BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Kiesgrube Erftstadt-Blessem: "Katastrophe mit Ansage"

07. Februar 2022 | Wasser

Es verdichten sich die Anzeichen, dass das Kiesgruben-Desaster in Erftstadt-Blessem hätte vermieden werden können.

[Quelle: Landtag NRW, Unterausschuss Bergbausicherheit]

Wäre die vom Erft-Hochwasser im Juli 2021 verursachte Flutung des Kies-Tagebaus in Erftstadt-Blessem mit seinen gravierenden Folgen vermeidbar gewesen? Gutachten, in die der BUND Einblick bekommen hat, deuten darauf hin, dass vorherige Warnungen missachtet wurden und der Hochwasserschutz versagt hat. Schwere Vorwürfe müssen sich auch die Bezirksregierung Arnsberg als Bergbehörde und der zuständige Minister Andreas Pinkwart machen lassen.

Schon 2011 attestierte ein Gutachten den Grubenböschungen „einen sehr kritischen Zustand". Sie waren schlichtweg zu steil. Ob die entsprechenden Sanierungsempfehlungen richtig und ausreichend umgesetzt wurden, muss jetzt geprüft werden. Zweifel daran scheinen berechtigt.

Ein weiteres aktuelles Gutachten weist nach, dass bereits vor 2019 zahlreiche Böschungsbrüche in dem südwestlichen Bereich der Grube dokumentiert worden sind. Es kam auch damals schon zu Wasserüberströmen. War die vorgeschriebene Hochwasserschutzanlage vorhanden, dann war sie kaum geeignet, den Zweck zu erfüllen. Es verdichten sich Hinweise darauf, dass der Hochwasserschutzwall - da, wo er vorhanden war - nur aus locker geschichten Materialien von hoher Permeabilität bestand. Ein Unterströmen aufgrund der starken Niederschläge und der nachfolgenden Flut konnte damit nicht verhindert werden. Der im Auftrag der Bezirksregierung Arnsberg tätige Gutachter Michael Clostermann kommt deshalb zu einem vernichtenden Fazit, wonach der vermeintliche Hochwasserschutzwall  „nicht den Anforderungen an ein technisches Hochwasserschutzbauwerk nach dem Stand der Technik“entsprach.

Letztendlich konnte so bereits am Morgen des 15. Juli Wasser - und damit noch einen Tag vor dem Erftdurchbruch - auf breiter Front in den Tagebau eindringen. Durch rückschreitende Erosion kam es zu den Böschungsbrüchen, in deren Folge auch Häuser unterspült wurden, die in der Grube verschwanden.

Das war offenbar eine Katastrophe mit Ansage. Wenn es selbst in „normalen“ Zeiten schon zu Böschungsbrüchen und Wasserüberströmen gekommen ist, hätte es absehbar sein können, welches Risiko in einem solchen Extremhochwasser (HQextrem) liegt. Eine Stilllegung der Grube hätte daran zwar erst einmal nicht geändert, aber man hätte schnell Maßnahmen für die Böschungssanierung und ein echtes Hochwasserschutzbauwerk treffen können (und müssen). So war das Ereignis quasi mit der Verlegung des ursprünglichen Laufes der Erft nach Westen und dem Aufschluss der Kiesgrube vorprogrammiert. Die Erft hat sich quasi ihr altes Bett zurückgeholt. [Das ist übrigens eine Parallele zum Tagebau Inden. Auch das hat sich die Inde nicht an das von RWE vorgegebene neue Bett der Inde gehalten, sondern ist dem ursprünglichen Flusslauf geradeaus in den Tagebau gefolgt. Ein Mitarbeiter starb.]

Warum die Bezirksregierung Arnsberg nicht entsprechend gehandelt hat, muss jetzt die Staatsanwaltschaft klären. Dies auch vor dem Hintergrund, dass der Betreiber der Kiesgrube, die RWE-Tochter RBS, laut WDR behauptet, dass der Hochwasserschutzwall nachweislich und behördlich abgenommen den Auflagen entsprochen habe. Auch der zuständige Bergbauminister Andreas Pinkwart (FDP) muss sich fragen lassen, warum er den Landtag nicht frühzeitig über die Hinweise aus seinem Hause und dem nachgeordneten Bereich, wonach es offenbar Hochwasserschutzmängel gegeben habe, informiert hat. Soll hier die Bergbehörde geschützt werden?

Und noch eines ist natürlich klar: Wäre das Grundwasser nicht durch die Sümpfung der Tagebaue soweit abgesenkt worden, hätte der Kiestagebau nie diese Teufe erreichen können. Wenn man so will, ist das Blessem-Desaster also auch ein Kollateralschaden der Braunkohlengewinnung. Da passt es ins Bild, dass in beiden Fällen RWE involviert ist.

Mehr bei Westpol: https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/kiesgrube-blessem-hochwasser-kein-schutz-100.html

Zur Übersicht

BUND-Bestellkorb