BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Dieselstinker raus aus den Städten

Die anhaltend hohe Stickstoffdioxid-Belastung führt bundesweit zu mehr als 10.000 Toten - jährlich! Die EU fordert Deutschland auf, schnell zu handeln. Ohne Diesel-Fahrverbote wird die Einhaltung der Grenzwertte nicht gelingen.

Die Stickstoffdioxidbelastung stagniert in Nordrhein-Westfalen auf nahezu unverändertem  Niveau. 2018 gab es nach den Messergebnissen des Landesumweltamtes in 25 Städten Überschreitungen des Grenzwertes von 40 μg/m³ (siehe aktuelle Meldung).

Hauptursache für die Überschreitung der NO2-Grenzwerte ist der Straßenverkehr, speziell die hohen NOx-Emissionen der Diesel-Fahrzeuge. Die erhöhte NOx-Exposition wird von der EU mit vermehrten Atemwegserkrankungen und einer erhöhten Sterblichkeitsrate in Verbindung gebracht. Im Jahr 2013 sind danach in Deutschland 10.610 vorzeitige Todesfälle auf die hohe Stickstoffdioxidbelastung zurückzuführen.

 

Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission

Bereits im September 2014 verschickte die Europäische Kommission daher ein Schreiben, in dem Deutschland auf den fortgesetzten Verstoß gegen die Luftqualitätsrichtlinie hingewiesen und Maßnahmen eingefordert wurden, die Nichteinhaltung der Grenzwerte „so kurz wie möglich“ zu halten. In ihrem Aufforderungsschreiben vom 19. Juni 2015 verwies die EU-Kommission darauf, dass Deutschland seinen Verpflichtungen noch immer nicht nachgekommen sei, womit weiterhin ein Verstoß gegen die EU-Richtlinie vorliege. Am 16.02.2017 verschickte die Kommission eine „Mit Gründung versehene Stellungnahme“, in der Deutschland vorgeworfen wird, noch immer nicht geeignete Maßnahmen zur Senkung der NO2-Immissionen ergriffen zu haben. Je länger die Nichteinhaltung der Grenzwerte anhalte und je gravierender die Lage sei, desto mehr reduziere sich der Ermessensspielraum der Behörden bei der Wahl der geeigneten Maßnahmen, so die Kommission. In diesem Zusammenhang kritisiert die Kommission auch, dass in den eingerichteten Umweltzonen noch immer Dieselfahrzeuge fahren dürften, die die Emissionsnormen ab Euro 4 erfüllen, nicht aber die Zufahrt in diese Zonen auf die derzeit saubersten Fahrzeuge am Markt (Euro 6) beschränkt werde. Weiter heißt es: „Die Kommission begrüßt daher die Diskussion in Deutschland über die Festlegung der rechtlichen Voraussetzungen … für die Einrichtung von Umweltzonen mit Verschärften Zufahrtsbeschränkungen; zu diesen Zonen hätten lediglich Fahrzeuge mit geringeren NOx-Emissionen Zugang („Blaue Plakette“).“

Am 17. Mai 2018 wurde schließlich bekannt gegeben, dass die Europäische Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof die Klage gegen Deutschland eingereicht hat. Deutschland droht dabei ein erhebliches Zwangsgeld. Die Spanne solcher Zwangsgelder liegt je nach Wirtschaftskraft zwischen 13.721 € und 823.296 € - täglich!

Diesel-Fahrverbote als zulässige Maßnahme.

BUND-Forderungen zur Fortschreibung der NRW-Luftreinhaltepläne

Um den Anforderungen der EU-Kommission nachzukommen, muss der Fokus nach BUND-Auffassung auf solche Maßnahmen gelegt werden, die kurzfristig die entsprechende Wirkung einer deutlichen Minderung der NO2-Immissionen erbringen, so dass die Grenzwerte eingehalten werden.

Auch das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat in seiner Entscheidung vom 13. September 2016 gefordert, zeitnah entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Dazu gehörten auch Diesel-Fahrverbote [VG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2016 – 3 K 7695/15].

