- echte Klimaschutzlösungen werden sabotiert
- fossile Abgasgeschäfte auf Staatskosten drohen
- besser natürliche Kohlenstoffsenken fördern
Düsseldorf | Im Hauruck-Verfahren will Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) ein „Gesetz zur dauerhaften Speicherung und zum Transport von Kohlendioxid (Kohlendioxidspeicherung- und -transportgesetz – KSpTG)“ durchpeitschen. Damit soll die umstrittene Technologie des Carbon Dioxide Capture and Storage (CCS) unter Einschränkung der Umweltstandards und Beteiligungsrechte für fast alle industriellen Anwendungsbereiche geöffnet werden. Der nordrhein-westfälische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht darin einen Blankoscheck für Klimaverschmutzer und fordert die Landesregierung auf, im Bundesrat ihr Veto gegen das Gesetz einzulegen.
Dirk Jansen, Geschäftsleiter des BUND in Nordrhein-Westfalen: „Kommt das Gesetz durch, wäre das eine Blankoscheck für Industrie und Energiewirtschaft, echte Klimaschutzlösungen aufzugeben. Stattdessen drohen Milliarden an Subventionen in eine klimaschutzpolitische Scheinlösung mit enormen Risiken verschwendet zu werden. Der Weg zu 100 Prozent erneuerbaren Energien würde damit verbaut, der Hochlauf einer grünen Wasserstoffwirtschaft torpediert. Dazu ist CCS mit gravierenden Risiken für Mensch und Natur verbunden – auch in NRW. Die schwarz-grüne Landesregierung darf dies nicht durchgehen lassen und muss ihr Veto einlegen.“
Der jetzt zur Verbändebeteiligung vorgelegte Referentenentwurf sieht praktisch überhaupt gar keine Beschränkung des Einsatzes von CCS vor. Selbst Gaskraftwerken soll die Technologie offenstehen. Damit aber würden der Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke („H2 ready“) sabotiert und der Brennstoffwechsel erschwert. Zusätzlich würden Lock-in-Effekte in die fossile Energiewirtschaft geschaffen. „Das ist das Gegenteil von Klimaschutz und hilft nur, neue fossile Geschäftsfelder zu öffnen“, so Jansen.
Gemäß der Carbon Management Strategie der NRW-Landesregierung soll CCS auf unvermeidbare Kohlenstoff-Emissionen aus Prozessen begrenzt werden. Dem wird mit dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf nicht Rechnung getragen. Bundeswirtschaftsministerin Reiche will der CCS-Technologie zudem im Gesetz das „überragende öffentliche Interesse“ attestieren. Erleichterte Genehmigungsverfahren, geringere Umweltstandards und verringerte Rechtsschutzmöglichkeiten wären die Folge. Auch Enteignungen zum Beispiel zugunsten von CO2-Pipelines würden dadurch erleichtert.
NRW besonders betroffen
NRW wäre wegen seiner Vielzahl CO2-ausstoßender Betriebe besonders von der CCS-Risikoinfrastruktur betroffen. So soll der sogenannte "Delta Rhine Corridor” (DRC) von der deutschen und niederländischen Nordsee kommend übers Ruhrgebiet bis in den Kölner Süden quer durch NRW verlaufen. Rund 450 Kilometer CO2-Pipeline sind dafür auf deutscher Seite geplant. Damit wäre nicht nur ein enormer Eingriff in Natur und Landschaft verbunden, auch enorme Risiken wären unvermeidbar. Die Gefahr von Leckagen ist nicht nur theoretisch, sondern eine Vielzahl von Havarien in den USA belegt ein potenziell lebensbedrohendes Risiko. CO2 ist schwerer als die Atemluft und würde sich nach Leckagen insbesondere in Senken ansammeln – eine Gefahr für Leib und Leben.
Gleichwohl fehlen bis heute Sicherheitsstandards für solche Leitungen und klar definierte Anforderungen an das transportierte CO2 und seine Beimischungen. Auch für den Umgang mit potenziellen Schadensfällen gibt es keine gesetzliche Regelung.
Bislang sind entgegen anders lautender Behauptungen auch alle laufenden CCS-Projekte den Nachweis schuldig geblieben, nennenswerte Mengen an Kohlendioxid dauerhaft speichern zu können. Die geplante Verpressung in unterirdische marine Deponien ist zudem mit großen Risiken für die dortigen Ökosysteme verbunden.
Der BUND fordert deshalb, die Scheinlösung CCS aufzugeben. Stattdessen sollten die Anstrengungen verstärkt werden, auf 100 Prozent erneuerbare Energien umzusteigen und eine echte Kreislaufwirtschaft zu etablieren. Der Fokus muss auch auf die Förderung natürlicher Kohlenstoffsenken gelegt werden: Naturnahe Waldökosysteme, wiedervernässte und renaturierte Moore sowie biologische humusaufbauende Anbaumethoden sind effizient für den Schutz des Klimas und die Biodiversität.
Mehr Informationen:
- BUND-Stellungnahme zum aktuellen Gesetzentwurf
- Standpunkt von Dirk Jansen und Kerstin Meyer [Tagesspiegel Background]
- Themen-Website des BUND NRW