BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Neue Energiemarktstudie belegt: Kohle unter Lützerath wird nicht benötigt

01. Dezember 2022 | Braunkohle, Energiewende, Garzweiler, Klima & Energie, Kohle

Kohlegesetz darf nicht das letzte Wort zum Klimaschutz sein - CO2-Restbudget wird überschritten

Zwei Kraftwerksblöcke in Neurath sollen länger laufen. Dadurch steigen die CO2-Emissionen bis 2024 massiv an. [Foto: Dirk Jansen] Zwei Kraftwerksblöcke in Neurath sollen länger laufen. Dadurch steigen die CO2-Emissionen bis 2024 massiv an. [Foto: Dirk Jansen]

Heute beschließt der Bundestag die Änderungen am Kohlegesetz und damit einen ersten wichtigen Schritt für den deutschen Kohleausstieg bis spätestens 2030. ClientEarth, Greenpeace, BUND und Europe Beyond Coal fordern ein klimapolitisches Nachsteuern, um zu verhindern, dass eine hohe Auslastung von Kohlekraftwerken bis 2030 die Einhaltung des Klimaschutzgesetzes im Energiesektor gefährdet. Eine umfassende Modellierung von Aurora Energy Research für Europe Beyond Coal zeigt, wie sich das  angepasste Kohlegesetz auf die CO2-Emissionen auswirkt.

Der aktuelle Gesetzesentwurf reiche in der jetzigen Form nicht aus, um eine möglichst stetige Reduktion von Emissionen im Energiesektor von 2022 bis 2030 nach Vorgabe des Klimaschutzgesetzes zu garantieren. Die Abbaggerung von Lützerath werde den Konflikt um die Kohle im Rheinischen Revier weiter anheizen. Der Kohleausstieg bis spätestens 2030 müsse nun auch in der Lausitz, im Mitteldeutschen Revier und für die Steinkohle verankert werden.

Francesca Mascha Klein, ClientEarth: “Die Bundesregierung muss jetzt alle nötigen gesetzlichen Änderungen vornehmen und den Kohleausstieg 2030 in ganz Deutschland so umsetzen, dass die Einhaltung des Klimaschutzgesetzes sichergestellt wird. Letzteres ist nach dem wegweisenden Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2021 geboten. Abmachungen mit den Kohlekonzernen LEAG und MIBRAG müssen künftig transparent und unter Beteiligung der Zivilgesellschaft ausgehandelt werden.”

Karsten Smid, Greenpeace:  “Die gute Nachricht zuerst: Trotz des erhöhten Braunkohlebedarfs aus dem Tagebau Garzweiler wird in allen Szenarien die Kohle unter Lützerath nicht benötigt. Die schlechte Nachricht: Weil mehr Braunkohle verbrannt wird, droht der Energiesektor sein klimapolitisch zulässiges CO2-Restbudget massiv zu überschreiten und fällt über Jahre für den Klimaschutz aus. Das ist inakzeptabel. Klima- und Wirtschaftsminister Habeck sollte dafür sorgen, dass die zusätzlichen Emissionen durch die aktuelle Krise in den Folgejahren wieder eingespart werden.” 

Fabian Hübner, Europe Beyond Coal: “Wer Lützerath abbaggert, wettet gegen die Energiewende. Statt zusätzlicher CO2-Emissionen aus der Kohleverstromung braucht es eine Beschleunigung der Energiewende und die Umsetzung der von der Ampelkoalition verabschiedeten Gesetze zum Ausbau erneuerbarer Energien. Das sind die Voraussetzungen für die Einhaltung des Klimaschutzgesetzes. Das Kohlegesetz muss regelmäßig überprüft und bei Bedarf angepasst werden, um einen CO2-Reduktionspfad im Einklang mit dem Klimaschutzgesetz zu erreichen.”

Dirk Jansen, BUND NRW: “Die Regierungen in Bund und Land erteilen dem Konzern RWE einen „Blanko-Scheck“ für die Förderung von 280 Millionen Tonnen Kohle allein aus dem Tagebau Garzweiler II. Das ist deutlich mehr als der von Aurora berechnete Kohlebedarf bis 2030 und torpediert die eigenen Klimaschutzziele. Die Studie zeigt auch: Zur Bewältigung der aktuellen Energiekrise ist im bisherigen Abbaufeld noch für Jahre genug Kohle vorhanden. Eine Notwendigkeit, das Dorf Lützerath zu zerstören, lässt sich damit nicht begründen.”

Hintergrund:

Aurora Energy Research wurde von Europe Beyond Coal beauftragt, die Auswirkungen eines veränderten Kohleausstiegspfades auf dessen CO2-Emissionen im deutschen Strommarkt bis 2030 hin zu analysieren. Diese umfassende Strommarkt-Modellierung der CO2-Emssionen zeigt kurzfristige Mehremissionen von 61 Mio. t CO2 bis 2024 auf. Diese liegen in der verlängerten Laufzeit zweier RWE-Braunkohleblöcken von Ende 2022 bis April 2024 nach dem aktuellen Gesetzentwurf und den in den Strommarkt zurückgeholten Kraftwerken begründet. Ein “möglichst stetiger” Reduktionspfad der CO2-Emissionen von 2022 - 2030, der vom Klimaschutz vorgegeben wird, wird in der Modellierung um 164 Mio. t CO2 kumuliert überschritten. Bei erhöhter Stromnachfrage (Elektrifizierungs-Szenario, +25 TWh) wächst die Überschreitung dieses Energiesektorbudgets sogar auf 189 Mio. t CO2. In Garzweiler müssen noch 93 Mio. t (Basis-Szenario) bis 124 Mio. t Braunkohle (Elektrifizierungs-Szenario) für die Verstromung bis 2030 gefördert werden (Vgl. AER 2022). Diese Menge ist weniger als die ca. 170 Mio. t, ab der die Inanspruchnahme von Lützerath notwendig wäre (Vgl. MWIKE 2022).
                           

Links:

Auswirkungen des adjustierten Kohleausstiegs auf die Emissionen im Stromsektor, Analyse für Europe Beyond Coal, Aurora Energy Research (AER 2022)

Hintergrundbriefing Aurora Strommarkt-Modellierung

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