Das Urteil des VG Düsseldorf wurde am 27.02.2018 in wesentlichen Punkten vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt [BVerwG 7 C 26.16]. In der schriftlichen Urteilsbegründung heißt es u.a.:

"Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung verstößt jedenfalls eine Luftreinhalteplanung gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG, die lediglich Maßnahmen festlegt, aufgrund derer die Grenzwerte für Stickstoffdioxid erst zwischen den Jahren 2020 oder 2024 oder später eingehalten werden, ohne geeignete Maßnahmen vorzusehen, die eine frühere Eihaltung der Grenzwerte für Sticjstoffdioxid herbeiführen und insbesondere eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Problematik von Dieselfahrzeugen und deren überproportionalen Anteil an der Überschreitung des NO2-Grenzwertes vermissen lässt. Soweit sich vor diesem Hintergrund (beschränkte) Verkehrsverbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge als die einzug geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte erweisen, sind derartige Maßnahmen mothin aus unionsrechtlichen Gründen zu ergreifen." [BVerwG 7 C 26.16, Rn. 32]

 

Im Verfahren der Fortschreibung des Luftreinhalteplans Düsseldorf hat der BUND konkrete Forderungen eingebracht, die geeignet sind, den Schutz der menschlichen Gesundheit zu garantieren:

  • Fahrverbote (Umweltzone): Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Verwaltungsgerichte Aachen und Düsseldorf sind Fahrverbote speziell für bestimmte Diesel-Pkw zulässig. Sie sind auch verhältnismäßig, wenn andere Maßnahmen nicht schnell genug greifen.

  • Aktuell ist von Ordnungsamt oder Polizei allerdings nicht zu erkennen, ob es sich bei den Fahrzeugen um einen Diesel oder einen Benziner handelt. Deshalb sollte die von uns geforderte „Blaue Plakette“ zur Fortschreibung der Umweltzonenregelung eingeführt werden. Nach Definition der Umweltverbände entspricht die Blaue Plakette de facto einem Dieselfahrverbot, siehe  https://www.bund.net/service/publikationen/detail/publication/einfuehrung-einer-blauen-plakette-zur-minderung-der-no2-belastung-in-staedten/.

    Neben generellen Einfahrverboten für Diesel-Pkw die nicht die Euro 6-Norm im Realbetrieb erfüllen, käme auch eine alternierende Lösung „gerade/ungerade Kennzeichen“ in Frage, wie sie z.B. in Paris praktiziert wird.

  • Tempo 30 auch auf Hauptverkehrsstraßen: Laut Umweltbundesamt (hierzu und im Folgenden: UBA/ Hg.: Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen. Dessau-Rosslau. 2016) reduziert Tempo 30 die Luftschadstoffbelastung, wenn es gelingt, die Qualität des Verkehrsflusses beizubehalten oder zu verbessern.

    Eine Senkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hat danach in den meisten Fällen keinen nennenswerten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit einer Hauptverkehrsstraße für den Kfz-Verkehr. Andere Faktoren wie die Qualität der Lichtsignalprogramme, die Anzahl querender Fußgänger oder Bushalte, Parkvorgänge oder Halten in zweiter Reihe haben in der Regel einen größeren Einfluss. Die Funktion einer innerstädtischen Hauptverkehrsstraße für den Kfz-Verkehr wird daher durch Tempo 30 nicht oder nicht nennenswert beeinträchtigt.

    Langjährige Messreihen an Berliner Hauptverkehrsstraßen ergaben eindeutige Minderungen der untersuchten Schadstoffe Stickstoffdioxid (NO2), Feinstaub (PM10) und elementarer Kohlenstoff (EC). Unter Berücksichtigung anderer Einflussfaktoren wie Meteorologie und Verkehrsmengen sanken die Schadstoffkonzentrationen durch Tempo 30 gegenüber Tempo 50 im Mittel über drei Jahre bei NO2 um 6 bis 12 μg/m³, bei PM10 um 2 μg/m³ und bei EC um 0,3 bis 0,8 μg/m³. Der lokale Verkehrsbeitrag sank bei NO2 um bis zu 28 % und bei PM10 um 21 %.

    In Luftreinhalte- und Lärmaktionsplänen nach den Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) verbindlich festgesetzte Tempo-30-Anordnungen sind von den Straßenverkehrsbehörden umzusetzen (§§ 47 Abs. 6, 47d Abs. 6 BImSchG), ohne dass die straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen von der Straßenverkehrsbehörde noch zu prüfen sind. Die Prüfung erfolgt in diesem Fall in der Luftreinhalte- bzw. Lärmminderungsplanung.

  • Parkraumbewirtschaftung:  Eine konsequente Parkraumbewirtschaftung hat mehrere Vorteile und sollte alle Innenstadtbereiche umfassen. Neben der Verteuerung der Einfahrt in die Stadt, verringert sich der Parksuchverkehr. Aber vor allem wird in der Regel durch die Einführung einer Parkraumbewirtschaftung die Kontrolle des parkenden Verkehrs erhöht, was als Nebeneffekt hat, dass Falschparker auf Fuß- und Radwegen, in Kreuzungsbereichen und in Ladezonen abgeschreckt werden. Darüber hinaus sollte geprüft werden, Parkmöglichkeiten für den nicht-emissionsfreien motorisierten Individualverkehr zu verringern.

