Der NRW-Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ruft die Landesregierung zu einem klaren Kurswechsel in vielen Politikfeldern auf, um dem massiven Artenschwund bei Tieren und Pflanzen wirksam zu begegnen. „Ob Flächenverbrauch und Landesplanung, Landwirtschaft, Nationalpark Senne oder Pestizide: Die Landesregierung muss endlich das Ruder umlegen und alle ihre Beschlüsse konsequent darauf ausrichten, den Artenschwund stoppen und ihn nicht gar noch weiter zu befördern“, so Holger Sticht, Landesvorsitzender des BUND NRW. „Ob Beschlüsse in NRW oder ihr Agieren auf Bundesebene: Die praktische Politik der Landesregierung steht bislang vielfach für das genaue Gegenteil von dem, was der Titel ‚Insekten schützen – Artenvielfalt bewahren‘ des von ihr heute ausgerichteten Kongresses als Ziel vorgibt.“ Aktive aus BUND und BUNDjugend demonstrierten deshalb vor den Türen des Kongresses mit einer Insektenmahnwache.
Eine zentrale Bedeutung misst der BUND dem ungebremsten Flächenverbrauch zu. Tag für Tag gehen in NRW rund 10 Hektar Fläche durch neue Wohn- und Gewerbegebiete, Straßenbau, Tagebaue, Auskiesungen und andere Abgrabungen unwiederbringlich verloren und werden natürliche Lebensräume und Landschaften zerschnitten. Die Landesregierung setzt auf eine ‚Entfesselung‘ der NRW-Wirtschaft, in deren Folge weitere Lebensräume zerstört und der Artenschwund forciert wird. Ihr Beschluss zum Landesentwicklungsplan im Februar 2019 sieht vor, das bisherige Ziel, den Flächenverbrauch zumindest auf 5 Hektar zu begrenzen, aufzugeben. „Sehenden Auges werden hier weitere Zerstörungen wie selbstverständlich eingeplant - wohin dieses in 10-20 Jahren in NRW führen würde, mag sich niemand vorstellen“ so Sticht. Der BUND fordert einen Stopp dieser ‚verfehlten Landesplanung‘. Auch der Beschluss, keinen zweiten Nationalparks auf dem heutigen Truppenübungsplatz Senne und damit eines der artenreichsten Naturgebiete in NRW mehr anzustreben, stehe „in krassem Widerspruch“ zu einem glaubwürdigen Bemühen um Erhalt von Wildnis und Artenvielfalt.
Eine Neuausrichtung benötigt auch die Agrarpolitik des Landes. „Ohne einen schnellen und vollständigen Ausstieg aus Glyphosat, aus bienengefährlichen Neonicotinoiden und eine verbindliche Reduzierung des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft insgesamt wird es nicht gelingen, den Artenschwund in der Agrarlandschaft zu stoppen“, sagt Ralf Bilke, Agrarreferent des BUND NRW. Biotopverbund, Blühstreifen und andere im Sinne des Artenschutzes positive Maßnahmen würden in ihrer Wirkung konterkariert, wenn zugleich der Spritzmitteleinsatz weiterginge wie bisher. Die Politik von Umweltministerin Ursula Heinen-Esser lasse hier bisher keinerlei positive Ansätze erkennen. „Statt beherzt für einen Ausstieg aus Glyphosat und das seit langem angekündigte ‚Aktionsprogramm Insektenschutz‘ zu streiten und in NRW selbst aktiv voranzugehen, sehen wir einen Mix aus Nichtstun, Abwarten auf Beschlüsse der sich selbst blockierenden Bundesregierung und ein Abstellen auf freiwillige Maßnahmen. „So kommt der Insektenschutz nicht in Fahrt“, sagt Bilke. Schon heute könne die Landesregierung beschließen, alle landeseigenen Landwirtschaftsflächen konsequent gemäß den Regeln des Ökologischen Landbaus zu bewirtschaften. „Die Zeit von Ankündigungen muss vorbei sein. Wir messen die Landesregierung an ihrem konkreten Tun.“
BUND-Hintergrundpapier "Landesregierung torpediert Artenvielfalt"