Die Pute - Die Gute?
Putenfleisch ist in vieler Munde - als Putenbrust, -keule oder gebratene Streifen im Salat. Doch wie werden Puten eigentlich gehalten? Fast seit zwanzig Jahren - seit 2003 - führt der BUND NRW in regelmäßigen Abständen umfassende Recherchen zur Haltung von Mastputen durch.
Wir fragen: Wieviele Puten werden in NRW gehalten und wie groß sind die jeweiligen Tierbestände? Wie hoch ist die Besatzdichte in den Mastställen und wieviel Platz haben die Tiere? Gibt es Auslauf ins Freie? Bleiben die Schnäbel der Tiere unversehrt oder werden sie gekürzt? Wie ist der Gesundheitszustand der Tiere und die Sterblichkeitsrate während der Mast?
Die BUND-Studien zeigen: Nahezu alle Puten im Land werden konventionell und in Intensivmast gehalten. Maximale Besatzdichten in den Ställen, fehlender Auslauf ins Freie und ein Kürzen der Schnäbel kennzeichnen eine Haltung, die höchst tierschutzwidrig ist. Der Einsatz schnellwachsender Rassen mit extrem hohem Brustmuskelanteil verursacht u.a. eine Häufung schmerzhafter Skelett- und Gelenkkrankheiten sowie veränderte Verhaltensweisen wie das Picken von Artgenossen und Kannibalismus.
All diese Missstände sind langjährig bekannt und für die Putenmastbetriebe in NRW durch die BUND-Abfragen bei den zuständigen Kreisveterinärämtern seit dem Jahr 2003 mehrfach belegt. Mit standardmäßig erteilten Dauer-Ausnahmegenehmigungen zum Schnabelkürzen wird geltendes Tierschutzrecht systematisch umgangen. Beim Tierschutz in der konventionellen Putenmast herrscht weitgehend Stillstand.
BUND: Massiven Antibiotikaeinsatz in Putenställen stoppen!
Eine Studie des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) zum Einsatz von Antibiotika in der Putenmast zeigte 2014: In neun von zehn Mastdurchgängen (92,8%) wurden den Tieren Antibiotika verabreicht. Dabei kamen durchweg auch für den Menschen wirksame 'Reserveantibiotika' zum Einsatz und zugleich wurden in 1/3 der untersuchten Fälle ein in Deutschland für Puten nicht zugelassenes Präparat verabreicht. Das LANUV hatte den Antibiotikaeinsatz in nordrhein-westfälischen Putenställen untersucht und dabei 516 Durchgänge von der Aufzucht und Mast der Tiere bis hin zu deren Schlachtung und insgesamt 2764 Wirkstoffeinsätze ausgewertet. Aus Sicht des BUND NRW ist das Ergebnis eine Bankrotterklärung der Geflügelwirtschaft.
Presseinformation: BUND: Massiven Antibiotikaeinsatz in NRW-Pustenställen stoppen
Antibiotikaminimierung in industrieller Putenmast gescheitert
Auch das vom Bundeslandwirtschaftsministerium im Jahr 2014 eingeführte nationale Antibiotikaminimierungskonzept für Masttiere zeigt in der Putenhaltung keine Wirkung: Bis zum Jahr 2019 blieb der Einsatz von Antibiotika bei Mastputen nahezu unverändert – er lag bei minus ein Prozent. Der Anteil von Reserveantibiotika, die für die Behandlung lebensbedrohlicher Infektionen bei Menschen unverzichtbar sind, lag bei etwa der Hälfte der Verbrauchsmenge. Die Gefahr der Bildung von Resistenzen gegen diese Wirkstoffe, die allein der Humanmedizin zur Verfügung stehen sollten, ist hoch. Mehr..
BUND-Fazit: Die Intensivmast von Puten wie im übrigen auch die von Hähnchen funktioniert offenkundig nur mit regelmäßigen Antibiotika-Gaben. Sie missachtet den Tierschutz, fördert die Bildung resistenter Keime und nimmt inakzeptable Risiken für Mensch und Umwelt in Kauf.
BUND-Forderungen für eine artgerechte Putenhaltung
Eine artgerechte Putenhaltung ist möglich! Dazu bedarf es jedoch anderer Haltungsformen als üblich: Mit Schlechtwetter- und Grünauslauf, geringeren Bestands- und Gruppengrößen, dem Einsatz robuster und langsamer wachsender Rassen und anderem Futter. Es bedarf Landwirte, die dieses mit Leidenschaft voranbringen und ebenso bedarf es Kund*innen, die bereit und in der Lage sind, hierfür faire Preise zu zahlen.
Richtschnur für die Haltung von Puten sind für den BUND die Standards der Ökologischen Tierhaltung und die Richtlinien zur Putenhaltung von NEULAND.
