BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Erdgasfernleitung Zeelink

Die neue Gasleitung „Zeelink“ soll NRW auf über 200 km Länge von Aachen nach Borken durchqueren. Das Vorhaben führt zu großen Eingriffen in Natur und Landschaft, betroffen sind u.a. das Vogelschutzgebiet Niederrhein und verschiedene FFH- und Naturschutzgebiete. Bedarf und Alternativen wurden allerdings nur unzureichend geprüft.

Übersichtskarte ZEELINK.

Das Vorhaben

Ein Konsortium der Projektpartner Open Grid Europe GmbH (75 Prozent) und Thyssengas GmbH (25 Prozent) will insgesamt 600 Millionen Euro in den Bau einer neuen Erdgasfernleitung investieren. Diese soll Nordrhein-Westfalen von Lichtenbusch (bei Aachen) über Sankt Hunert bei Krefeld bis Legden (Ahaus) auf einer Länge von etwa 215 Kilometer durchqueren. Des Weiteren soll bei Lichtenbusch eine Verdichterstation gebaut werden.

Begründet wir der Neubau mit der Umstellung der Gasinfrastruktur vom niedrig kalorischen L- auf das hochkalorische H-Gas. Denn die Förderung von L-Gas soll nach Betreiberangaben bis 2030 um etwa 90 Prozent sinken, vor allem wegen zurückgehender Erdgasfördermengen aus Deutschland und den Niederlanden. Dies mache neben der Umstellung der Anlagen bei den Haushalts-, Gewerbe- und Industriekunden auch ein neues Gasnetz notwendig. Die ZEELINK Fernleitung soll ein zentraler Teil dieser Umstellung sein.

 

Der Bau einer Pipeline ist mit erheblichen Umweltauswirkungen verbunden. (Quelle: Open Grid Europe)

Brauchen wir die Leitung überhaupt?

Auch wenn die absolute Priorität bei einer Halbierung des Primärenergiebedarfs liegen muss, wenn die Klimaschutzziele erreichbar bleiben sollen, steht die Sinnhaftigkeit der Nutzung von Erdgas zur Erzeugung von Strom und Wärme zur Ergänzung der Energiewende steht außer Frage. Allerdings konnten die Betreiber weder im Raumordnungsverfahren noch im Planfeststellungsverfahren einen Bedarf begründen.

Die Möglichkeit, die zusätzlich erforderliche Import-Kapazität von H-Gas über eine neue Leitung dadurch zu substituieren, dass H-Gas in Konvertern zu L-Gas umgewandelt und über das schon vorhandene L-Gas-Netz verteilt wird, wurde schlichtweg ignoriert. Dabei werden im Netzentwicklungsplan Gas 2016-2026  zwei realisierte Konvertierungsanlagen in Deutschland als wirtschaftlich sinnvoll dargestellt.

Dennoch wird die Konvertierung von H-Gas zu L-Gas ohne genaue Begründung zurückgewiesen: „Eine Konvertierung zur dauerhaften und vollständigen Versorgung von L-Gas-Gebieten wird nicht betrachtet, da dies nach Auffassung der Fernleitungsnetzbetreiber keine gesamtwirtschaftlich sinnvolle Alternative darstellt.“ (aus NEP Gas, S. 131 oben). Für die Naturschutzverbände ist dies ist keine nachvollziehbare Basis für die Begründung des Baus von ZEELINK.

Warum – aufgrund der Umstellung von L-Gas auf H-Gas - eine völlig neue und vom bisherigen Gasnetz unabhängige und parallel zu betreibende neue Gasleitung mit erheblichen Umweltauswirkungen erforderlich sein soll, ist somit nach wie vor nicht nachvollziehbar. 

Die FFH-Anhang IV-Art Biber (Castor fiber) wurde nur unzureichend erfasst.

Mangelhafte Untersuchungen zum Artenschutz

Nach Auffassung der Naturschutzverbände sind die im Planfeststellungsverfahren vorgelegten Antragsunterlagen und Untersuchungen zu den Auswirkungen des Eingriffs durch den Pipeline-Neubau erkennbar unvollständig und oberflächlich.

