BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Gülleflut in NRW

Auf fast der Hälfte der NRW-Landesfläche ist das Grundwasser übermäßig durch Nitrat belastet. Doch die Politik handelt nur halbherzig.

Der Gülle-Austrag ist ein Hauptproblem für die Grundwasserqualität.

Auch in NRW: Schlechte Grundwasserqualität durch Nitrat aus der Landwirtschaft

Nitrat bzw. die Belastung von Oberflächengewässern und Grundwasser mit Nährstoffen v.a. aus der Landwirtschaft ist seit Jahrzehnten eine unendliche Geschichte. In vielen Veröffentlichungen wie dem Nitratbericht 2014, und dem 2. Bewirtschaftungsplan 2016 bis 2021 nach EU-Wasserrahmenrichtlinie sind die Gewässer und Grundwasserkörper beschrieben, in denen aufgrund der Stickstoff-/Nitratgehalte der gute chemische Zustand nicht erreicht wird. Danach sind 46% aller Grundwasserkörper mit Nitrat und 16% der Grundwasserkörperflächen durch Ammonium belastet. Signifikant steigende und zu Maßnahmen führende Trends wurden in 68 von insgesamt 275 Grundwasserkörpern festgestellt, in keinem liegt dagegen eine Trendumkehr vor. Lt. Bewirtschaftungsplan soll in 165 von 275 Grundwasserkörpern die Zielerreichung bis 2021 wahrscheinlich sein, in den anderen gilt sie als gefährdet.

Diese Prognosen sind aus Sicht des BUND aufgrund der ergriffenen Maßnahmen in der Vergangenheit vollkommen unrealistisch

Wasserschutzgebiete – Kooperation am Ende ihrer Möglichkeiten

Diese Entwicklung gibt es sogar in ausgewiesenen Wasserschutzgebieten, in denen im Rahmen der Kooperationen Land-Wasserwirtschaft besondere Anstrengungen zur Lösung der Nitrat-Probleme ergriffen werden sollen. Die Finanzierung erfolgt durch jeden Trinkwasserverbraucher über seine Wassergebühren. Der BUND hat diese Praxis seit Gründung der Kooperationen Ende der 1980iger Jahre wegen seiner zu geringen Effizienz immer wieder kritisiert. Zumindest ist erreicht worden, dass derzeit eine Studie zur inhaltlichen Arbeit und Effizienz ausgewählter Kooperation in NRW vom Umweltministerium erstellt wird. Wirklich "harte" Maßnahmen sind in den Kooperationen bisher viel zu wenig ergriffen worden. Immerhin wurde in einigen Schutzgebieten eine leichte Trendumkehr erreicht, oft aber dann Stagnation auf zu hohem Niveau. So wird auch von den Wasserversorgern vielfach eingeräumt, dass das Kooperationsprinzip am Ende seiner Möglichkeiten ist und nur eine andere Form der Landwirtschaft zum Ziel führen kann. So fordert der  BUND  schon seit längerer Zeit, dass in Wasserschutzgebieten nur Biolandwirtschaft erlaubt oder zumindest vorrangig zu fördern sei.

Gülle- und Nitratprobleme durch zu hohe Tierzahlen und Fleischverzehr

Grundwasser und Nitrat in NRW. Quelle: Fleischatlas 2016 regional

Wesentlich getrieben wird das Nitratproblem durch den hohen Fleischkonsum im Lande und das Verlangen nach dem „Billigschnitzel“. In den letzten 40 Jahren hat sich z.B. die Anzahl der gehaltenen Schweine in NRW verdreifacht, bei deutlich zurückgehender Agrarfläche und nur noch einem Bruchteil an schweinehaltenden Betrieben. Eine  Lösung der Nitratproblematik ist daher auch nur durch Absenkung des Fleischverzehrs, verbunden mit einer anderen Art der Tierhaltung, d.h. Abstockung und Flächenbindung in den viehstarken Kreisen des Landes, so z.B. am Niederrhein und im Münsterland  (z.B. Kleve, Borken, Bocholt, Coesfeld) möglich. Die hier derzeit anfallenden Güllemassen müssen bereits jetzt wegen Nichteinhaltung der (viel zu hohen) Stickstoffgrenzwerte im ganzen Land verteilt werden. Dieser Gülletourismus führt z.B. dazu, dass alleine aus dem Kreis Borken pro Jahr um die 20000 LKW Fahrten zum Abtransport erforderlich sind. Und obendrauf kommen noch um die 1,4 Mio t Gülle aus den Niederlanden, die ebenfalls im ganzen Land verteilt werden. Z. T. werden diese mit großen Tankschiffen via Rhein nach Duisburg und Köln transportiert und aus den dortigen Häfen per LKW abgepumpt und auf den Feldern der umliegenden Regionen verteilt. Obwohl die niederländische Gülle „nur“ ca. 7%  der insgesamt in NRW anfallenden Gülle ausmacht, muss gefordert werden, dass auch die Niederlande eine umweltverträglichere Landwirtschaft praktizieren, die nicht auf Gülleexporte in diesem Ausmaß angewiesen ist.         

Neue Düngeverordnung

Nach den Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie ist das Ziel des guten Zustands spätestens bis Ende 2027 zu erreichen. Dazu wären viel weitergehende Anstrengungen erforderlich. Aber im Gegensatz zu den Oberflächengewässern gibt es hier keine sog. Umsetzungsfahrpläne, in denen die konkreten Maßnahmen und Zeitpunkte der Umsetzung festgelegt sind. Vorschlag von Maßnahmen und deren Durchführung sind unverständlicherweise den Landwirtschaftskammern und nicht den Wasserbehörden übertragen worden. Bisher gibt es lediglich Vorschläge u.a. für eine Intensivierung der Beratung der Landwirte, die Verbesserung der Bewirtschaftungstechnik und die Einrichtung von Modell-Betrieben verteilt über das Land. Erfolg ungewiss.

Entscheidend für eine Verbesserung der Nitratsituation in NRW ist die Umsetzung der EU- Nitratrichtlinie in Form der Düngeverordnung.

Seit dem 1. Dezember 2022 gilt in NRW eine neue Düngeverordnung. Gebiete, in denen die Nitratkonzentration im Grundwasser den Grenzwert von 50 mg/l überschreiten, werden als belastete ‚rote Gebiete‘ gekennzeichnet. Diese machen mit mehr als 500.000 Hektar rund ein Drittel der landwirtschaftlichen Fläche in Nordrhein-Westfalen aus. BUND-Agrarreferent Ralf Bilke: "Die Neuregelung birgt nicht nur die Chance, den Eintrag von Nährstoffen in Gewässer und in Grundwasser einzudämmen. Angesichts massiv gestiegener Preise insbesondere für chemisch-synthetische Düngemittel muss ohnehin alles darangesetzt werden, die landwirtschaftliche Produktion umzubauen und dauerhaft und flächendeckend deren Einsatz deutlich zu senken. Dieser Prozess könnte nun beschleunigt und sollte durch gute Beratung von Landwirten unterstützt werden."

 

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