalitionsvertrag klingen, so schlecht ist bislang die Umsetzung. Mit dem "RWE-Deal" vom 4. Oktober 2022 erfolgt eine Abkehr vom 1,5 Grad-Ziel, eine transparente Massenbilanzierung als Basis für alle weiteren Tagebauplanungen wurde nicht vorgenommen, in Sachen Biotopverbund ist bislang nichts passiert.
Streit um Lützerath
Doch wie steht es mit der Debatte um den Erhalt Lützeraths? Die RWE Power AG hat noch am 23. Juni gegenüber dem Braunkohlenausschuss deutlich gemacht, dass sie an ihren Plänen zur Zerstörung Lützeraths festhalten will. Bis August 2022 wird es danach noch eine Bandrückung vor Lützerath geben; der Tagebau wird danach einen „temporären Stand“ 200 Meter vor der Ortslage erreichen. Nach Übergabe der noch bewohnten landwirtschaftlichen Anwesen im September 2022 soll der Rückbau der Aufbauten erfolgen und die bergbauliche Inanspruchnahme von Lützerath mit dem Schaufelradbagger beginnen. Das aber widerspräche den Festlegungen im Koalitionsvertrag.
Danach soll wegen des vorgezogenen Kohleausstiegs die Tagebauplanung für Garzweiler zeitnah angepasst werden. Die weitere Tagebauführung in Garzweiler und Hambach soll unter Berücksichtigung aller Massenbedarfe so gestaltet werden, dass die Flächeninanspruchnahme auf ein Minimum begrenzt wird. Hierzu soll die Massenbilanzierung transparent evaluiert werden. Mit der RWE Power AG soll ein Einvernehmen darüber hergestellt werden, welche Tagebauflächen bis zur Fertigstellung der neuen Leitentscheidung noch genutzt und welche anderweitigen Eingriffe bis dahin noch erfolgen werden.
Landesregierung muss Moratorium vereinbaren
Deshalb erwartete der BUND, dass die Landesregierung mit RWE vereinbart, dass zumindest bis zur Verabschiedung der fünften und letzten Braunkohle-Leitentscheidung keine irreversiblen Fakten geschaffen werden. Letztendlich kann erst die aufgrund des neuen Tagebaudesigns notwendig werdende Massenbilanzierung Klarheit darüber bringen, welche Flächen überhaupt noch benötigt werden, um die Restlochgestaltung zu gewährleisten. Aus Klimaschutzsicht ist eh klar, dass die Braunkohle unter Lützerath oder in der „Holzweiler Bucht“ im Boden bleiben muss, soll das Restbudget an Braunkohle nicht überschritten werden.
Zum 1. Januar 2023 benötigt die RWE Power AG die Zulassung eines neuen Hauptbetriebsplans. Ansonsten steht der Tagebau still. Insofern sollte es auch im Interesse des Bergbautreibenden liegen, hier ein Einvernehmen mit der Landesregierung zu erzielen. Für den BUND ist dabei die Verlängerung der Zulassung innerhalb der Grenzen des bisherigen Hauptbetriebsplans exklusive Lützerath eine tragfähige Option. Alternativ käme die Zulassung eines neuen Hauptbetriebsplans, der den Erhalt aller Dörfer und Höfe garantiert in Betracht.
Der BUND sieht momentan (Anfang August 2022) mit großer Sorge, dass die RWE Power AG Tag für Tag Fakten schafft. Die Umwallung der Grenzen des derzeitig genehmigten Betriebsplans kann als Affront gegen die Landesregierung verstanden werden. Letztlich können erst die im Koalitionsvertrag vereinbarten neuen Gutachten Klarheit darüber bringen, welche Flächen bis 2030 überhaupt noch für den Tagebau benötigt werden. Selbst bei sofortigem Stillstand der jetzigen Gewinnungsböschung kann RWE noch etwa 90 Millionen Tonnen Braunkohle fördern. Ohne das Abbaggern von Lützerath sind sogar noch insgesamt etwa 210 Millionen Tonnen Braunkohle gewinnbar. Selbst unter Einberechnung zusätzlicher Kohlemengen durch die Wiederinbetriebnahme von Kraftwerken aus der Sicherheitsbereitschaft sichert das für Jahre die Kohleverstromung. Allerdings würden dann unsere Klimaschutzziele unerreichbar. Das zulässige 1,5 Grad Ziel-kompatible Restbudget für den Tagebau Garzweiler liegt bei 70 Millionen Tonnen.
Zerstörung Lützeraths wäre Akt der Willkür
In Lützerath wird sich auch erweisen, ob RWE gewillt ist, das Primat der Politik zu respektieren. Die Landesregierung hat ja angekündigt, eine einvernehmliche Lösung suchen zu wollen. Das würde durch eine weitere Eskalation des Konflikts erschwert. Klar ist, dass RWE Lützerath und die Flächen bis zur westlichen Betriebsplangrenze vorerst zerstören darf. Es gibt dafür aber weder eine bergbautechnische noch eine energiewirtschaftliche Notwendigkeit, zumal RWE weit hinter der ursprünglichen Abbauplanung hinterherhinkt. Eine Devastierung Lützeraths im Herbst 2022 wäre ein Akt der Willkür. Wir erwarten deshalb, dass dieser Umstand im Rahmen des aktuellen Verfahrens für die ab 1.1.2023 notwendige Betriebsplanzulassung berücksichtigt wird.
Im Januar 2023 schufen die Landesregierung und RWE dann Fakten: Lützerath wurde bei anhaltenden Massenprotesten geräumt und die Ortslage Lützerath zerstört.