
BUND-Hintergrundpapier „Sicherheitsstatus belgischer Atomkraftwerke im Lichte des EU-Stresstests“ (Januar 2016)
Auch die Belgier*innen mussten bereits erleben, was ein Ausstieg vom Atomausstieg bedeutet: Was als geordneter Atomausstieg angekündigt war, entpuppte sich als politischer Rückzieher - trotz unzähliger Zwischenfälle und tausender Haarrisse in den Reaktordruckbehältern wurden die Laufzeiten abermals verlängert. Mittlerweile wurden die besonders umstrittenen Reaktoren Tihange 2 im Jahr 2023 und Doel 3 im Jahr 2022 endgültig abgeschaltet – ein überfälliger Schritt. Doch von echter Sicherheit kann noch immer keine Rede sein.
Denn: Tihange 1 bleibt noch bis Oktober 2025, Doel 2 bis Ende November 2025 am Netz – trotz ihres Alters, ihrer Pannenanfälligkeit und der Nähe zu stark besiedelten Regionen beiderseits der Landesgrenze. Noch alarmierender: Tihange 3 und Doel 4 sollen nach Umbauten sogar bis 2035 weiterbetrieben werden. Statt die Risiken zu beseitigen, werden sie auf Jahrzehnte hinaus verlängert.
Ein schwerer Unfall in einer dieser Anlagen würde weite Teile von NRW mit Radioaktivität belasten – eine kaum vorstellbare Katastrophe. Der BUND hält den Weiterbetrieb daher für nicht hinnehmbar und fordert die sofortige Stilllegung aller belgischen Pannenreaktoren!
Tausende Menschen in der Städteregion Aachen und weit darüber hinaus haben über Jahre hinweg gegen die skandalösen Zustände protestiert – mit Demos, Resolutionen und Klagen. Und doch bleibt das politische Handeln auf deutscher Seite halbherzig.
Und auch NRW trägt Verantwortung: Die Brennelemente für belgische Reaktoren stammen unter anderem aus der Brennelementefabrik in Lingen, das angereicherte Uran aus der Urananreicherungsanlage (UAA) in Gronau – beides in NRW. Obwohl die damalige Landesregierung 2012 angekündigt hatte, die UAA Gronau stilllegen zu wollen, blieb es bei symbolischen Gesten. Zwar besuchte der damalige grüne Umweltminister Johannes Remmel 2015 die Urananreicherungsanlage in Gronau – konkrete Maßnahmen aber blieben aus. Seither haben es auch nachfolgende Landesregierungen versäumt den Atomausstieg in NRW zu vollenden und politische Verantwortung zu übernehmen. Immerhin: Das Land NRW hat sich inzwischen der Klage der Städteregion Aachen gegen das AKW Tihange angeschlossen. Ein wichtiges Zeichen – doch längst nicht genug. Die gefährlichen Reaktoren müssen endlich vom Netz - und zwar alle!
Solange Einrichtungen wie die Urananreicherungsanlage Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen weiterarbeiten und Brennstoff für Atomkraftwerke in aller Welt – auch in Belgien – liefern, bleibt der deutsche Atomausstieg ein Etikettenschwindel. Der BUND fordert deshalb: Das Atomgesetz muss so geändert werden, dass auch diese Anlagen erfasst sind und abgeschaltet werden. Nur wenn Deutschland nicht länger durch die Hintertür Atompolitik betreibt, kann die Politik ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen.
BUND-Hintergrundpapier „Sicherheitsstatus belgischer Atomkraftwerke im Lichte des EU-Stresstests“ (Januar 2016)
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