BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Das Bild der Wildkatze im Wandel der Zeit

Wie sich die Wildkatze in den letzten Jahrhunderten spiegelt.

Vielleicht war es ein großes Glück für die Wildkatze, dass, durch die zum Teil haarsträubend widersprüchlichen Beschreibungen in der einschlägigen Jagdliteratur der letzten Jahrhunderte, irgendwann eigentlich niemand mehr so genau wusste, welches Verhalten diese im Schwinden begriffene Art nun wirklich ausmachte und welcher Lebensraum für sie überhaupt noch „Lebensqualität“ besaß.

 

Verhalten / Wirkung – ein Querschnitt von 1879 bis heute

Während die Wildkatze im 19. Jahrhundert. noch „nächst dem Luchse zum allergefährlichsten heimischen Raubwilde, dessen einzige gute Seite die ist, sich in unseren heimathlichen Wäldern von Jahr zu Jahr rarer zu machen“, zählte, war sie in einer darauffolgenden Publikation bereits die einzige, in Europa ursprünglich wilde Katzenart (VON RIESENTHAL 1880), der es bald so ergehen sollte wie dem Luchs, den man ausrottete, bevor man ihn (richtig) kannte.

Ende des 19. Jahrhunderts galt noch als das sichere Kennzeichen … die dicke stark behaarte Ruthe, welche nach dem Ende zu dünner wird (HARTERT 1885) (und der Kopf der Wildkatze war platt gedrückt (BOSCH 1879). Anfang des 20. Jahrhunderts werden dunkle Nadelwälder (BREHM 1915) als bevorzugter Lebensraum (vor Laub-und Mischwald) der Wildkatze beschrieben In diesen erklettert sie die höchsten Bäume und springt hier von Ast zu Ast, um auf diese Weise ganze Waldstücke zu durchqueren. (ZUKOWSKY 1938).

Besonders viel Aufmerksamkeit wurde in der Literatur der vergangenen Jahrhunderte dem Jagdverhalten und Beutespektrum der Wildkatze geschenkt, was sich in phantasievollen Schilderungen aus dieser Zeit offenbart: In unserem Vaterlande ist sie zum Heile für unsere Wildbahn nur noch selten … Übrigens ist ihre gänzliche Ausrottung, die gewiß jeder Jäger und Forstwirth wünscht, da sie nicht den geringsten Nutzen, wohl aber überaus großen Schaden stiftet … sehr schwer … (BOSCH 1879) . Mäuse habe ich im Herbste mehrfach in großer Zahl im Magen von Wildkatzen gefunden, so daß diesen ein gewisser Nutzen nicht abgesprochen werden kann. Aber niemand kann leugnen, daß der Schaden bei weitem überwiegt. Der Hauptbestandteil der Nahrung der Wildkatze dürfte den größten Teil des Jahres in Nutzwild bestehen, und wenn sie auch gelegentlich Jagdschädlinge, wie Marder, Iltis, Wiesel, reißt, was aus Losung und Mageninhalt nachgewiesen ist, so schlägt das nicht zu Buch gegenüber der Dezimierung des Bestandes an Hasen, Rebhühnern, Fasanen, Auergeflügel usw. (SCHÄFF 1907). VON RIESENTHAL (1880) schrieb…und daß sie noch unbeholfene Hirschkälbchen würgt, steht außer Zweifel … Wahrhaft furchtbar scharf äugend und vernehmend … unhörbar schleichend und gewandt kletternd … verödet sie in kurzer Zeit die Wildbahn.

mit dem kunstgerechten Anschleichen auf Rehkitzchen und Wildkälber und mit dem Sprunge von einem Aste auf eins dieser Opfer … im Sommer hausen sie auch zuweilen und zeitweise im hohen Getreide und besiegeln damit ohne Gnade das Schicksal aller daselbst lebenden Rebhühner und Hasen etc.  (BOSCH 1879). Im Gegensatz dazu war Brehm seiner Zeit voraus und machte folgende Feststellung: Die Wildkatze … vertilgt mehr schädliche Tiere als nützliche und macht sich dadurch zwar nicht um die Jagd, wohl aber um unsere Wälder verdient (BREHM 1915).

Foto: Maik Elbers

Selbst als die Wildkatze in vielen Gebieten bereits ausgerottet war, erfolgte die Vernichtung dieser gefährlichen Wildvertilger und Jagdverderber (DIEZELS NIEDERJAGD 1922) jahrzehntelang mit geradezu erschreckendem Eifer durch Pirsch, Ansitz, Treib- und Drückjagd, Ausräuchern aus Bauen und hohlen Bäumen, Gift sowie Tot- und Lebendfang in Fallen verschiedenartigster Konstruktion.Nimm dich wohl in acht, Schütze, und faß die Bestie genau aufs Korn! zitiert schließlich BREHM aus Überlieferungen von Kämpfen zwischen weidwunden Katzen und schlechten Schützen, ist Sie bloß angeschossen, so fährt Sie schnaubend und schäumend auf … und springt auf den Menschen los; ihre spitzen Krallen haut sie … besonders in die Brust, daß man Sie fast nicht losreißen kann (BREHM 1915).

In der Annahme, dass die Wildkatze überall nur noch vereinzelt vorkäme, schien man um 1880 plötzlich die Befürchtung zu haben, dass ihre Position nun von nachrückenden Hauskatzen eingenommen werden könnte. Für den Jäger des ausgehenden 19. Jahrhunderts konnte es somit ganz gleich sein, ob er eine wilde oder verwilderte Katze erlegt hat, er hat sein Revier in beiden Fällen von einer furchtbaren Geißel befreit (VON RIESENTHAL 1880).

Der Balg hat immerhin einen gewissen Wert, obgleich er weniger gesucht ist, als anderes Rauhwerk, aber gleichviel, – und wenn er gar nichts gelte ist die Jagd auf dieses gefährlichste Raubwild, sei es eine wilde oder verwilderte Katze, Ehrensache des Jägers; auf ihre, ja immerhin anzuerkennende Mäusevertilgung hat er gar keine Rücksicht zu nehmen. (VON RIESENTHAL 1880).

Wert und Verwertung der Wildkatze

Im Jagdjahr 1881/82 betrug der Geldwert eines Wildkatzenbalges (abgezogene Haut mit Fell) noch 200 Pfennige. Nach heutiger Zeit entspräche dies etwa 27 ct. (DEUTSCHE BUNDESBANK). Für 200 Pfennig konnten um das Jahr 1900 4 kg Pferdefleisch gekauft werden.
Zum Vergleich: der Geldwert eines Fuchsbalges belief sich auf 350 Pf., der einer Dachsschwarte auf 200 Pf., der Balg eines Marders oder Iltis war 900 Pf. und der eines Fischotters sogar 1200 Pf. wert (nach SCHWENK 1984).

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