Schutzmaßnahmen für den Seeadler in NRW

In- und außerhalb von Naturschutzgebieten ist es unumgänglich, für eine erfolgreiche Brut Ruhezonen zu schaffen. Demnach sind die wichtigsten Schutzmaßnahmen für den Seeadler in NRW die Sicherung der Brutgebiete, sowie die Reduktion von Störungen und Konflikten mit dem Menschen.
Ein entscheidender Faktor bei der Umsetzung von Schutzmaßnahmen für den Seeadler ist die Zusammenarbeit von Seeadlerschützern, Behörden, Jagd, Fischerei, Landwirtschaft und der Öffentlichkeit.
Für die erfolgreiche Umsetzung von Schutzmaßnahmen werden auch finanzielle Unterstützung und der Einsatz von moderner Technologie, wie die technische Überwachung von Horsten und die Besenderung von Jungvögeln benötigt. Daher ist der Landesarbeitskreis Seeadler NRW im BUND auf Spenden angewiesen.
Welche Gefahren drohen den Seeadlern in NRW in ihren Brutgebieten?
Störungen durch den Menschen
Grundsätzlich sind Seeadler auch in NRW eher scheue Wildtiere, die die Nähe zum Menschen meiden. Allerdings passen sich Seeadler, wie viele Wildtiere, immer mehr an. Die Fluchtdistanz bei Adlern wird kürzer, wenn sie in der Nähe von Menschen aufwachsen. Früher brüteten die verbliebenen vier Paare, die es zu Anfang der 1980er-Jahre noch in Westdeutschland gab, ausschließlich in riesigen, alten Buchenwäldern, fern aller Wege – zu groß war infolge jahrhundertelanger Verfolgung die Scheu vor Menschen. Mit der deutlichen Zunahme des Bestandes – heute gibt es in Deutschland wahrscheinlich deutlich mehr als 800 Paare mit Schwerpunkt im Norden und Osten – nahmen die Ansprüche der Adler ab, was die Nähe zu Siedlungen, Straßen, Wirtschafts- und Wanderwegen angeht. Mancherorts finden sich Horste in wenigen Metern Entfernung zu befahrenen Straßen oder regelmäßig von Menschen begangenen Wegen, auch in NRW. Eine extensive landwirtschaftliche Nutzung des unmittelbaren Horstbereiches, etwa durch Beweidung mit Schafen oder Rindern, stört die Adler in der Regel nur dann erheblich, wenn sie dies zum Zeitpunkt ihrer Ansiedlung und des Horstbaus nicht kannten. Allerdings gibt es auch diesbezüglich eine sehr kritische Zeit, was Störungen durch den Menschen angeht! Das sind die Wochen vor Legebeginn, die Bebrütungszeit von 38 Tagen und die ersten zwei bis drei Monate nach dem Brutbeginn, wenn die Jungvögel noch klein und schutzlos sind. In Anbetracht des aktuell winzigen Seeadler-Bestandes in NRW sollte unseren Paaren möglichst jedweder Schutz zugutekommen. In anderen Gegenden in nord- und ostdeutschen Bundesländern wird der Schutz heutzutage angesichts der dort zu Hunderten zählenden zahlreichen Seeadlerpaare oft laxer gehandhabt. In NRW können und dürfen wir uns das nicht leisten!
Am empfindlichsten sind Seeadler also zwischen Dezember und Juni – mit Höhepunkt von Ende Januar bis etwa Mitte April. In dieser Zeit dürfen die Tiere möglichst nicht durch menschliche Aktivitäten gestört werden, es sei denn, diese sind den Tieren bereits bekannt. Bei Störungen verlässt der brütende beziehungsweise die Jungen wärmende oder bewachende Vogel oft panisch den Horst. Anders als viele Vogelarten verteidigen Seeadler ihre Brut nicht gegenüber dem Menschen. Die Eier oder Jungvögel bleiben dadurch ungeschützt zurück, sie können auskühlen oder von Rabenvögeln, anderen Greifvögeln und sogar Waschbären erbeutet und gefressen werden. Nachgelege gibt es in der Regel keine, und so kann eine einzige Störung zum Brutabbruch führen. Die Brutsaison fällt dann komplett aus – bei den wenigen Seeadlern in NRW eine Katastrophe!
Jagd und Fischerei
Die Ausübung der Jagd und Fischerei kann, erst recht zur Brutzeit, vielfach problematisch sein. Daher ist es unerlässlich, sich mit Jägern und Berufsfischern sowie Freizeitanglern abzustimmen, wann, wo und wie lange in den Horstrevieren geschossen beziehungsweise gefischt werden kann – und wann nicht. Der Seeadler gehört nach §2 Bundesjagdgesetz zu den Tierarten, die dem Jagdrecht unterliegen, genießt allerdings ganzjährig Schonzeit. Der jeweilige Jagdausübungsberechtigte hat allerdings für den Schutz und die Erhaltung der Seeadler in NRW zu sorgen, denn, wie es in §1 des Bundesjagdgesetzes heißt: „Das Jagdrecht ist die ausschließliche Befugnis, auf einem bestimmten Gebiet wildlebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen, (Wild) zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und sie sich anzueignen. Mit dem Jagdrecht ist die Pflicht zur Hege verbunden.“ Eine Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der großen Greifvögel ist bei der Jagd also unbedingt zu beachten. Weil Seeadler auch Aas fressen, ist bleihaltige Jagdmunition für sie gefährlich und kann tödlich enden. Dazu kommt es, wenn die Adler von Jägern nicht entfernte oder vergrabene Ausbrüche erlegter Wildtiere fressen.
Freizeitaktivitäten
Ratsam ist außerdem die zeitweise Absperrung von Wander-, Forst- und Wirtschaftswegen. Auch Hobbyfliegerei und der Einsatz von Drohnen im Horstumfeld sollten tunlichst vermieden werden. Ein immer drängenderes Problem für den Seeadler in NRW ist die Ausweisung und der Betrieb von Windenergieanlagen. In den vom Seeadler dicht besiedelten Gebieten Ost- und Norddeutschlands werden sie vielfach und zunehmend – wie etwa Rotmilane und andere geschützte Vogelarten – bei Kollisionen mit Windrädern getötet.
Direkte Verfolgung
Während direkte Verfolgung durch Abschuss oder Fallen über Jahrzehnte hinweg immer seltener wurden, was die Brutbestände des Seeadlers deutlich ansteigen ließ, mehrten sich in den vergangenen 20 Jahren auch in Deutschland, vornehmlich im nördlichen Niedersachsen und westlichen Schleswig-Holstein, leider wieder gezielte Vergiftungen durch mit Insektiziden präparierte Giftköder. Auch der Abschuss einzelner Tiere und die vorsätzliche Störung und Vertreibung der Tiere, wie es sie insbesondere im Frühjahr 2024 auch in NRW gegeben hat, haben vermutlich dazu geführt, dass von den mindestens drei niederrheinischen Paaren in NRW kein einziges erfolgreich Junge großziehen konnte.
Und sonst?
Weitere Gefahren sind Kollisionen mit Windkraftanlagen, Eisenbahnverkehr oder Stromleitungen. Auch Gehölzschnitt und Rodungen in der Nähe der Horste können die Adler vertreiben, ebenso Freizeitaktivitäten im Brut- und Nahrungsrevier.