BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Verheizte Heimat

Mehr als 40.000 Menschen wurden bereits im Rheinland für die Braunkohle vertrieben. Und trotz Energiewende sollen nach dem Willen von RWE weitere folgen.

Die Niederrheinische Bucht ist eine uralte Kulturlandschaft. Ihre Besiedlung seit mindestens 7.000 Jahren ist durch archäologische Funde dokumentiert. Von den Bandkeramikern über die Römer bis zur heutigen Zeit bildeten die fruchtbaren Ackerböden die Grundlage für eine einträgliche Landwirtschaft. Dörfer wie z.B. Holzweiler blicken auf mehr als 1.200 jährige Geschichte zurück.

Doch damit soll Schluss sein: Zehntausende Hektar dieser Kulturlandschaft mitsamt der Dörfer und Bodendenkmäler werden durch die Braunkohlebagger der RWE Power AG von der Landkarte getilgt. Seit Mitte der 1950er Jahre wurden im Rheinland etwa 40.000 Menschen aus ihrer angestammten Heimat vertrieben. Bis Mitte des 21. Jahrhunderts sollten es nach den ursprünglichen Plänen des Energiemultis etwa 45.000 Heimatvertriebene sein. Dutzende Dörfer, Weiler und Gehöfte kommen damit auf die "Rote Liste".

Mit der 2016 verabschiedeten Leitentscheidung der Landesregierung zur Braunkohlenpolitik wurden erstmals die Weichen für die Verkleinerung eines Braunkohlentagebaus im Rheinland gestellt. Damit ist klar: Der Ort Holzweiler im geplanten Tagebau Garzweiler bleibt vor den Braunkohlenbaggern verschont. Durch die maßgeblich vom BUND juristisch erkämpfte Verkleinerung des Tagebaus Hambach steht nun fest, dass auch Morschenich eine Zukunft haben wird. Wider aller Vernunft hält RWE allerdings an der Zerstörung von Manheim fest.

Mit der im Oktober 2022 getroffenen Vereinbarung zum auf das Jahr 2030 vorgezogenen Kohleausstieg und der damit einher gehenden weiteren Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler ist nun auch klar, dass fünf weitere Dörfer gerettet sind. Keyenberg, Kuckum, Unter- und Oberwestrich, Berverath sowie die drei Hozweiler Höfe (Eggeratherhof, Roitzerhof, Weyerhof) werden nicht zerstört. Allerdings wurde mit der Vereinbarung auch die Zerstörung Lützeraths beschlossen. Zwischen dem 11. und 15. Januar 2023 wurde die Ortslage geräumt und devastiert.

Die betroffenen Kommunen wehren sich gegen die Zwangsumsiedlung. © D. Jansen

Die Betroffenen hatten bislang kaum Chancen, sich gegen ihre Zwangsumsiedlung juristisch zu wehren. Gemäß der Rechtsprechung entfalten weder der Braunkohlenplan noch die bergrechtliche Zulassung des Tagebaus (Rahmenbetriebsplanzulassung) eine Drittwirkung. Die Betroffenen können danach ihre Grundrechte erst im so gen. Grundabtretungsverfahren geltend machen. Dies wird allerdings erst dann eingeleitet, wenn der Bagger buchstäblich vor der Haustür steht. Ein frühzeitiger Rechtsschutz wurde den Menschen so verwehrt. Der BUND hat deshalb gemeinsam mit einer Privatperson Verfassungsbeschwerden eingereicht. Am 17.12.2013 hat das höchste deutsche Gericht in seinem "Garzweiler-Urteil" die Zwangsenteignung des BUND für verfassungswidrig erklärt. Jetzt muss der Rechtsschutz gestärkt und das Bundesberggesetzes grundsätzlich novelliert werden.

Die Frage der Sozialverträglichkeit der Umsiedlungen ist heftig umstritten und Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Auch wenn die neuen, am Reissbrett entstandenen Orte irgendwann wieder eine neue Identität erhalten, geht vieles für immer verloren. "Im Leben der Dorfbewohner spielt die Verbindung zur Landschaft und zur Natur ein große Rolle: die Rotbuche oder Linde am Wegrand begleitet sie oft seit der Kindheit, die Bachläufe, die kleine Wäldchen, die Wegekreuze und Bänke am Weg, die Prozessionsstationen und vieles mehr sind eingebunden in die Erinnerungen und Stationen des Lebens. Durch die Umsiedlung und die Abbaggerung der Dörfer und der Landschaft gehen all diese Orte des Erinnerns verloren." [Hildegard Schröteler-von Brandt]

Mit den Dörfern verschwindet auch die Kulturlandschaft der Niederrheinischen Bucht. Charakteristisch für die Region sind die einzigartig fruchtbaren Böden (Parabraunerden). Sie entstanden auf dem mächtigen Lösshorizont, den uns die letzte Eiszeit hinterlassen hat und haben eine 12.000 Jahre alte Genese hinter sich. Ersetzbar sind auch sie nicht. Auf den rekultivierten Kunstböden ist nur eine eingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung möglich. Ökolandbau ist ausgeschlossen. Die Landwirtschaft ist ein großer Verlierer der Braunkohlenutzung.

Verschwundene Dörfer

Bislang wurden im Rheinland mehr als 100 Siedlungen devastiert. Jetzt sollen sechs weitere Dörfer und einige weitere Höfe für den Tagebau Garzweiler weichen (Lützerath, Keyenberg, Kuckum, Unter- und Oberwestrich, Berverath).  Holzweiler wird entgegen der ursprünglichen Planungen verschont werden. Gleiches gilt für das schon teilzerstörte Morschenich.

Hier finden Sie die Liste der verschwundenen Orte.

 

Verheizte Heimat: Der Immerather Dom verschwindet

Abschied unter Protest: Am 8. Januar 2018 hat der Kohlekonzern RWE mit dem Abriss des "Immerather Doms" begonnen. Einen Tag später blieb von der Kirche nur noch ein Schutthaufen übrig. Damit wird das letzte Kapitel der fast 1.000-jährigen Existenz Immeraths eingeleitet. (Fotos: D. Jansen)

Etwa 40.000 Menschen wurden bislang für die Förderung der Braunkohle im Rheinland umgesiedelt. Bald wird auch die Siedlung Immerath ausgelöscht. Am 8. Januar 2018 will der Kohlekonzern RWE mit dem Abriss des "Immerather Doms" beginnen. 

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