Insbesondere auch bei den artenschutzrechtlichen Prüfungen gibt es große Defizite. Das beginnt schon mit der Kartierung geschützter Arten, wie zum Bespiel den Fledermäusen oder der Haselmaus. Fledermäuse werden nicht nur durch den baubedingten Verlust von Quartieren beeinträchtigt, sie reagieren auch sensibel auf Baulärm ( - auch im Ultraschallbereich -) und Vibrationen. Trotzdem wurden die im Suchraum vorkommenden Fledermäuse nur sehr unvollständig, und wenn doch, methodisch zweifelhaft erfasst.

Das gilt auch für den Biber. Er ist mittlerweile sowohl im Kreis Heinberg und an der Niers wieder beheimatet. Durch den Bau der Gasleitung sind Grundwasserabsenkungen nicht ausgeschlossen, die sich wiederum negativ auf den Biber-Lebensraum auswirken können.

Nicht europarechtlich geschützte Arten, die gleichwohl für die Beurteilung der ökologischen Wertigkeit der betroffenen Gebiete besonders bedeutsam sind, wurden de facto gar nicht untersucht. Auf weiten Strecken der geplanten Trasse fehlt zum Beispiel jeglicher Nachweis von Brutvogel-Vorkommen.

 

Auch der Kiebitz wird potenziell durch den Leitungsbau beeinträchtigt. (G. Wietschorke/pixabay)

FFH-Verträglichkeit nicht erwiesen

Die Auswirkungen der geplanten Erdgasleitung auf vier Natura-2000-Gebiete wurden vom Antragsteller geprüft. Insgesamt sind die Prüfungen aber nicht geeignet, die Verträglichkeit des geplanten Vorhabens mit den Natura-2000-Schutzzielen nachzuweisen. 

Vogelschutzgebiet Unterer Niederrhein: Eine Beeinträchtigung der Schutzziele ist nicht mit ausreichender Sicherheit auszuschließen. Insbesondere die Prüfung der baulichen Auswirkungen auf Brut- und Rastvögel wie Feldlerche, Wiesenpieper oder Kiebitz fand gar nicht erst statt. Auch die Vermeidungsmaßnahmen im Hinblick auf den Wachtelkönig sind unzureichend. Betriebsbedingte Beeinträchtigungen der rastenden arktischen Gänse, insbesondere durch Hubschrauberflüge, wurden unzureichend bewertet.

FFH-Gebiet Rhein-Fischschutzzonen: Für dieses Gebiet wird lediglich eine FFH-Vorprüfung vorgelegt, die zu dem Ergebnis kommt, das Vorhaben sei mit dem Schutzziel verträglich. Hierzu wird insbesondere auf die Entfernung des Vorhabens zu den Teilflächen des Schutzgebietes sowie auf entsprechende Vermeidungsmaßnahmen verwiesen. Nach Ansicht der Naturschutzverbände ist dies angesichts der geplanten offenen Rheinquerung in keiner Weise ausreichend. Die Naturschutzverbände befürchten negative Auswirkungen insbesondere in Bezug auf Langdistanzwanderfische wie den Lachs, aber auch im Hinblick auf das Flussneunauge.

FFH-Gebiet "Tote Rahm": Die Naturschutzverbände lehnen eine Flächeninanspruchnahme im FFH-Gebiet ab und fordern, das gesamte FFH-Gebiet geschlossen zu queren, auch mit Blick auf eine sonst mögliche Einschränkung der zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten. 


FFH-Gebiet "Berkel": Die Naturschutzverbände fordern in Bezug auf die Berkel eine geschlossenen Querung des gesamten Entwicklungskorridors, so das eine positive Entwicklung sowohl in gewässerökologischer Hinsicht (vgl. Kap. Wasserrahmenrichtlinie) als auch naturschutzfachlicher Hinsicht auch über den bisherigen Status Quo hinaus möglich bleibt. 

(D. Jansen)

Verstoß gegen Wasserrahmenrichtlinie

Das Bundesverwaltungsgericht stellt in seinem Urteil vom 28.04.2015 klar, dass die Belange der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), namentlich das Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot im Rahmen von Infrastrukturprojekten nachvollziehbar aufgezeigt und beurteilt werden müssen. Eine entsprechende allgemein anerkannte Methodik hierzu existiert derzeit nicht. Gleichwohl sind in den vorliegenden Verfahren die Belange der WRRL zu berücksichtigen. Der Vorhabenträger legt daher für die verschiedenen Planfeststellungsabschnitte „Fachgutachten Wasserrahmenrichtlinie“ vor. Dies wird von den Naturschutzverbänden begrüßt. Bedauerlich ist hingegen die Qualität der Fachbeiträge, die leider in weiten Teilen nicht die erforderliche Prüftiefe aufweisen.

