BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Kerosin-Leck bei Shell sorgt für Dauerschaden

Diese neue Leitung soll jetzt sicher sein. © D. Jansen

Am 25. Februar 2012 waren in der Wesselinger Shell-Raffinerie Unregelmäßigkeiten in der Füllstandsbewegung eines Flugbenzin-Tanks bemerkt worden. Doch erst am 30. Mai gab Shell bekannt, dass zuvor etwa 1 Millionen Liter Kerosin durch eine defekte Leitung in den Boden geströmt waren. Dieser Skandal war der vorläufige Höhepunkt einer Kette von Störfällen in den Shell-Raffinerien im Kölner Süden. Für die Anwohner ist die Shell damit in den letzten Jahren zum Chemie-Alptraum der Region geworden.

Seit 2011 sitzt der BUND in der Region der Firma im Nacken und hat durch zahlreiche Anfragen, qualifizierte Stellungnahmen, politische Forderungen und intensive Öffentlichkeitsarbeit erheblich dazu beigetragen, dass Versäumnisse der Betreiber schonungslos aufgedeckt, aber auch Fakten und Daten endlich offengelegt wurden. Darüber hinaus wurden Defizite in Gesetzen und Verordnungen identifiziert und teilweise beseitigt und die betrieblichen Kontrollen durch die zuständige Bezirksregierung Köln verschärft. So konnte auch die vom BUND nach der Toluoltank-Explosion geforderte Sicherheitsüberprüfung nach Intervention beim Umweltminister durchgesetzt werden.

Es besteht zudem der Eindruck, dass die Firma selbst erkannt hat, dass es so nicht weiter geht, offener kommuniziert und zu erheblichen Investitionen in die Sicherheit der Anlagen bereit ist. Shell war letztlich sogar bereit, den BUND intensiv bei der Überprüfung des Sicherheitsmanagements zu beteiligen, was aber durch die Bezirksregierung Köln, die Herrin des Verfahrens ist, verhindert wurde. Der BUND hat dies heftig kritisiert, zumal auch das Agieren dieser Behörde mit auf den Prüfstand gehört.

Hinsichtlich der Sanierung des Kerosinschadens ist die Prognose ungünstig, da alleiniges Abpumpen nicht mehr funktioniert und immer noch ca. 700.000 Liter Flugbenzin im Untergrund herumwabern. Man setzt jetzt auf den biologischen Abbau des Kerosins und versucht die Bedingungen hierfür durch den Eintrag von Sauerstoff in den Untergrund zu beschleunigen. Nach Einschätzung des BUND Wasserexperten Paul Kröfges ist dies zwar die Methode der Wahl, wird aber erhebliche Zeiträume in Anspruch nehmen. Es ist zu befürchten, dass noch in Jahrzehnten Kerosin in Boden und Grundwasser nachweisbar sein wird. Das Grundwasser im Köln Bonner Raum bleibt also auf lange Sicht großflächig gefährdet. Der BUND bleibt dran!

 

Interview

BUND-Experte Paul Kröfges beim Vorort-Termin. © D. Jansen

 

Ein Jahr nach Bekanntwerden des Kerosin-Unfalls

06.03.2013 - Am 25. Februar 2012 waren in der Wesselinger Shell-Raffinerie Unregelmäßigkeiten in der Füllstandsbewegung eines Flugbenzin-Tanks bemerkt worden. Doch erst am 30. Mai gab Shell bekannt, dass zuvor knapp 850 Tonnen Kerosin durch eine defekte Leitung in den Boden geströmt waren. Jetzt, ein Jahr später, ist eine dauerhaft zufrieden stellende Lösung des Problems noch immer nicht in Sicht.

Wir sprachen darüber mit dem BUND-Gewässerschutzexperten Paul Kröfges.

- Vor einem Jahr sorgte das Kerosin-Leck bei Shell erstmals für Schlagzeilen. Wie zufrieden sind Sie seitdem mit dem Krisenmanagement von Shell und den Behörden. 

