BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Rodungen auf Vorrat unterbinden

Stimmen die RWE-Behauptungen, wonach ab dem 1. Oktober 2018 weitere Waldflächen gerodet werden müssen, damit es nicht zum Tagebaustillstand kommt. Die BUND-Analyse zeigt: nein. Es ist eindeutig, dass RWE auf Vorrat roden will.

In der Öffentlichkeit wird derzeit vehement darüber debattiert, warum RWE alles daran setzt, die Rodungen im Hambacher Wald schnell voran zu treiben. Der Kohlekonzern argumentiert mit dem vermeintlich notwendigen zeitlichen Vorlauf einer Vorfeldfreimachung. Bliebe diese aus, käme es zu sofortigen Betriebsstillegungen. Die BUND-Untersuchungen legen dagegen nahe, dass es RWE einzig und allein darum geht, schnell und ohne betriebliche Notwendigkeit Fakten zu schaffen.

Dabei sind die Vorgaben der aktuellen bergrechtlichen Zulassung, die im Übrigen wegen einer vom BUND dagegen noch geführten Klage nicht rechtskräftig ist, eindeutig. In der von der Abteilung 6 'Bergbau und Energie in NRW' der Bezirksregierung Arnsberg am 29 . März 2018 erteilten Zulassung des Hauptbetriebsplan für den Zeitraum 01.04.2018 bis 31.12.2020 legt die  Nebenbestimmung Nr. 23 fest: „Die Inanspruchnahme des Abbauvorfeldes ist auf das betrieblich erforderliche Maß zu beschränken. Die ökologischen Funktionen sind möglichst lange zu erhalten. Die jährlichen Rodungs- und Abholzungsmaßnahmen dürfen nur in den beiden dem bergbaulichen Inanspruchnahmejahr vorlaufenden Rodungsperioden (01.10.-28.02.) erfolgen.“

Das derzeitige Vorgehen der RWE Power AG verstößt damit eindeutig gegen diese verbindliche Vorgabe.

Zeithorizonte Tagebau Hambach

RWE versuchte in einem Schreiben mit Datum vom 17.08.2018 an die Vorsitzenden der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ die Notwendigkeit der Rodung im Hambacher Forst zur Aufrechterhaltung des Betriebs zu begründen. In dem Schreiben heißt es:

„Die Abbaukante wird zu Beginn der diesjährigen Rodungsperiode auf 300 Meter an den Restbestand herangerückt sein (Tagebauentwicklung ca. 150 m pro Jahr).“

Die Tagebauentwicklung kann leicht mit historischen Luftbildern ermittelt werden. In den 2.267 Tagen zwischen dem 25.06.2010 und dem 08.09.2016 betrug der Fortschritt der Abbaukante im mittleren Bereich des Restwaldes rund 743 Meter. Dies entspricht einem jährlichen Fortschritt des Tagebaus von knapp 120 Metern.
Nachfolgende Abbildungen 1 und 2 zeigen die beiden Luftbilder mit den Abbaukanten 2010 und 2016. 

Abbildung 1: Abbaukante im Luftbild vom 25.06.2010
Abbildung 2: Abbaukante im Luftbild vom 08.09.2016

Mit Schreiben vom 28.06.2018 hat die RWE Power AG dem Verwaltungsgericht Köln eine Karte des Tagebaustands vom 06.06.2018 vorgelegt („Anlage BG 1 (PDF Farbe).pdf“. In dieser Karte hat der BUND NRW die Abstände des Restwaldes zu der von RWE Power AG eingetragenen Abbaukante ausgemessen. Diese Abstände betragen in Richtung der Tagebaufortentwicklung rund 310 - 510 Meter; im überwiegenden Bereich des Waldrands beträgt der Abstand dabei mehr als 400 Meter. Die größten Abstände zur Abbaukante von 510 Metern treten im mittleren Bereich des Waldes auf.  Ein größerer innenliegender Bereich des Waldes ist Ende 2017 sogar bis zu einem Abstand von 780 Metern zur Abbaukante gerodet worden.

