Weg mit den Barrieren im Bus- und Bahnverkehr!

Kaputte Aufzüge und Rolltreppen an den Bahnhöfen, Höhenunterschiede zwischen Bahnsteig und Bahn, keine barrierefreie Kommunikation für Menschen mit Seh- oder Hörbeeinträchtigung - für das Erreichen der Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr gibt es noch viel zu tun. Gemeinsam haben wir landesweit gezeigt, wo Verbesserungsbedarf besteht. Damit endlich gilt: Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr konsequent und überall umsetzen!

Die Mobilitätswende geht uns alle an. Mobilität bestimmt unseren Alltag, bedeutet Teilhabe und gestaltet unsere Städte. Aber die aktuelle Form der Mobilität ist nicht gerecht. Sie bevorzugt Gutverdienende, ist nicht für alle zugänglich und zerstört Klima und Naturräume. Die Mobilitätswende zeigt besonders stark, dass Soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz untrennbar miteinander verbunden sind. Wer keinen Zugang zu Mobilität hat, hat kaum Chancen auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Landesweiter Protesttag war voller Erfolg

Ob Koffer, Kind oder Rollator - von einer zugänglichen Mobilität ohne Barrieren profitieren alle. [Foto: Pixabay]

Anlässlich des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung wurde erneut europaweit auf die Missstände hingewiesen, mit denen Menschen mit Behinderungen täglich konfrontiert sind. Ein zentrales Thema bleibt die Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr. Trotz klarer Vorgaben, wie der UN-Behindertenrechtskonvention und anderen gesetzlichen Regelungen, ist die barrierefreie Gestaltung des Nahverkehrs in vielen Kommunen Nordrhein-Westfalens noch immer unzureichend. Unzureichende Zugänge, ungenügende Informationen und fehlende barrierefreie Fahrzeuge verhindern die uneingeschränkte Teilhabe vieler Menschen am öffentlichen Leben.

Mit einem erstmals in NRW formierten Zusammenschluss von Umwelt- und Naturschutzverbänden, Gewerkschaften, Behindertenverbänden und Wohlfahrtsverbänden haben das Bündnis Sozialverträgliche Mobilitätswende NRW sowie der Landesbehindertenrat NRW, gemeinsam zu einem landesweiten Protesttag auf gerufen, um auf anhaltende Mängel aufmerksam zu machen und die vollständige Umsetzung von Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr einzufordern.

Gefordert wurde ein öffentlichen Nahverkehr, der für alle Menschen uneingeschränkt zugänglich ist – unabhängig von ihrer Mobilität oder ihrem Alter. Alle Interessierten waren eingeladen, entsprechend der Gegebenheiten vor Ort eigene Aktionsformate zu entwickeln – sei es eine Demonstration, eine Kundgebung, eine Unterschriftenaktion oder andere kreative Formen des Protests. Ein paar Einblicke in die gelaufenen Aktionen erhalten Sie auf den Seiten des NRW-Landesverbandes des Sozialverbands Deutschland (SoVD) der Schirmherr der Veranstaltung war. 

Details zum Protesttag  

Mobilität für alle - zugänglich und klimagerecht?!

Diskussion zur Kommunalwahl 2025

Im Anschluss an den landesweiten Aktionstag für Barrierefreiheit im ÖPNV kamen am 5. Mai rund 50 Teilnehmende im Wissenschaftspark Gelsenkirchen zur abendlichen Podiumsdiskussion zusammen. Im Mittelpunkt stand die Frage: Wie kann Mobilität in Kommunen so gestaltet werden, dass sie sozial gerecht, klimagerecht – und wirklich für alle zugänglich ist?

Gleich zu Beginn machten Marina Falke, Referentin für Mobilität beim BUND NRW, und Dr. Michael Spörke, Leiter für Sozialpolitik und Kommunales beim SoVD NRW, deutlich: Klimaschutz funktioniert nicht ohne soziale Teilhabe – und soziale Teilhabe nicht ohne Klimaschutz. Beide Themen gemeinsam zu denken sei längst überfällig. Nur im Schulterschluss könne die Mobilitätswende gelingen.