Veraltete Anlagen, mangelnde Überwachung, nicht ausreichende Auflagen und  keine Bereitschaft, dem Stand der Technik entsprechend nachzurüsten, das waren die Ursachen für den Chemieunfall. Dann wurde gezögert, verharmlost und abgewartet, das war alles andere als vorbildliches Krisenmanagement. Mittlerweile sieht es deutlich besser aus, die Bezirksregierung macht seit Monaten mit Ordnungsverfügungen Druck, vier Sanierungsbrunnen laufen endlich, es liegen Analysendaten aus zahlreichen, auch neu angelegten Messstellen im Umfeld vor, die aber nichts Gutes verheißen. 

 - Shell gibt sich nach außen auskunftsfreudig, mauert aber bei wesentlichen Forderungen. Welchen Handlungsbedarf sehen Sie?

Letztlich hat Shell nur verkündet, was sich nicht verbergen oder leugnen ließ bzw. konkret abgefragt wurde.  Gut wäre z.B. gewesen, alle Gutachten, deren Auftraggeber Shell ja war,  unmittelbar zugänglich zu machen. Statt dessen gab es nur häppchenweise gefilterte Informationen, da kam von der Bezirksregierung auf Anfrage deutlich mehr. Mehr Transparenz muss her, vor allem darf nicht nur der Haus- und Hofgutachter von Shell, die Fairma Fülling ran, sondern es müssen auch andere Gutachter beauftragt werden, um den Schadensumfang und den Verlauf der Sanierung objektiv zu bewerten. Gut, dass wenigstens das Landesumweltamt hier mit beauftragt wurde, die haben dem Gutachter durchaus kritisch auf die Finger geschaut. Wesentlichste Forderung ist natürlich die Neuverlegung der gesamten Leitungstrasse mit doppelwandigen Rohrsystemen und einer Schleichleckageüberwachung nach dem Stand der Technik. Da mauert Shell total.

 - Ist der Sanierungsplan geeignet, dauerhafte Gefährdungen des Gewässerhaushalts auszuschließen?

Nein. Die Sanierungsbrunnen mit Kerosinabschöpfung sind zwar als erste Maßnahme sinnvoll und verhindern eine weitere Verlagerung der Kerosinphase. Damit kriegt man aber nicht alles raus, hierzu muss mit biologischen Verfahren intensiv und wohl jahrelang nachbehandelt werden. Hinzu kommt: mitterweile liegen uns Daten über im Grundwasser gelöste Schadstoffe vor. Demnach ist das Umfeld des Kerosinsumpfes  - See ist ja eine unpassende Beschreibung - mit Stoffen belastet, die aus dem Kerosin herausgelöst wurden, z.T. aber auch auf ältere Schadensfälle im Tanklagerbereich zurückgehen können. Der Verursacher muss wohl auch das Wasser in diesem Bereich reinigen, hierzu bestehen noch überhaupt keine Pläne. Dies ist  jedenfalls ein hohes Gefahrenpotenzial für das gesamte Grundwasser im weiteren Einzugsbereich der Wesselinger Wasserwerke.

 - Welche grundsätzlichen Forderungen ergeben sich aus dem Kerosin-Skandal für andere Chemiestandorte in NRW?

Wir haben diese in einem Schreiben an die Staatssekretäre im Umwelt- und im Wirtschaftsministerium zusammengefasst. Generell fordern wir, dass der Stand der Technik bei Rohrleitungen und Anlagen mit wassergefährdenden Stoffen zu gelten hat und der Bestandsschutz von Altanlagen äußerst kritisch neu bewertet wird. Vor allem muss die Überwachung intensiviert werden, kontinuierlich arbeitende und hochempfindliche Leckage Überwachungssysteme eingebaut und sukzessive einwandige Leitungen durch moderne doppelwandige Systeme ersetzt werden. Darüber hinaus gilt es, technische Regelungen aufeinander abzustimmen und endlich ein umfassendes Register der überwachungsbedürftigen Anlagen einzurichten. Hierzu haben wir eine zustimmende Rückmeldung des Umweltministeriums bekommen, einige dieser Forderungen sind schon in der Umsetzung.  

 

 

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Paul Kröfges

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