Die Seeadler-Brutsaison 2024 in Nordrhein-Westfalen
Im Jahre 2017 fand erstmalig eine Brut des Seeadlers Haliaeetus albicilla mit zwei ausgeflogenen Jungvögeln in NRW statt . Nach Kenntnis der Autoren war dies die erste Reproduktion des Seeadlers in unserem Bundesland. Die Ansiedlung am Unteren Niederrhein erfolgte im Rahmen der Ausbreitung der Art nach West- und Mitteleuropa, insbesondere in die Niederlande und nach Niedersachsen.
Langjähriges Brutpaar auf der Bislicher Insel, Kreis Wesel
Mittlerweile haben die Partner aufgrund von Revierkämpfen mehrmals gewechselt. Das Brutpaar auf der Bislicher Insel hat auch in dieser Brutsaison einen Schicksalsschlag erlitten. Nachdem das alte Männchen des ersten Seeadler-Brutpaares in NRW Ende Mai 2023 spurlos verschwunden war, hat sein Nachfolger wohl einen Revierkamp verloren. Das neue Männchen des Brutpaares wurde 2020 von der Werkgroep Zeearend Nederland in Oostvaardersplassen (NL) beringt und besendert, sodass dessen Aufenthaltsort jederzeit bekannt war. Der Brutbeginn war am 15. oder 16. Februar 2024 – also insgesamt ein sehr früher Brutbeginn. Am 39. Bruttag konnten Aktivitäten auf dem Horst beobachtet werden, die auf einen Bruterfolg hinwiesen. Daraufhin wurde die Untere Naturschutzbehörde des Kreises Wesel (UNB) und der Grundstückseigentümer, der Regionalverband Ruhr (RVR), informiert. Am nächsten Morgen teilte die Werkgroep Zeearend Nederland mit, dass sich der Sender des Männchens des Brutpaares auf der Bislicher Insel seit gestern Abend nicht mehr bewegt habe und er davon ausgehe, dass dieser Seeadler verendet sei!
Der Fundpunkt wurde mitgeteilt und der verendete Seeadler von in der Gemeinde Alpen gesichert. Nach der Beweissicherung durch die Polizei wurde der Vogel ins Chemisch- und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) nach Krefeld gebracht. Als Todesursache wurden die Verletzung in der Folge eines vermuteten Revierkampfes festgestellt. Nun war schnelles Handeln gefragt, da ein kleines Küken im Horst war und das Männchen somit als Versorger ausgefallen war. Die UNB erteilte die Ausnahmegenehmigung, das Küken aus dem Horst zu entnehmen.
Aufzucht eines gerade geschlüpften Seeadlerkükens
Parallel zu Aushorstung und Transport wurde die Auffangstation für Greifvögel, Falken und Eulen telefonisch informiert, dass ein Seeadlerküken auf dem Weg zu ihnen sei. Dor bereitete man alles für den außergewöhnlichen Nestling vor, sind doch eigentlich Mäusebussarde, Turmfalken und Sperber die Spezies, in der Auffangstation häufigsten unterkommen. Mit gerade einmal 81 Gramm Gewicht zog der kleine Adler in sein vorläufiges neues Zuhause, den Inkubator. Der liefert für einen Jungvogel im Dunen-Gefieder nicht nur nötige Wärme, er dämpft auch die Umweltgeräusche in der wichtigen Prägephase. Natürlich spielt eine ausgewogene, artgerechte Ernährung eine große Rolle - allerdings ist die Fehlprägung bei einer Handaufzucht ein ebenso großes Risiko. Ziel war von Anfang an die erfolgreiche Auswilderung, ein arttypisches Verhalten und somit die besten Chancen auf einen zweiten Start ins Leben eines Königs der Lüfte. Das Exponat eines Seeadlers, eine Adlerhandpuppe, Spiegel, Geräusche aus einem Seeadlerhorst in Estland und die komplette Vermummung des Menschen beim Kontakt mit dem jungen Adler gehörten zu jeder Fütterung dazu. Aus leisem Piepsen wurde forderndes Rufen. Er kommunizierte mit dem Exponat, seinem Spiegelbild und der fremden Seeadlerfamilie. Die ersten Tage nahm er erst fünf, dann zehn und zuletzt weit über 100 Gramm am Tag zu. Vogelkinder wachsen schnell, vom einen auf den anderen Tag sprießen Federkiele aus dem Dunen-Gefieder - das allerdings bei einem Seeadler miterleben zu dürfen, der binnen vier Wochen von 81 Gramm auf 2,5 Kilogramm gewachsen ist, war einfach beeindruckend.
Adaption des Jungvogels
Die Brut auf der Bislicher Insel (NRW) erfolgte früher als viele andere Seeadler-Bruten in Mitteleuropa. Um den Jungvogel auszuwildern, musste ein Brutpaar mit einem Jungvogel im selben Alter gefunden werden. Die Suche gestaltete sich schwierig. Schließlich konnte ein Auswilderungsplatz auf der Insel Poel bei Wismar in Mecklenburg-Vorpommern gefunden werden. Mit Hilfe von der NABU-Kreisgruppe Wesel wurde der Jungvogel nach Poel gebracht und dort ausgewildert. Beide Jungvögel sind später erfolgreich ausgeflogen.
Bestandssituation des Seeadlers in Nordrhein-Westfalen
2024
Insgesamt konnten in diesem Jahr drei Bruten, davon zwei erfolgreich, sowie zwei Revierpaare nachgewiesen werden. Bei einem Brutpaar im Kreis Kleve gab es wahrscheinlich durch menschliche Störung eine Aufgabe der Brut. Eine weitere Seeadler-Brut erfolgte im Kreis Lippe, Weserbergland, mit drei ausgeflogenen Jungvögeln.
Ein Seeadler-Revierpaar im Kreis Wesel wurde nachweislich durch menschliche Aktivitäten gestört und bei einem weiteren Revierpaar wurde der Brutversuch ebenfalls durch vermutlich menschliche Störungen aufgegeben.