BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Umweltverbände fordern mehr Einsatz für bedrohte Bäche, Flüsse und Trinkwasserquellen

10. Juli 2015 | Flüsse & Gewässer, Lebensräume, Wasser, Naturschutz

Der 12. Juli ist Europaweiter Flussbadetag „Big Jump“

Anlässlich des europaweiten Flussbadetages „Big Jump“ am 12. Juli schlagen die  nordrhein-westfälischen Naturschutzverbände BUND, LNU und NABU Alarm: Die meisten Flüsse und Grundwasservorkommen in NRW befänden sich in einem kritischen Zustand. Nahezu flächendeckend würden die EU-weit verbindlichen Anforderungen an einen „guten Zustand“ der Gewässer verfehlt.

„Unsere blauen Lebensadern sind gefährdet“, sagte Holger Sticht, Landesvorsitzender des BUND.  „Statt der Mehrheit der Flüsse wieder mehr Raum zu geben, wird in den meisten Flussauen immer noch versiegelt und entwässert. Es ist inakzeptabel, dass Verursacherressorts wie das Bau- und Verkehrsministerium des Landes sich nicht zuständig fühlen, wenn es darum geht, die Mindestanforderungen des Gewässerschutzes fristgerecht einzuhalten.“ Mindestens 90 Prozent unserer Fließgewässerstrecken seien weiterhin so verunreinigt oder verbaut, dass sie die EU-weiten Standards nicht erfüllen. Für die meisten bedrohten Arten wie Lachs und Flussperlmuschel bieten sie kaum noch Lebensraum. 20.000 Barrieren verhinderten, dass Fische und andere Wasserbewohner ungehindert die Flusstrecken durchwandern können.

„Die Industrialisierung der Landwirtschaft und der Ausbau der Tierfabriken haben ein Ausmaß angenommen, das der Gesellschaft hohe Kosten aufbürdet. Die Havarie eines Gülletanks kann die Trinkwasser-Versorgung ganzer Orte vor Probleme stellen.  Bis heute werden die Kosten für die Umwelt und Allgemeinheit nicht ermittelt und den Verursachern in Rechnung gestellt“, kritisierte Josef Tumbrinck, Landesvorsitzender des NABU NRW. „Wer für den Schaden verantwortlich sei, sollte auch die Rechnung übernehmen. Zudem sollten sich öffentliche Förderungen in Zukunft allein auf Nutzungen beschränken, die für Natur und Gewässer verträglich seien.“ Nach einer internationalen Studie sind mit der Aufbereitung von Nitrat-verunreinigtem Wasser 5 bis 10mal höhere Kosten verbunden, als wenn direkt gewässerverträgliche Landnutzungen gefördert würden.     

„Mit dem Rückgang intakter Gewässer verlieren wir auch die Chance, uns an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Flüsse und Auen leisten zum Beispiel einen wichtigen Beitrag, um die zunehmenden Flutwellen zu entschleunigen und Dürren abzumildern. Sie sorgen auch lokal für mehr Lebensqualität“, konstatierte Mark vom Hofe, Landesvorsitzender der LNU. „Viele Bäche wurden durch Verbauung und Kanalisierung zu Risikozonen. Sie müssen wieder zu Lern- und Erlebnisorten werden.“ Maßnahmen die den natürlichen Rückhalt in der Fläche fördern, sind nach den Planungen des Landes nur an 5 Prozent der Gewässerabschnitte vorgesehen.

Die Naturschutzverbände haben für die weiteren lokalen bis landesweiten Gewässerschutzplanungen eine umfassende Stellungnahme vorgelegt, damit die EU-weiten Vorgaben für Flüsse und Grundwasservorkommen erreicht werden.   Gemäß der EG-Wasserrahmenrichtlinie ist auch das Land verpflichtet, an allen Gewässern, die Ziele verfehlen, zusätzliche Maßnahmen zu planen und umzusetzen.      

Die Stellungnahme der Naturschutzverbände zum aktuellen Bewirtschaftungsplan des Landes finden Sie unter  http://www.wassernetz-nrw.de/wnetz/downloads/SN_BWP20150616.pdf    

 

Hintergrund

Der europäische Flussbadetag – im Englischen „Big Jump“ genannt - wird seit 2005 im Sommer begangen und von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen unterstützt. In diesem Jahr findet er am 12. Juli um 15 Uhr statt. Die Aktion geht auf eine Initiative von engagierten GewässerschützerInnen zurück, die sich für saubere und lebendige Gewässer einschließlich für die Ziele der EG-Wasserrahmenrichtlinie einsetzen. Ergänzend werden Flussfeste, Ausstellungen, Unterschriftenstände und weitere Aktionsideen verwirklicht.

Die EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ist im Jahr 2000 in Kraft getreten und bildet seitdem die Grundlage für den Gewässerschutz in den EU-Mitgliedsstaaten. Als wichtigstes Ziel sieht sie den guten Zustand der Oberflächengewässer und Grundwasservorkommen für das Jahr 2015 vor. Zudem müssen Vorhaben verhindert werden, die zu weiteren Beeinträchtigungen führen. Die Anforderungen gelten vor allem für die biologische, chemische, strukturelle und mengenmäßige Beschaffenheit der Gewässer.

Auch in NRW musste für die Flussgebiete ein Bewirtschaftungsplan und Maßnahmenprogramm bis 2009 erstellt und bis 2012 umgesetzt werden, damit die Ziele bis 2015 erreicht werden. Damit die Wassernutzungen auf gewässerverträgliche Wirtschaftsweisen umstellen, sollte 2010 die Wassergebührenpolitik angepasst werden und Verursacher von Gewässerbelastungen einen Beitrag zu den damit verbundenen Kosten leisten. Für die Inanspruchnahme von Ausnahmen zu den Zielvorgaben bestehen strenge Regelungen. Diese bedürfen in jedem Fall der Zustimmung der zuständigen Behörden und Mindest-Maßnahmen des Gewässerschutzes.

Eine wesentliche Ursache für die Verfehlung der Umweltstandards besteht darin, dass mehr als 90% der geplanten Maßnahmen noch nicht umgesetzt wurden und bisher auch Vorkehrungen fehlen, um die Gewässer vor baulichen Eingriffen oder Verunreinigungen durch Unfälle und intensivere landwirtschaftliche Nutzungen zu schützen. Die WRRL gibt vor, dass die Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen durchsetzen müssen. Außerdem sind die Planungen 2015 fortzuschreiben, so dass bis 2021 bzw. - in besonderen Ausnahmefällen – bis 2027 die Standards erreicht werden.

Eine Anhörung zu den überarbeiteten Entwürfen erfolgte bis Ende Juni 2015.  Die Naturschutzverbände haben in ihrer gemeinsamen Stellungnahme beanstandet, dass die von den Behörden vorgeschlagenen Maßnahmen nicht ausreichen, um die Gewässerschutz-Ziele zu dem späteren Zeitpunkt  zu erfüllen. Sie fordern, dass die Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft nachprüfbar reduziert werden müssen, die Flüsse bis 2021 keine Barrieren für wandernde Arten mehr enthalten und die Entwicklung der Auen an deutlich mehr Gewässer erfolge. Auch müsse die Wassergebührenpolitik auf die Landwirtschaft Anwendung finden und zur Berechnung auch die Aufbereitungskosten für Nitrat-verunreinigtes Wasser berücksichtigt werden.

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