BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Strukturwandel im Braunkohlenrevier: Naturschutzverbände kritisieren falsche Weichenstellungen

03. September 2020 | Braunkohle, Energiewende, Freiraumschutz, Klima & Energie, Kohle, Lebensräume, Nachhaltigkeit, Naturschutz

BUND, LNU und NABU fordern eine ökologisch nachhaltige Regionalentwicklung

Die Verbände fordern ein Biotopverbundsystem zur Vernetzung der Waldflächen und Offenlandstrukturen im Revier. [Foto: Dirk Jansen]

Auf heftige Kritik der NRW-Naturschutzverbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) sowie Naturschutzbund Deutschland (NABU) stößt der Entwurf der Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) für ein Wirtschafts- und Strukturprogramm (WSP 1.0) zum Strukturwandel im Rheinischen Revier. Zwar gebe es auch aus Sicht des Naturschutzes einige gute Ansätze in dem Konzept. Summa summarum sollen aber die alten Strukturen gefestigt, wirklich nachhaltige Projekte ausgebremst und Beteiligungsrechte ausgehöhlt werden. Damit werde die Planung dem eigenen Anspruch, eine zukunftsweisende Modellregion im Rheinischen Revier zu entwickeln bisher nicht gerecht.  

Die Verbände kritisierten insbesondere den Ansatz, die Region zu einer Modellregion für alle möglichen Wirtschafts- und Industriezweige zu machen. Letztendlich solle die Region als neue Industrie- und Energiemetropole in NRW etabliert und dafür alle Hindernisse konsequent aus dem Weg geräumt werden. Dafür würden bereits jetzt Vorfestlegungen getroffen und Fakten geschaffen. So seien bereits vor Verabschiedung des Kohleausstiegsgesetzes und des Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen (InvKG) über 80 Projekte zur Förderung vorgeschlagen worden, ohne dass dafür ein Konzept für die gesamträumliche Entwicklung oder zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele zugrunde gelegt wurde. „Für zahlreiche fragwürdige Verkehrsplanungen - darunter 14 Ortsumgehungen für zumeist kleinere Ortschaften - wurden ohne vorherige Gesamtplanung bereits über verschiedene Gesetze der Bedarf beziehungsweise die Finanzierung beschlossen“, sagte Holger Sticht, Landesvorsitzender des BUND. „Ein derartig planloses Vorgehen auf Zuruf einzelner Interessensvertreter ist alles andere als modellhaft.“

Die Modellregion soll nach dem WSP gesetzlich verankert werden, unter anderem auch zur Planungsbeschleunigung. Damit sollen nicht nur demokratisch legitimierte Planungswege umgangen, sondern auch gesetzliche Vorgaben der Regionalplanung und Bauleitplanung aus dem Weg geräumt werden, so die Verbändekritik. Damit würden auch Naturschutzstandards ausgehebelt. Als Beispiele nannte die Verbände die Einschränkung der Beteiligungsmöglichkeiten und -rechte oder den generellen Verzicht auf die Umweltprüfung für Bebauungspläne im Rheinischen Revier selbst bei großflächigen Gewerbe- und Industrieplanungen, bei denen erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft vorprogrammiert sind.

„Das ignoriert systematisch demokratische Ziele und Strukturen und ist vollkommen inakzeptabel. Wir lehnen es entschieden ab, dass allein wirtschaftliche Interessen für die Planung einer ganzen Region maßgeblich sein sollen“, kritisiert Mark vom Hofe, Vorsitzender der LNU NRW. „Die Planung der Zukunft für das Rheinische Revier hat eine hohe gesamtgesellschaftliche Bedeutung und stellt grundlegend auch die Weichen für die weitere Entwicklung von Natur und Landschaft in der Region. Die ökologische Nachhaltigkeit muss zentrales Element im Planungsprozess sein.“ Vorbildlich im Sinne einer Modellregion für den Strukturwandel in ganz Europa wäre es, neue innovative Strategien zur Konfliktbewältigung zu entwickeln, die die Potenziale verschiedener Handlungsfelder wie Klima- und Naturschutz zusammenführen.

Die Naturschutzverbände fordern für eine zukunftsfähige Planung für das Rheinische Revier, dass der Natur- und Freiraumschutz ein zentraler Bestandteil von Leitbildern bis hin zu Maßnahmen und zur Projektentwicklung wird. „Das Strukturstärkungsgesetz sieht Projekte im Förderbereich Naturschutz und Landschaftspflege ausdrücklich vor. Hier haben Land und Region ganz klar eine besondere Verantwortung, um Möglichkeiten für den Naturschutz zu schaffen, diese Fördergelder auch nutzen zu können. Das werden die Naturschutzverbände nachdrücklich einfordern“, erklärte Dr. Heide Naderer, Vorsitzende des NABU NRW.

Wirklich zukunftsweisend, so BUND, LNU und NABU, wären neue Maßstäbe für eine regionale grüne Infrastruktur und neue Wege, den Ausbau erneuerbarer Energien mit dem  Naturschutz in Einklang zu bringen. Ein regionales Biotopverbundsystem zur Vernetzung und Entwicklung der wenigen Waldflächen sowie die Sicherung der noch unzerschnittenen Bördelandschaften mit ihren landesweit wichtigen Vorkommen von Feldvogelarten müssten da an erster Stelle stehen. Auch der gewässerbezogene Biotopverbund und der Schutz der kulturlandschaftlich wertvollen Bereiche sollten Schwerpunkte für den Naturschutz im Rheinischen Revier sein. Um die Folgen des jahrzehntelangen Rohstoffabbaus und des Klimawandels langfristig zu bewältigen, halten die Naturschutzverbände außerdem eine Gesamtplanung zum Wassermanagement in der Region für unerlässlich.

Daneben erneuerten die Naturschutzverbände ihre grundlegende Kritik an der Struktur der Zukunftsagentur Rheinisches Revier. Diese erlaube keine Mitbestimmung der Zivilgesellschaft und Entscheidungen würden von einem einseitig besetzten Aufsichtsrat ohne gesellschaftliche Legitimation getroffen.

 

Stellungnahme der Naturschutzverbände zum WSP 1.0

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