Legt man den von RWE genannten jährlichen Entwicklungsfortschritt von 150 Metern zugrunde, so beträgt der zeitliche Abstand zur Waldkante also bei 310 – 510 Metern Abstand rund zwei bis dreieinhalb Jahre. Legt man indessen den aus den Luftbildern ermittelten jährlichen Entwicklungsfortschritt von 120 Metern zugrunde, so beträgt der zeitliche Abstand des Tagebaus zur Waldkante im Juni 2018 rund zweieinhalb bis gut vier Jahre. Allerdings fanden auf dem weit überwiegenden Teil der dem Tagebau zugewandten Waldkante die letzten Rodungen schon vor anderthalb Jahren - nämlich in der Rodungssaison 2016/2017 – statt. (Eine Ausnahme bildet nur der nordöstlichste Zipfel des Restwaldes.) Zum damaligen Zeitpunkt hatte RWE also an der Waldkante bereits dreieinhalb bis fünf Jahre in die Tagebauzukunft gerodet, sofern man die 150 Meter jährlichen Fortschritts gelten ließe. Bei den ermittelten tatsächlichen 120 Metern pro Jahr Tagebaufortschritt betrugt der zeitliche Rodungsvorsprung am Ende der Rodungssaison 2016/2017 tatsächlich vier bis fünfeinhalb Jahre. In den jeweiligen Hauptbetriebsplanzulassungen genehmigt war allerdings jeweils nur ein Rodungsvorsprung von maximal bis zu drei Jahren!

Bei dieser Faktenlage ist es irreführend, dass RWE eine zwingende Notwendigkeit für Rodungen in der kommenden Saison 2018/2019 aufgrund eines andernfalls bereits kurzfristig zu erwartenden Tagebaustillstands behauptet.

Zur Verdeutlichung haben wir die Abstände zwischen dem Restwald und der Abbaukante in die RWE-Karte vom Juni 2018 eingezeichnet, siehe Abbildung 3.

 

Abbildung 3: Abstände der Abbaukante zum Restwald im Juni 2018 [Karten-Quelle: RWE; Entfernungsangaben: BUND]

Dem genehmigten Antrag der RWE auf Zulassung des Hauptbetriebsplans 2018 – 2020 entnehmen wir zudem die geplante „Rodungsgrenze Frühjahr 2019“, also nach Abschluss der kommenden Rodungssaison vom 01.10.2018 – 28.02.2019.

 

Abbildung 4: Für die Saison 2018/2019 geplante Rodungsgrenze und die resultierenden Abstände zur aktuellen Abbaukante [Karte: RWE; Entfernungsangaben: BUND]

Diese Rodungsgrenze verläuft ähnlich der Grenze des Hauptbetriebsplans 2018 – 2020, jedoch meistens leicht nördlich davon. Wir haben auch die Abstände der geplanten Rodungen zur aktuellen Abbaukante eingemessen und zeichnerisch dargestellt, s. Abbildung 4.

Die geplanten Rodungen würden mit einem Abstand von 630 – 1.230 Metern zwischen Abbaukante und Waldrand einem zeitlichen Abstand von gut fünf bis zehn Jahren (vier bis acht Jahre gemäß Angaben RWE) zur aktuellen Abbaukante entsprechen. Weit mehr als die zulässigen drei Jahre!

Es ist offensichtlich, dass es keine Notwendigkeit für Rodungen in der Saison 2018/2019 gibt und der Tagebaubetrieb keineswegs durch einen Rodungsstopp gefährdet wird.

Die offiziellen Rodungspläne von RWE für die Saison 2018/2019 sind vollkommen unhaltbar und verstoßen wie schon die vorangegangenen Rodungen in der Saison 2016/2017 und der Saison 2017/2018 eindeutig gegen die vorliegenden Genehmigungen.

Unabhängig von diesen einfach darstellbaren Fakten hat die RWE Power AG zusätzliche umfassende Möglichkeiten der zeitlichen Optimierung durch schmalere Tagebausohlen. Insbesondere auf der obersten, ersten Sohle hat RWE in den vergangenen Jahren eine erhebliche Breite  (verbunden mit einem schnellstmöglichen Tagebauentwicklung an der Oberfläche) von bis zu rund 800 Metern erzeugt, die noch auf den tieferen Sohlen durchgearbeitet werden muss.

 

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