Anschließend präsentierten Fiona Sürth, Projektleiterin des Bündnis Sozialverträgliche Mobilitätswende, und Ann-Christin Rauch, Geschäftsfüherin des Landesbehindertenrat NRW, eindrucksvolle Impressionen vom landesweiten Aktionstag. Die Resonanz war überwältigend: Menschen aus ganz NRW dokumentierten Barrieren, organisierten Aktionen, schickten Fotos und Videos. Ihre Beiträge waren nicht nur visuell stark, sondern lieferten klare Impulse und Forderungen aus gelebter Alltagserfahrung.

Der wissenschaftliche Impuls kam von Prof. Dr. Frank Eckardt, Professor für Stadtsoziologie an der Bauhaus Universität Weimar, Herausgeber des Handbuchs Stadtsoziologie und gebürtiger Gelsenkirchener, der Mobilität als zentrale Daseinsvorsorge verortete. Er zeigte auf, wie tiefgreifend Mobilitätsarmut die Teilhabe, Integration, Gesundheit und Lebensqualität einschränkt – und wie dringend sich etwas ändern muss. Besonders alarmierend: Barrierefreiheit spielt bislang kaum eine Rolle in der Ausbildung von Stadtplaner:innen. Hier braucht es ein Umdenken.

In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde klar: Die Herausforderungen sind komplex – aber es gibt Lösungsansätze, wenn man sie konsequent verfolgt.

Kerstin Ciesla, stellvertretende Landesvorsitzende des BUND NRW, plädierte für eine gerechtere Verteilung des öffentlichen Raums. Zu viele Flächen würden noch immer von Autos blockiert – auf Kosten von Stadtnatur und Bewegungsfreiheit. Ihr Appell: Es braucht klimafreundliche, bezahlbare und nutzbare Mobilitätsangebote für alle.

Dr. Michael Spörke verwies auf das Potenzial einer gut geplanten Infrastruktur, forderte aber klare Standards statt eines Flickenteppichs aus unterschiedlichen Bahnsteighöhen und Systemen. Eine barrierefreie Infrastruktur sei kein Luxus, sondern Grundvoraussetzung für eine gerechte Mobilität.

Norbert Schilff, Bürgermeister der Stadt Dortmund und Vorsitzender im Verkehrsausschuss des VRR, bestätigte diese Einschätzung: Viel zu lange seien in verschiedenen Verkehrsverbünden uneinheitliche Normen verfolgt worden – eine Herausforderung, die dringend angegangen werden müsse.

Christoph Heidenreich, Stadtbaurat von Gelsenkirchen, beschrieb eindrücklich die Herausforderungen auf kommunaler Ebene. Zwar gebe es großes Engagement und innovative Ansätze, doch fehlende Fachkräfte, mangelndes Know-how und unzureichende finanzielle Mittel erschwerten die Umsetzung. Selbst das Infrastruktur-Sondervermögen entlaste den kommunalen ÖPNV kaum – zu groß sei der Investitionsbedarf in Bildung und Schulen. Die Hauptlast trügen die Kommunen, obwohl sie nur einen Bruchteil der verfügbaren Mittel erhalten.

Auch das Publikum beteiligte sich engagiert – mit persönlichen Erfahrungen, Kritik, Fragen und konkreten Vorschlägen. Besonders eindringlich: Die Frage, warum ausgerechnet Behindertenparkplätze aus Innenstädten verschwinden. Oder der Hinweis, dass viele E-Ladesäulen für Menschen mit Sinnes- oder Mobilitätseinschränkungen unzugänglich sind. Diese Stimmen zeigten deutlich: Es braucht integrative Planung und echte Mitbestimmung – und zwar von Anfang an.

Fazit des Abends: Mobilität geht uns alle an. Ein barrierefreier, verlässlicher ÖPNV ist essenziell – nicht nur für Menschen mit Behinderung, sondern für die gesamte Gesellschaft. Es geht um soziale Gerechtigkeit, Teilhabe und echten Klimaschutz. Die Barrieren liegen nicht nur im Straßenraum, sondern auch in den Strukturen – von der Ausbildung über die Planung bis hin zur Verteilung von Finanzmitteln.

Details zur Diskussionsveranstaltung

Aufruf zur Protestaktion

Fotos der Veranstaltung

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