Bewirtschaftungsziele beziehen sich auch auf nicht berichtspflichtige Gewässer. Eine Beschränkung des Prüfumfanges bei nichtberichtspflichtigen Gewässern ist daher nicht nachvollziehbar. Zu untersuchen sind alle Gewässer im Trassenbereich. 

Generell steht das geplante Vorhaben dem Verbesserungsgebot an allen Gewässern entgegen, die offen gequert werden sollen. Aber auch bei einer geschlossenen Querung ist nicht unbedingt davon auszugehen, dass kein Konflikt mit dem Verbesserungsgebot besteht. Die Naturschutzverbände fordern daher zwingend eine geschlossene Querung mindestens aller Gewässer samt Entwicklungskorridor laut Blauer Richtlinie, bei denen geplante oder vorhandene so genannte Strahlursprünge oder Trittsteine im Querungsbereich liegen. Das sind:

  • Holtwicker Bach
  • Schwarzer Vennbach
  • Wichersbach
  • Drüptsche Ley
  • Heidecker Ley
  • Jüchener Bach
  • Schwarzer Graben
  • Baaler Bach (Nysterbach)
  • Malefinkbach
  • Linnicher Mühlenteich (Mühlengraben)
  • Gereonsweiler Fließ (Puffendorfer Fließ)
  • Freialdenhovener Fließ
  • Hoengener Fließ 

Bei vergleichbaren Rohrleitungs-Planungen waren nach der Verlegung der Leitung teils dramatische Absenkungen des Grundwasserpegels mit schweren Schäden an wertvollen Feuchtbiotopen (= Verschlechterung des mengenmäßigen Zustandes des Grundwassers) feststellbar.
Die Naturschutzverbände halten eine Beweissicherung des Grundwasserzustands vor Beginn der Baumaßnahmen einerseits, ein Jahr nach Ende der Baumaßnahmen und 10 Jahre nach Ende der Baumaßnahmen an allen Feuchtgebieten für nötig, um zunächst unerkannte Beeinträchtigungen des Wasserstands in derartig wertvollen Biotopen ermitteln zu können. 

Weitere Planungsmängel

Hinzu kommen zahlreiche weitere Defizite, vor allem in Bezug zum Landschaftspflegerischen Begleitplan.Dies betrifft die Inanspruchnahme von Wald, die Beeinträchtigung gesetzlich geschützer Biotope und Fragen der Kompensation des Eingriffes. Diese sind im Detail in der Stellungnahme der Naturschutzverbände vom 2.11.2017 nachzulesen.

Insgesamt erwecken die Antragsunterlagen den Eindruck, dass sie unter hohem Zeitdruck erstellt wurden. Den naturschutzfachlichen Ausarbeitungen und den Unterlagen zum Gewässer- und Artenschutz fehlen wichtige Informationen, die Bewertung der Auswirkungen ist z.T. sehr oberflächlich und dadurch unzureichend.

Die Naturschutzverbände gehen davon aus, dass die Genehmigungsbehörden trotz der engen Zeitplanung des Antragstellers keine Kompromisse bei der Qualität der Antragsunterlagen akzeptieren werden und keine Genehmigungen erteilen sofern die genehmigungsrelevanten Aspekte nicht schlüssig und vollständig im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens abgearbeitet sind. 

Ein Verschieben wesentlicher Punkte in die Ausführungsplanung wird von den Naturschutzverbänden abgelehnt - auch wenn dies bedeutet, dass aufgrund des erheblichen Überarbeitungsbedarfes der vorliegenden Unterlagen eine zweite Offenlage erforderlich wird. 

 

Stellungnahme der Naturschutzverbände

Die NRW-Naturschutzverbände haben im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens für die ZEELINK-Leitung eine umfangreiche Stellungsnahme erarbeitet.

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Projektbroschüre des Vorhabensträgers

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