  • Darüber hinaus sollten weitere Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der öffentlichen Verkehrsmittel wie Gratis-ÖPNV / Bürgerticket / günstiges Jahresticket geprüft und umgesetzt werden. Auch City-Maut-Modelle nach Stockholmer oder Londoner Vorbild sind in die Überlegungen einzubeziehen. Die Verkehrsverlagerung weg vom Auto und hin zum Fuß- und Radverkehr sowie öffentlichen Verkehrsträgern ist ein wesentliches Element für saubere Luft und weniger Lärm in den Städten. Allerdings wirken diese Maßnahmen erst mittel- bis langfristig, können also ordnungsrechtliche Maßnahmen nicht ersetzen.

  • CarSharing bietet natürlich eine Möglichkeit, die den Besitz eigener - dann oft älterer - Fahrzeuge vermindern kann. Dafür kann das ab September in Kraft tretende CarSharing-Gesetz hilfreich sein. Das erlaubt den Kommunen im öffentlichen Raum spezielle Parkplätze für CarSharing-Fahrzeuge einzurichten. Die Kommunen sollten bei der Vergabe dann aber eigene Kriterien aufstellen. Eine Grundvoraussetzung sollte sein, dass öffentliche Stellplätze nur an die CarSharing-Unternehmen vergeben werden, wenn diese zusichern keine Dieselfahrzeuge auf diesen im öffentlichen Raum befindlichen Stellplätzen anzubieten. Im zweiten Schritt sollten dann nach einer Übergangsfrist nur noch e-CarSharing-Fahrzeuge zugelassen werden. Mit Cambio wurde bereits ein CarSharer dazu bewegt, auf die Anschaffung neuer Dieselfahrzeuge zu verzichten! https://www.cambio-carsharing.de/blog/aus-diesel-werden-benziner/

  • Einbeziehung des Flughafens in Luftreinhalteplanung: Wie bereits mit Schreiben vom 12. Januar 2017 dargelegt, gehört in Düsseldorf der internationale Verkehrsflughafen zu den relevanten Emittenten. Dennoch blieb der ihm zurechenbare Flug- und Bodenverkehr bisher von Maßnahmen der Luftreinhalteplanung ausgeklammert. Dem muss abgeholfen werden. Einzelne Maßnahmen drängen sich hier geradezu auf. Das gilt etwa für eine Einschränkung der Nutzung der Triebwerke zur Stromversorgung am Boden und zum Rollen am Boden. Die Nutzung externer Stromquellen und Klimaanlagen ist technisch möglich, wird teils bereits praktiziert und ist zur Reduzierung des Ausstoßes von Luftschadstoffen geeignet. Das zeigen bereits vorliegende Untersuchungen.

Letzendlich ist aber auch die Bundespolitik gefordert, endlich das Diesel-sowie das Dienstwagen-Privileg abzuschaffen. Mit diesen umweltschädlichen Subventionen gehen dem Staat jährlich mindestens 12 Milliarden Euro verloren, die in den Ausbau des ÖPNV gesteckt werden könnten.

Fernsehtipp

Doku | planet e. - Deutschland im Abgas-Stress

Schon seit 2010 schreibt eine EU-Richtlinie saubere Luft in unseren Städten zwingend vor. Doch die Luft ist schlecht. Der Diesel soll daran die Hauptschuld tragen. Kann das stimmen? BUND-Experte Dirk Jansen gibt im ZDF-Interview Antworten. (Sendung vom 25.02.2018)

ZDF-Mediathek

Andreas Ehlert und Dirk Jansen im Interview mit der Rheinischen Post (28.8.2017)

Luftreinheit - ein Ziel, zwei Welten

Der Präsident der Handwerkskammer will ein Dieselverbot verhindern. Der Vertreter des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland sagt, es sei nicht die Frage, ob es kommt, sondern nur wie.

mehr  

Blaue Plakette

Nach wie vor weist die Luft in zahlreichen Städten eine zu hohe Schadstoffbelastung auf. Grenzwerte werden vor allem für Stickstoffdioxid (NO2) überschritten. Die Einführung einer blauen Plakette zur Kennzeichnung von Fahrzeugen mit besonders niedrigem Stickoxid-Ausstoß ist Voraussetzung, um die Erfolgsgeschichte der Umweltzone zur Minderung des Feinstaubs auch im Hinblick auf andere, gesundheitsschädliche Luftschadstoffe fortzusetzen. 

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Vortrag von BUND-Geschäftsleiter Dirk Jansen. 27. April 2017

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