Streitthema Luftverkehr: Für Umweltschützer*innen gelten die Flieger als Klimakiller, hunderttausenden Betroffenen rauben sie den Schlaf. Politik und Wirtschaft sehen den Luftverkehr dagegen als vermeintlichen Jobmotor und setzen auf Zuwachs. Die rot-grüne Landesregierung hat deshalb in ihrer Koalitionsvereinbarung angekündigt, dieser Entwicklung und den Anforderungen, die Klimawandel und Lärmschutz an den Luftverkehr stellen, durch intelligente, klima- und anwohnerfreundliche sowie wirtschaftliche Lösungen zu begegnen. Dazu soll ein Luftverkehrskonzept verabschiedet werden.
Die Realität ist aber eine andere: Etliche verkehrspolitisch fragwürdige Regionalflughäfen in Nordrhein-Westfalen buhlen um die Fluggäste, der Düsseldorfer Airport will eine Genehmigung des Parallelbahnbetriebs beantragen und ein Nachtflugverbot für Köln/Bonn ist nicht in Sicht. Angeregt und finanziert von der BUND-Regionalgruppe Düsseldorf hat deshalb der BUND die Initiative ergriffen, und mit einem eigenen NRW-Luftverkehrskonzept wesentliche Eckpunkte für einen zukunftsfähigen und umweltverträglicheren Luftverkehr vorgelegt.
Bei der Vorstellung des Konzepts übte der BUND-Landesvorsitzende Holger Sticht heftige Kritik an der derzeitigen Situation: „Die Regionalflughäfen werden mit Steuergeldern gepäppelt, womit sich NRW zunehmend zu einem Flugzeugträger für Billigflieger entwickelt. Eine Kooperation der internationalen Flughäfen scheitert an lokalem Klein-Klein und das Potenzial der Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Schiene wird nicht ansatzweise ausgeschöpft. Leidtragende sind die lärmgeplagten Menschen und die Umwelt.“ Der Handlungsbedarf ist also groß.
„Flugzeugträger für Billigflieger“
Interessant dabei ist, dass nur am Flughafen Düsseldorf in den letzten fünf Jahren steigende Passagierzahlen zu verzeichnen waren. An allen anderen Flughäfen waren die Zahlen rückläufig - und das trotz zum Teil massiver Subventionen. So wird zum Beispiel jeder Fluggast in Dortmund mit 10 Euro von Stadtwerkekunden und mit Steuergeldern bezuschusst. Insbesondere die Regionalflughäfen Münster/Osnabrück, Paderborn, Dortmund, Niederrhein/Weeze und Siegerland stehen in ruinöser Konkurrenz zueinander und drohen sich zu kannibalisieren. Der BUND fordert deshalb die Politik auf, die EU-Beihilferegelung konsequent umzusetzen und die Subventionen bis spätestens 2024 zu beenden. Damit würden dann auch bestehende Überkapazitäten abgebaut. Einen als „Zweibahnbetrieb“ getarnten Kapazitätsausbau des Düsseldorfer Flughafens lehnt der BUND vehement ab. Dazu mahnt der BUND eine stärkere Kooperation zwischen den internationalen Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn an.
Verlagerung auf die Schiene
Wesentliches Defizit ist, dass die Standortgunst NRWs noch nicht für eine stärkere Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Schiene genutzt wird. Nach der BUND-Analyse könnten sofort und ohne Zeit- und Komfortverlust 50.000 Flüge mit sechs Millionen Fluggästen auf die Bahn verlagert werden. Vollkommen unverständlich ist, warum allein von Düsseldorf nach Frankfurt trotz einer perfekten ICE-Verbindung noch immer etwa 4.500 Flüge jährlich gehen. Von Köln/Bonn wurde solche Zubringer-Flüge mittlerweile konsequent eingestellt.
Ein erhebliches Manko sieht der BUND auch beim Lärmschutz. „Die lärmabhängigen Start- und Landeentgelte an stadtnahen Flughäfen wie Düsseldorf haben keine Lenkungswirkung“, konstatierte der BUND-Verkehrsexperte Werner Reh. Auch beim Schutz der Nachtruhe gibt es nach wie vor große Defizite. Neben Köln/Bonn, wo Anwohner seit Jahrzehnten für ein Nachtflugverbot kämpfen, gilt dies auch für Düsseldorf. Eine Lösung sieht der BUND in einer stärkeren Spreizung der Entgelte und der Einführung von Lärmobergrenzen.
Politik muss handeln
Der BUND sieht jetzt die Landesregierung und das Parlament in der Pflicht, das Luftverkehrskonzept für NRW zügig und mit umfassender Bürgerbeteiligung in Angriff zu nehmen. Ziel muss ein effizientes Flughafennetz im Rahmen einer nachhaltigen Mobilitäts- und Transportstrategie unter Berücksichtigung der Umweltbelange sein. Eine solche zukunftsfähige Verkehrsstrategie wäre auch ein Standortvorteil für das Land, das heute bereits Verkehrsdrehscheibe für Westeuropa ist. Auch die Verpflichtung für effektive Klimaschutzmaßnahmen zur Einhaltung der 2°C-Obergrenze durch Maßnahmen im Luftverkehr muss Teil dieses Konzepts sein.