BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Kerosin-Leck bei Shell: Regelungsdefizit bei Altanlagen – Chaos bei den Vorgaben

17. Juli 2012 | Chemie

Bezirksregierung Köln beantwortet BUND-Anfrage

„Fristgerecht, umfassend, korrekt, sehr erhellend und höchst brisant,“, so kommentierte Paul Kröfges, Landesvorsitzender des BUND, die Antworten der Bezirksregierung Köln auf die Anfrage des BUND zum Leck in der Kerosinleitung der Fa. Shell in Wesseling. Der Umweltverband hatte am 7. Juni eine umfassende Anfrage nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) eingereicht, um die Versäumnisse und Hintergründe des gravierenden Vorfalls in der Shell-Raffinerie aufzuklären.

Nach intensiver Auswertung  der Antworten zeigt sich der BUND zufrieden. Mit der UIG-Anfrage sei ein wichtiger Erkenntniszuwachs bewrkt worden.

  1. So ist die Bezirksregierung unmittelbar nach Eingang der Anfrage konsequenter gegen Shell vorgegangen und hat mittels Ordnungsverfügung u.a. den Bau eines Abwehrbrunnens zur Schadensbegrenzung vorgegeben  – so wie der BUND das gegenüber Shell frühzeitig gefordert hatte.
  2. Die Bezirksregierung stellt dar, dass einerseits neue Leitungen nur noch mit höchsten Sicherheitsauflagen, d.h. „nicht mehr als einwandige Leitungen, es sei denn in Schutzrohren verlegt“ werden dürfen, andererseits alte Leitungen und Anlagen, wie die betroffene Kerosinleitung von Shell , Bestandsschutz genießen! Diese Leitung von 1942 wurde auf Grund firmeneigener Bewertung (Rheinische Braunkohlenwerke AG) 1986 als“ neuwertig“ akzeptiert.
  3. Alte Leitungen gelten demnach als sicher, wenn 2 jährige externe Überprüfungen, z.B. durch den TÜV, erfolgen und bestimmte Anforderungen, wie Isolierung und Korrosionsschutz erfüllt werden.
    Eine kontinuierliche und ausreichend empfindliche Leckage - Überprüfung, die nach dem Stand der Technik möglich wäre,  wurde nicht verlangt.
  4. Die Bezirksregierung gibt zu, dass Weiterentwicklungen im Stand der Technik bei der Rohrleitungsüberwachung bisher nicht eingefordert wurden und verweist hierzu auf das „Verhältnismäßigkeitsprinzip“. Sie prüft aber (erst jetzt) ob solche Maßnahmen gegenüber dem Betreiber nachträglich durchsetzbar wären.
    Hier besteht offensichtlich ein erhebliches Regelungsdefizit!
  5. Die alte Leitung wurde bis zum aktuellen Schadensfall nach einer technischen Regel (TRbF 302) überwacht, die auf der Verordnung über brennbare  Flüssigkeiten aufbaute. Seitdem gilt die Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (VAwS). Beide Regelungssysteme sahen und sehen keine ausreichend genauen Leckage - Erkennungssysteme vor und nennen hierfür nur Beispiele, so die Messung von relevanten Betriebsdaten, wie das von Shell eingesetzte Mengenvergleichsverfahren. Bekanntlich zeigte dieses  erst mit mehrwöchiger Verspätung den Verlust von 846 Tonnen Kerosin ansatzweise  an.  Auch hier, bei den Überwachungsvorgaben besteht also ein erhebliches technisches Defizit!
  6. Bei Neuanlagen sind - nach Veröffentlichung der technischen Regeln für Rohrfernleitungen (TRFL) - Systeme zur automatischen Erkennung von Schleichleckagen einzusetzen.  Für bestehende, einwandige Rohrleitungen nach VAwS und den hierzu erlassenen Regeln sind diese nicht zwingend vorgeschrieben. Deren Sicherheit soll durch die Prüfungen und die technische Ausstattung – Isolierung, Korrosionsschutz – gewährleistet sein, was offenkundig nicht funktionierte.
    Klare Konsequenz hieraus:  Anpassung aller Regeln, die Rohrleitungen mit problematischen Stoffen betreffen, an den Stand der Technik unter Berücksichtigung neuester Erkenntnisse.
  7. Die Lage der Messstellen (Sondierungen) und die zugehörigen Analysen der Boden- und Grundwasserproben zeigen ein erhebliches Ausmaß der Belastungszone, die (mittlerweile mit Sicherheit) deutlich über die genannte Fläche von 120 m² hinausgeht. Da es immer noch nicht den geforderten Abwehrbrunnen gibt, wächst die Gefahr, dass die Verunreinigungsfahne im Grundwasser noch breiter wird.
    Es liegen hohe Belastungen mit einfachen (aliphatischen) Kohlenwasserstoffen, aber auch mit begleitenden, noch unangenehmeren Verbindungen wie Xylol, Toluol und PAK (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffen)  vor, die auch aus den verwendeten Additiven des Kerosins stammen, über die Shell anfangs keine Angaben machen konnte.

Der BUND leitet aus den Antworten einen erheblichen Verbesserungs- und Korrekturbedarf der geltenden Gesetzes- und Verordnungslage ab. Landesvorsitzender Kröfges hierzu: „Nach Lage der Dinge haben Betreiber und Behörde sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewegt, trotzdem – oder gerade deswegen ereignete sich dieser schwere Umweltschaden. Hier ist einiges falsch und unzureichend geregelt, das muss korrigiert werden!“

Kröfges forderten die Umwelt- und Wirtschaftsminister des Landes daher mit Blick auf zahlreiche Altanlagen und überalterte Leitungssysteme auf, entsprechende  Konsequenzen in der Überwachung zu ziehen und vor allem den Stand der Technik einzufordern.

Es  sei unmittelbar erkennbar, welche erheblichen Lücken, Widersprüche und Defizite die bestehenden Regeln (Gesetze und Verordnungen) zur Überwachung von Rohrleitungssystemen haben. Kröfges: „Die Landesregierung ist aufgefordert hierzu eine bundesrechtliche Initiative zu ergreifen.“

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