NEULAND-Richtlinien für die artgerechte Mastputenhaltung
Bundes- und Landespolitik müssen klare Regeln setzen
Man mag es kaum glauben: Trotz des in Grundgesetz und der NRW-Landesverfassung verankerten Tierschutzes fehlt es in Deutschland noch immer an rechtsverbindlichen Mindeststandards für die Putenhaltung. Die "Bundeseinheitlichen Eckwerte für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Mastputen" des Verbandes Deutscher Putenerzeuger (VDP) stellen allein eine reine Selbstverpflichtung der Branche dar. Sie entfaltet weder rechtliche Wirkungen noch wird sie aus BUND-Sicht den Anforderungen des Tierschutzes gerecht.
Der BUND fordert deshalb seit langem die Aufnahme der Putenhaltung in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) des Bundes. Ein vom Bundesrat im November 2015 beschlossener Verordnungsentwurf (Drucksache 311/15) wurde vom hierfür zuständigen Bundeslandwirtschaftsministerium jedoch noch immer immer nicht umgesetzt, auch ist der Entwurf aus BUND-Sicht völlig unzureichend und bedarf der Nachbesserung.
BUND: Keine neuen Putenfabriken in Meschede!
28.08.2014 - Der NRW-Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die BUND-Ortsgruppe Arnsberg rufen den Landwirt Karl-Johannes Heinemann dazu auf, den Antrag für eine neue Putenmastanlage in Meschede-Schederberge zurückzuziehen. "BUND-Studien belegen seit mehr als 10 Jahren: In den herkömmlichen Ställen herrscht drangvolle Enge, es fehlt den Tieren an Auslauf und ihnen werden allesamt die Schnäbel gekürzt. Diese Intensivmast ist in keiner Weise tierschutzgerecht."
Zusätzlich zu den vorhandenen 70.000 Mastplätzen im Hochsauerlandkreis wurden im April 2014 weitere knapp 10.000 Mastplätze in Horbach genehmigt und werden aktuell nochmals knapp 10.000 Mastplätze in Schederberge beantragt. Weniger als 9 Meter beträgt dort der Abstand zwischen dem geplanten Maststall und einem benachbarten Wohnhaus.
Wie sehr die Menschen das Thema bewegt, zeigte der heutige Info-Abend des BUND zur Putenhaltung in Meschede: Mehr als 80 Zuhörer aus Meschede, Arnsberg und anderen Orten des Hochsauerlandkreises füllten den Gemeindesaal an der Christuskirche. Die Botschaft ist eindeutig: Diese Art der Tierhaltung findet auch im Sauerland keine Akzeptanz mehr!
Antweiler / Wachendorf: Erfolgreicher Widerstand!
Einmischen lohnt sich! Seit dem Jahr 2011 kämpfen der BUND und die Bürgerinitiative gegen industrielle Massentierhaltung gemeinsam gegen eine geplante Putenmastanlage für fast 27.000 Tiere in Antweiler (Kreis Euskirchen) - mit Erfolg: Dort, wo schon seit Jahren der Betrieb hätte errichtet sein sollen, wächst noch immer Getreide.
Am Anfang stand eine BUND-Bürgersammlung zu dem Vorhaben mit mehr als 100 Interessierten aus Antweiler, Wachendorf und Umgebung (mehr..). Es folgten viele weitere Treffen, Veranstaltungen und Aktionen und immer mehr Bürger*innen zeigten auch ganz persönlich Flagge: Mit leuchtenden Plakaten auf rd. 200 Privatgrundstücken in beiden Orten! Im Frühjahr 2012 demonstrierten wir gemeinsam mit mehr als 300 Menschen trotz strömenden Regens mit Trillerpfeifen, Rasseln, bunten Bannern und Gesang: Für ein Stopp dieses Vorhabens und für eine artgerechte Tierhaltung!
Schließlich traf die Lokalpolitik eine klare Entscheidung: Im Jahr 2014 beschloss der Rat der Stadt Mechernich einmütig einen Bebauungsplan, der seitdem Teile des Außenbereichs um die Orte Antweiler und Wachendorf Tierhaltungsanlagen freihält und die vorgesehene Putenmastanlage dort planungsrechtlich untersagt.
Dieser Bebauungsplan wurde im Februar 2018 vom OVG Münster unter Hinweis auf Formfehlern bei der Offenlage gekippt. Für BUND und Bürgerinitiative hat sich in der Bewertung des Vorhabens nichts geändert. Angesichts der langjährigen öffentlichen Debatten um Tierschutz und Antibiotikaeinsatz in der Intensivmast wäre es anachronistisch, nach dem OVG-Urteil die etwa 8 Jahre alte Planung neu aufleben zu lassen. Sollte der Antragsteller seinem Vorhaben weiterhin nachgehen, werden wir uns erneut einmischen!
Aktuell berät die Stadt Mechernich über die Einleitung eines neuen Planverfahrens mit erneuter und dann formfehlerfreier Offenlegung des Bebauungsplans.