BUND fordert Stopp des Braunkohlentagebaus Hambach

11. April 2012 | Kohle, Braunkohle, Klima & Energie, Hambach

Umfangreiche Stellungnahme belegt Unzulässigkeit der Fortführung des Tagebaus / Neue Klage in Vorbereitung

Der nordrhein-westfälische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland startet einen neuen Anlauf zum Stopp des Braunkohlentagebaus Hambach im Rheinland. Der Umweltverband reichte jetzt bei der Bezirksregierung Arnsberg als zuständiger Genehmigungsbehörde eine  mehr als 100seitige Stellungnahme zu den Anträgen der RWE Power auf Zulassung zweier Betriebspläne zur Fortführung des Tagebaus  ein. Der BUND kündigte an, sich für den Fall einer rechtswidrigen Zulassung auf eine Klage vorzubereiten.

Die RWE Power AG hatte bei der Bezirksregierung einen Antrag auf Zulassung eines 3. Rahmenbetriebsplans zur Fortführung des Tagebaus Hambach von 2020 bis 2030 eingereicht. Dieser umfasst eine Fläche von 924 Hektar, darunter 226 ha wertvollster Waldflächen des Hambacher Forstes. 142 artenschutzrechtliche bedeutsame Tierarten, darunter 12 streng geschützte Fledermausarten, würden damit ihren Lebensraum verlieren. RWE Power legte deshalb auch einen Sonderbetriebsplan vor, mit dem eine Ausnahme von den europarechtlichen Vorgaben zum Schutz der Tierarten beantragt wird. Nach geltendem Recht ist eine solche Ausnahmeregelung nur für den seltenen Fall zulässig, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an dem Vorhaben nachgewiesen wird, keine Alternativen existieren und die betroffene Tierarten durch geeignete Ausgleichsmaßnahmen nicht in ihrem Bestand gefährdet werden.

„Der Tagebau zerstört ein einzigartiges Waldgebiet von europäischem Rang und weitere 2.000 Menschen sollen ihre Heimat verlieren. All das für den klimaschädlichsten aller Energieträger, der zudem in immer weniger benötigten ineffizienten und unflexiblen Grundlastkraftwerken verfeuert werden soll. Ein größerer Verstoß gegen das Allgemeinwohl ist nicht vorstellbar“, sagte Paul Kröfges, Landesvorsitzender des BUND. Das öffentliche Interesse am Klima- und Naturschutz und die Grundrechte der Betroffenen müssen endlich höher gewichtet werden, als die rein betriebswirtschaftlichen Interessen der RWE Power AG.

Der BUND hatte bereits durch alle Instanzen bis hin zum Bundesverfassungsgericht gegen die 1995 erfolgte Zulassung des 2. Rahmenbetriebsplanes für die Fortführung des Tagebaus bis 2020 geklagt  - und verloren. Dennoch rechnet sich BUND-Rechtsanwalt Dirk Teßmer jetzt gute Chancen aus.  „Aufgrund neuer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs  zur Reichweite von europäischen Richtlinien zum Schutz von Natur und Umwelt sowie erweiterter  Rechtsschutzmöglichkeiten von Umweltverbänden kommt der Tagebau neu auf den Prüfstand. Einen Bestandsschutz aufgrund uralter Genehmigungen des Braunkohlenplans Hambach gibt es nicht mehr.“ Letztere hatten im Verfahren gegen den 2. Rahmenbetriebsplan zur Abweisung der BUND-Klage geführt, wobei die Gerichte nach damaliger Rechtslage keine materielle Prüfung der Vereinbarkeit des Tagebaus mit umweltschützenden Vorschriften vorgenommen hatten. Nach der aktuellen Rechtsprechung des EuGH ist es aber nicht mehr zulässig, ungeprüft erhebliche Eingriffe in Schutzgüter der Fauna-Flora-Habitat-(FFH-)Richtlinie zu vollziehen. Gleiches gilt, wenn Vorhaben mit gravierenden Umweltauswirkungen auch 25 Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung  aufgrund neuer behördlicher Entscheidung fortgesetzt werden, ohne dass die Umweltverträglichkeit überprüft wird. Beides aber ist im vorliegenden Fall gegeben.

Der Tagebau Hambach ist unstreitig mit erheblichen Auswirkungen auf Natur und Umwelt verbunden. Der Hambacher Forst erfüllt wegen seiner einzigartigen Naturausstattung alle Kriterien für die Ausweisung als Natura 2000-Gebiet der FFH-Richtlinie. Unzulässigerweise war er aber aus Rücksichtnahme auf RWE Power nicht als solches nach Brüssel gemeldet worden. Unabhängig davon gelten die Artenschutzbestimmungen uneingeschränkt. Insbesondere die seltene Bechsteinfledermaus würde mit der Fortführung des Tagebaus und der weitgehenden Vernichtung ihres einst mehr als 4.000 Hektar großen Lebensraums des Hambacher Forstes vom Aussterben bedroht.

„RWE Power  räumt diesen gravierenden Konflikt mit dem Artenschutz ein“, konstatierte Dirk Jansen, BUND-Geschäftsleiter in NRW. „Durch untaugliche Maßnahmen wie die Umgestaltung intensiv landwirtschaftlich genutzter Flächen außerhalb des Tagebaus soll ein Ersatzlebensraum geschaffen und damit diese Hürde genommen werden. Das kann nicht funktionieren.“  Der seit der Nacheiszeit existierende Hambacher Forst mit seinen einzigartigen Lebensraumtypen könne nicht durch Kunstlandschaften ersetzt werden. Ein Auslöschen der Bechstein-Fledermaus-Population im Rheinland sei unvermeidbar, wenn sich der Tagebau weiter durch die Landschaft fresse. Da die Fortführung des Tagebaus auch aus Gründen des Klimaschutzes gemeinwohlschädlich sei und es auch längst energiewirtschaftliche Alternativen gebe, sei  die jetzt von RWE Power beantragte Ausnahme von den gesetzlichen Artenschutzbestimmungen unzulässig.

Im Endergebnis, so der BUND, müsse die zuständige Bergverwaltung bei der Bezirksregierung Arnsberg die RWE Power-Anträge ablehnen. Gleichzeitig appellierten die Umweltschützer an die wahlkämpfenden Landespolitiker, „den wohlfeilen Reden vom Klimaschutz und dem Erhalt der Artenvielfalt zukünftig auch durch entsprechendes Regierungshandeln nachzukommen“. Sollte dem BUND-Antrag auf Abweisung der Betriebspläne nicht zugestimmt werden, sei  eine Klage gegen die Landesregierung sehr wahrscheinlich.

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