Neue NRW-Düngeverordnung: Überfällige Neuregelung, handwerkliche Mängel

02. Dezember 2022 | Landwirtschaft, Wasser

Seit dem 1. Dezember 2022 gilt in NRW eine neue Düngeverordnung. Gebiete, in denen die Nitratkonzentration im Grundwasser den Grenzwert von 50 mg/l überschreiten, werden als belastete ‚rote Gebiete‘ gekennzeichnet. Diese machen mit mehr als 500.000 Hektar rund ein Drittel der landwirtschaftlichen Fläche in Nordrhein-Westfalen aus. Hier gelten besondere Anforderungen, um die Nitratbelastung zu reduzieren. Vor allem die verbindliche Verringerung der ausgebrachten Düngemittel sorgt für viel Aufregung und Kritik. Dazu ein Kommentar von Ralf Bilke, Agrarreferent des BUND NRW.

 (LANUV NRW)

30 Jahre Verstoß gegen EU-Recht zulasten des Gesundheits- und Gewässerschutzes

Die aktuelle Auseinandersetzung um die Düngeverordnung hat eine jahrzehntelange, wenig rühmliche Vorgeschichte. Seit Dezember 1991 gilt die EU-Nitratrichtlinie zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen. Zentrale Ziele sind EU-weit der Schutz der menschlichen Gesundheit, des Grundwassers und der Oberflächengewässer. Alle Mitgliedstaaten sind verpflichtet, diese Vorgaben in nationales Recht um- und in der Praxis durchzusetzen. Dieses erfolgt in Deutschland im Rahmen der Düngeverordnung.

Was vielen nicht bewusst ist: Seit mehr als 30 Jahren wird in Deutschland – amtlich dokumentiert - Jahr für Jahr gegen die Grenzwerte der EU-Nitrat-Richtlinie verstoßen. In wohl keinem anderen Wirtschaftsbereich würde man es zulassen, dass über einen so langen Zeitraum hinweg permanent gegen geltendes Recht verstoßen wird. Es ist daher zu begrüßen, dass die EU Druck auf ihren Mitgliedsstaat Deutschland macht. Schon zuvor hatte sie ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und im Jahr 2016 Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Dieser stellte in seinem Urteil im Juni 2018 fest, dass die Bundesrepublik ihren Verpflichtungen nicht ausreichend nachkommt.

Es ist ein überaus peinlicher Vorgang, dass es überhaupt so weit kommen musste und ohne Androhung zum Beispiel von hohen Strafzahlungen offenbar nichts vorangeht. Das langjährige Ausbremsen guter Regelungen unter anderem auch durch die Bauernverbände holt die deutsche Landwirtschaft nun wie ein Bumerang wieder ein.

Doch bei aller Aufregung: Die Neuregelung birgt nicht nur die Chance, den Eintrag von Nährstoffen in Gewässer und in Grundwasser einzudämmen. Angesichts massiv gestiegener Preise insbesondere für chemisch-synthetische Düngemittel muss ohnehin alles darangesetzt werden, die landwirtschaftliche Produktion umzubauen und dauerhaft und flächendeckend deren Einsatz deutlich zu senken. Dieser Prozess könnte nun beschleunigt und sollte durch gute Beratung von Landwirten unterstützt werden.

 

Ernten in Gefahr? Geringere Erträge und Qualitäten? Pauschaler Alarmismus ist fehl am Platze

Die Vorgabe eines künftig geringeren Einsatzes von Düngemitteln in den ‚roten Gebieten‘ ist einer der Hauptstreitpunkte. Das Thema ist ernst zu nehmen, Alarmismus bis hin zum Bild einer vermeintlich gefährdeten Versorgungssicherheit jedoch fehl am Platze, insbesondere auch, solange ein großer Teil des Getreides in die Tierfütterung geht.

Klar ist: Pflanzen benötigen Dünger. Das Problem sind nicht die Nährstoffe, die von den Pflanzen aufgenommen werden, sondern die großen Nährstoffüberschüsse, die nicht aufgenommen und ins Grund- oder Oberflächenwasser ausgetragen werden. Vorrangiges Ziel muss es sein, diese Überschüsse massiv zu reduzieren.

Pauschale Aussagen, dass eine geringere Düngung automatisch Mangelsituationen bei Höhe und Qualität der Erträge hervorruft, sind nicht schlüssig. Bei der Nährstoffaufnahme spielen viele Faktoren wie Boden, Standort und Trockenheit rein. Beispiel: Wenn es wie im Sommer 2022 lange Zeit nicht regnet und der Boden austrocknet, sind die mineralischen Nährstoffe im Boden gebunden und werden nicht von den Pflanzen aufgenommen, unabhängig von der Menge.

Konstruktiv und hilfreich ist ein Blick auf die vielen bereits bestehenden, lokalen Kooperationen von Landwirten und Wasserwirtschaft in Wassereinzugsgebieten. Dort zeigt die Praxis, wie landwirtschaftliche Nutzung mit guten Ernten und der Schutz der Gewässer zusammengebracht werden können.

 

Trotz guter Bewirtschaftung auf ‚rot‘ gestellt: BUND sieht Nachbesserungsbedarf

Es ist ärgerlich und handwerklich schlecht gemacht, dass die Neuregelung auch solche Betriebe einbezieht, die längst vorbildlich und nachweislich gewässerschonend arbeiten, als Einzelbetriebe die Grenzwerte sehr wahrscheinlich einhalten und allein durch ihre Lage innerhalb der Gebietskulisse eines ‚roten‘ Gebiets den neuen Regeln unterliegen. Sie werden für die Folgen des Wirtschaftens ihrer Berufskolleg*innen in Mithaftung gezogen. Hier muss nachgesteuert werden - zum Beispiel durch eine Verdichtung des Messnetzes – um einzelbetrieblich zu besseren Lösungen und möglichen Ausnahmen zu kommen. Den Ausbau des Messstellennetzes hatte sich die vorherige CDU/FDP-Landesregierung auf die Fahnen geschrieben – viel geschehen ist hier in den 5 Jahren ihrer Amtszeit offenkundig nicht. Auch ist es mitnichten so, dass die große Mehrheit der Betriebe mit Blick auf Nitrat vorbildlich arbeitet und die Verunreinigungen des Grundwassers vornehmlich von ‚schwarzen Schafen‘ verursacht werden. Das Ausmaß der Belastungen zeigt, wenn man in diesem Bild bleibt: es handelt sich dann schon um eine ganze Herde!

Auch die Besonderheiten des Ökologischen Anbaus sind stärker zu beachten, denn auch Bio-Landwirte sind von den Neuregelungen betroffen. Sie setzen anders als konventionelle Betriebe nicht auf leicht-lösliche Mineralstoffe, sondern zum Beispiel langsam verrottenden Kompost ein. Dieser liefert nicht allein Nähstoffe, sondern dient zugleich dem gewünschten Humusaufbau zur Verbesserung der Wasserspeicherfähigkeit des Bodens und der Bindung von Kohlenstoff dient. Auch an dieser Stelle sollte die Düngeverordnung kritisch auf ihre Tauglichkeit überprüft werden.

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