Grünland, also Wiesen und Weiden, sind in Deutschland prägender Bestandteil eines abwechslungsreichen Landschaftsbildes und eine wesentliche Voraussetzung für Biodiversität. Selten gewordene Arten wie der Große Brachvogel, Bekassine, Kiebitz, Wachtelkönig, Braunkehlchen und der Wiesenpieper sind heute stark gefährdet, weil extensive Grünlandnutzung in einer reich gegliederten Landschaft immer weiter zurückgeht.
Bunte Wiesen können aber noch viel mehr: Sie sind Bodenschutz, Wasserschutz und Klimaschutz zugleich, sind wertvoller Lebensraum für einen Großteil der heimischen Insekten und für das Landschaftsbild ganzer Regionen identitätsstiftend. Eine Beweidung mit vergleichsweise wenigen Großtieren auf weiten Flächen verbindet die Bedürfnisse von Naturschutz, Naherholung und Landwirtschaft.
Weidesysteme, idealerweise aus großflächigen gekoppelten Standweiden, Hutungen, Mähweiden, Wiesen und halboffenen Bereichen bestehend mit kleinen Waldparzellen und/oder Traufbereichen sind aus ökologischer und tierhygienischer Sicht besonders wünschenswert.
„Leider wird immer mehr Grünland zu Ackerland umgebrochen und das verbleibende Grünland wird immer intensiver mit hohen Güllemengen und vielen Schnitten bewirtschaftet“, sagte BUND-Vorstand Klaus Brunsmeier. „Dem versuchen wir mit unseren eigenen Beweidungsprojekten entgegen zu wirken.“
Die extensive Weidehaltung ist häufig verbunden mit einer Umstellung auf ökologischen Landbau und den damit verbundenen Vorteilen wie Pestizidverbot, Gentechnikfreiheit und Vorschriften für eine artgerechte Tierhaltung ohne „Kraftfutter“ aus Übersee oder ohne hormonelle Wachstumsförderer.
Der übermäßige Konsum von Fleisch und Milch in den Ländern des weltweiten Nordens darf nicht darüber hinweg täuschen, dass die Versorgung insbesondere mit tierischem Eiweiß aus Grasfütterung für die menschliche Ernährung weltweit eine sehr hohe Bedeutung hat.
Extensive Beweidungsprojekte sind kein Widerspruch zu vegetarischer oder gar veganer Ernährung, sondern eine ideale Ergänzung zur Verringerung des Fleischkonsums und der Massentierhaltung.
Kurze Wege, geringere Mengen, regionale Kreisläufe, ausgezeichnete Fleisch-Qualitäten und ethisch vertretbare Verhaltensweisen passen gut in die Suffizienzstrategie des BUND als Nachhaltigkeitsverband.
Fleckvieh im Hälvertal (Märkischer Kreis)
Das obere Hälvertal im Märkischen Kreis erstreckt sich von Halver im Südwesten bis nach Heesfeld im Nordosten an der Bundesstraße 229, es ist als ‚Bereich für den Schutz der Natur‘ und als schutzwürdiges Biotop ausgewiesen.
Es handelt sich um einen außergewöhnlich vielfältigen Biotopkomplex. Zentrales und vernetzendes Element ist die naturnahe Hälver. In den Auenbereichen des Baches sowie der zahlreichen Quellbäche befinden sich ausgeprägte Feuchtwiesen, an den Hängen Halbtrockenrasen, Ginsterheiden und naturnahe Laubmischwälder. Relikte von Flößgräben sowie Ober- und Untergräben von früheren Wasserkraftanlagen mit ihren Teichen sind heute Heimat von Eisvogel, Schwarzstorch, Ringelnatter, Amphibien und vielen Kleinfischarten.
Ein rund 30 Hektar großer zusammenhängender Wiesenkomplex wird extensiv von rund 20 Stück Fleckvieh-Rindern und -Bullen gepflegt, weitere Teilbereiche werden ein bis zwei Mal im Jahr für das Winterfutter gemäht.
Die Tiere verbringen den Winter in einem Rundholz-Offenstall. Die Fleischvermarktung erfolgt über den Hofladen des Bioland-Betriebes und im nahegelegenen Bioladen an der Heesfelder Mühle.
Galloways in der Siegaue (Rhein-Sieg-Kreis)
Röcklingen liegt im östlichen Rhein-Sieg-Kreis im Siegtal. Der BUND hat dort im Herbst 2016 ein Dauerweideprojekt mit Galloways gestartet. Bislang stehen 6,5 Hektar zur Verfügung, mit Bach und Stillgewässer. Ab Sommer 2018 erweitert sich die Fläche auf circa 13 Hektar. Die mit Absicht sehr schwach angesetzte Beweidungsintensität wird durch Mahd von Teilflächen für Winterfutter und zur gezielten Nachpflege unterstützt. Eine Herausforderung sind häufige und kurzfristige Hochwasserereignisse der Sieg. Die Tiere werden vor Ort betreut und sind handzahm.
Das Projekt wurde 2017 als UN-Dekadeprojekt für Biologische Vielfalt ausgezeichnet.
Mehr Infos: http://wildweide.de
Schottische Hochlandrinder auf dem Brenscheider Berg (Märkischer Kreis)
BUND NRW-Gründungsmitglied Gerhard Bremicker setzte sich bereits seit dem Jahr 1994 ein für eine Renaturierung und extensive Bewirtschaftung von circa 45 Hektar rund um den Brenscheider Berg in Halver im Märkischen Kreis auf rund 400 Meter Höhe ü. NN.
