Im Zusammenhang mit der jetzt bekannt gewordenen Einleitung erheblicher Mengen giftigen Löschwassers aus der Explosion der Currenta-Sonderabfallverbrennungsanlage in Leverkusen wirft der nordrhein-westfälische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) der Bezirksregierung Köln, dem Landesumweltamt (LANUV) und dem Umweltministerium mangelnden Aufklärungswillen vor.
„Ausgelöst durch unsere Anfragen nach dem Umweltinformationsgesetz und die Recherchen des WDR kommen die tatsächlichen Umstände rund um die verheerende Explosion ans Licht. Wir müssen davon ausgehen, dass neben anderen Giftstoffen insgesamt etwa 60 bis 70 Kilogramm des Insektengiftes Clothianidin in den Rhein gelangt sind", sagt der BUND-Gewässerschutzexperte Paul Kröfges. „Dabei hatten sowohl Currenta als auch die Behörden nach außen den Anschein erweckt, das schadstoffbelastete Löschwasser könnte zurückgehalten werden.“
Nach der schweren Explosion in der Currenta-Sondermüllverbrennungsanlage am 27. Juli 2021 sah sich der Betreiber offenbar gezwungen, mit Wissen und Billigung der Behörden erhebliche Mengen des mit Chemiegiften belasteten Löschwassers in die Kläranlage Bürrig einzuleiten. Diese ist jedoch nicht in der Lage, solche Problemstoffe abzubauen. Daher wurde der Rhein über Tage hinweg durch den Kläranlagenablauf u.a. mit dem Insektizid Clothianidin, fluorierten Verbindungen (PFAS bzw. PFT) und anderen noch unbekannten Stoffen belastet.
„Der Ärger ist besonders bei den Niederländischen Wasserwerken groß, da Currenta und die Behörden auf Grund internationaler Rhein-Vereinbarungen diese Einleitung giftiger Stoffe unmittelbar hätten mitteilen müssen, was nicht erfolgte“, so Kröfges. Stattdessen sei über vier Monate nach der Explosion hinweg der Eindruck erweckt worden, dass es gelungen sei, das schadstoffbelastete Löschwasser zurück zu halten und gesondert zu entsorgen.
Erst mit großer Verzögerung hatten die Behörden einen Teil der problematischen Rhein-Überwachungsergebnisse im öffentlich zugänglichen System ELWAS hinterlegt, wie die BUND-Recherche ergab. Der BUND hatte daraufhin am 3. Dezember auch die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) über die auffälligen Werte informiert. „Leider wurde auch hier die Brisanz der Messwerte nicht unmittelbar erkannt“, erklärt BUND-Experte Kröfges, der den BUND als Beobachter in der IKSR vertritt. „Die Wasserbehörden im Lande funktionieren offenbar nur mit Zeitverzögerung und nur auf öffentlichen Druck. Über diese Gifteinleitung in den Rhein hätten die Öffentlichkeit und die Wasserversorger unmittelbar informiert werden müssen. Dafür gibt es ja den internationalen Warn- und Alarmplan der IKSR.“
Dass jetzt die Firma Currenta behauptet, es seien „keine Grenzwertüberschreitungen“ festgestellt worden, hält Kröfges für „eine unverantwortliche Verharmlosung“. In NRW gelten für (gereinigtes) Abwasser Orientierungswerte für perfluorierte Verbindungen in der Summe von 1 Mikrogramm pro Liter (µg/l). An mindestens vier Tagen im August lagen die Werte aber deutlich über 10 µg/l. Und Clothianidin ist ein verbotenes, extrem giftiges Insektizid (Neonicotinoid). Für einen ähnlichen Stoff, Imidacloprid, gelten Umweltqualitätswerte im Wasser von 0,002 µg/l - der gewaltige Abwasserstrom von Currenta in den Rhein (über 120.000 Kubikmeter am Tag), war hingegen über Tage hinweg mit 100 µg/l Clothianidin belastet. Dies ist trotz Verdünnung im Rhein nicht akzeptabel.
Auch im Hinblick auf den geplanten Wiederaufbau der Anlage stellen sich nach Ansicht des BUND jetzt zahlreiche weitere Sicherheitsfragen. „Wir haben bereits weitere Anfragen nach dem Umweltinformationsgesetz eingereicht, um den Sachverhalt aufzuklären“, sagt der BUND-Wasserexperte Kröfges. „Auch der Landtag ist gefordert, an der lückenlosen Aufarbeitung des Störfalls mitzuwirken.“