Der Umbau des Waldes von Fichte in Laubwald, die Anlage neuer Hecken entlang der historischen Wege sowie neu angelegte Tümpel und Teiche bilden gemeinsam mit den Wiesen und Weiden eine extensive, artenreiche und ökologisch wertvolle Kulturlandschaft. Weit über 100 Nist- und Brutmöglichkeiten ergänzen das Angebot.
Rund 30 Schottische Hochlandrinder übernehmen biologisch kontrolliert die Pflege der 18 Hektar Grünlandflächen. Um Trittschäden zu minimieren werden die Tiere im Winter in einem befestigten Offenstall gefüttert, Mist und Heureste werden kompostiert und auf die Mähwiesen wieder ausgebracht.
Besonders Arten wie Neuntöter, Goldammer, Schleiereule, Turmfalke und Rotmilan profitieren von den neuen Lebensräumen.
Wanderherde in der Dellbrücker Heide (Köln)
In dem vom BUND betreuten Naturschutzgebiet Dellbrücker Heide in Köln wird auf eine traditionelle Beweidung gesetzt: die Hütehaltung. Ein- bis zweimal im Jahr kommt die aus Ziegen und Schafen bestehende Wanderherde für mehrere Wochen zu Besuch, um die unterschiedlichen Lebensraumtypen wie Sandmagerrasen, Zwergstrauchheiden und Eichen-Birkenwälder zu beweiden. Aus der Wahner Heide bei Rösrath kommend wandert sie – unter fachkundiger Leitung von Schäfern und Schäferhunden – in zwei Tagen die verschiedenen Teilbereiche des Naturraums Bergische Heideterrasse entlang und leistet so auch einen Beitrag zur Wiedervernetzung der verschiedenen Natur- und Landschaftsschutzgebiete. Denn die Weidetiere fungieren mit ihrem Fell, ihren Hufen und ihrem Darm als „Überträger“ von Saatgut, Pflanzenteilen und Kleinlebewesen und fördern so den genetischen Austausch zwischen heute isolierten Populationen. Mehr Infos: www.dellbruecker-heide.net
Galloways im Welter Bachtal (Kreis Coesfeld)
Die feuchten Wiesen der Welter Bachauen im Kreis Coesfeld sind ein wahres Naturparadies: Seltene Orchideen, Amphibien wie der Laubfrosch, der Große Brachvogel und 120 weitere Vogelarten finden hier ein Refugium. Diese Artenvielfalt hängt allein von den Galloway-Rindern ab. Seit nunmehr dreißig Jahren grasen die robusten Leichtgewichte auf den feuchten Böden. Mit ihrem geringen Gewicht sind sie einfach ideal in dem weichen Anmoor auf ehemaligem Bruchwaldstandort. Im Winter werden sie mit Heu aus den Mähweiden gefüttert.
Während der Vegetationsperiode gehen sie in einer Umtriebsbeweidung mehrere Male über die großen Weideflächen. Die floristisch wertvollen Orchideenwiesen bleiben verschont. Diese liefern Streu für den Offenstall im Winter. Ein erheblicher Teil des Futters stammt inzwischen aus der großen Glatthaferwiese, die zwei Mal genutzt wird. Auf diese Weise erhalten die Galloways über 40 Hektar Offenland.
Nach gut dreißig Jahren Galloway-Wirtschaft sind die Wiesen und Weiden auf den natürlich nährstoffreichen Böden gut ausgehagert und ermöglichen so eine große floristische Fülle und einen enormen Artenreichtum.
Mehr Infos: www.welter-bach.de
Skuddenherde in der Obstblütenlandschaft
In der Obstblütenlandschaft Botzdorf-Hennesenberg im linksrheinischen Bornheim bei Bonn teilen sich zwei Schafgruppen die Beweidung von gut 20 Hektar in ehemaligen Kiesgruben. Ein Schäfer beweidet nach Absprache mit der BUND-Kreisgruppe Rhein-Sieg das Gros der Flächen zwei Mal im Jahr. Eine BUND-eigene, kleine Skuddenherde ergänzt über das Jahr die Beweidung und wird als „Grünlandpolizei“ nach Bedarf im gesamten Gebiet, auch auf umliegenden Wiesen, eingesetzt. Die Beweidung wechselt aktuell vollständig in die Hand des BUND. Anspruch des Projektes ist es, langfristig die Schafe fest im Gebiet zu etablieren, um auf den sonst notwendigen Weidetourismus via Viehtransporter verzichten zu können. Dazu bauen wir systematisch ergänzende Weideflächen um die Kiesgruben herum auf.
Das Projekt insgesamt wurde 2015 und 2017 als UN-Dekadeprojekt für Biologische Vielfalt ausgezeichnet.
Mehr Infos: www.bund-rsk.de/extensive_beweidung.html
Ziegen am Kattenstein, Kreis Soest
Die BUND NRW Naturschutzstiftung ist Eigentümerin der östlich von Kallenhardt im Kreis Soest gelegene „Höhle im Kattenstein“. Mit über 200 Metern Ganglänge gehört sie zu den bedeutendsten und schönsten Naturhöhlen des nördlichen Sauerlandes.Als Teil des Naturschutznetzwerkes „Natura 2000“ besitzt die Kattensteinhöhle auch europäischen Schutzstatus.
Der Eingang und das Umfeld der Höhle wurde jahrzehntelang als Schuttablageplatz benutzt. In monatelanger Arbeit entfernten die ehrenamtlichen Mitglieder der BUND-Ortsgruppe Lörmecketal und der Arbeitsgemeinschaft Höhle und Karst Lippe große Mengen Müll aus der Höhle, reinigten die Wände und überführten die Höhle wieder in einen naturnahen Zustand. Damit dies so bleibt, werden u.a. die Kallenhardter Ziegen als lebende Rasenmäher eingesetzt.
Mehr Infos: https://www.bund-loermecketal.de