BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Amazon-Logistikzentrum in Horn-Bad Meinberg: BUND reicht Klage ein

23. März 2023 | Freiraumschutz, Landesplanung, Lebensräume, Naturschutz

23 Hektar Komplettversiegelung

"Kein Platz für Amazon!" [Foto: N. Heithecker/BUND] "Kein Platz für Amazon!" [Foto: N. Heithecker/BUND]

Der nordrhein-westfälische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat beim Oberverwaltungsgericht des Landes NRW in Münster einen Antrag auf Normenkontrolle wegen des Bebauungsplans BE 10 - "Der Industriepark Lippe" der Stadt Horn-Bad Meinberg eingereicht. Die Klage richtet sich vor allem gegen den Bau eines neuen Logistikzentrums des US-Konzern Amazon. Dafür sollen 23 Hektar zuvor überwiegend landwirtschaftlich genutzter Flächen komplett versiegelt werden. Allein das Gebäude weist eine Grundfläche von mehr als 5 Hektar auf. Der Umweltverband befürchtet durch das Projekt massive Eingriffe in den Natur- und Wasserhaushalt und unzulässig hohe Belastungen der Bevölkerung durch zusätzliche Lieferverkehre. Ziel der Klage ist die Aufhebung des Bebauungsplans als bauplanungsrechtliche Grundlage des bereits begonnenen Projekts.

"Der Bau des gigantischen Amazon-Logistikzentrums widerspricht allen politischen Bekundungen zur Reduktion des Flächenverbrauchs und ist ein schwerer Rückschlag für den Schutz der Biodiversität in der Region“, sagte der BUND-Landesvorsitzende Holger Sticht. „Die Planungen und die bisherigen Bauarbeiten wurden ohne Rücksicht auf geltende Rechtsvorschriften durchgeführt. Deshalb sahen wir uns zum Handeln gezwungen.“

Laut BUND wurden unter anderem die Vorgaben des übergeordneten Flächennutzungsplans missachtet, ebenso verschiedene Landschaftsschutzgebiets-Verordnungen (Beller Holz und Niederbeller Bach, …).  Zudem gebe es massive Eingriffe in die angrenzenden Bachtäler und Biotopverbundflächen. Auch die CO2-relevanten Auswirkungen auf die Klimaschutzziele durch die immense Flächenversiegelung, die extrem klimaschädliche Bauweise und eine dramatische Zunahme des Schwerlast- und Pendelverkehrs seien in der Planung entweder komplett unberücksichtigt gelassen oder beschönigt worden.

Der BUND-Landesverband wird bei seiner Klage durch die BUND-Kreisgruppe Lippe unterstützt, die bereits vor der Genehmigung des Bebauungsplans in umfangreichen Stellungnahmen auf die rechtlichen Konflikte hingewiesen hatte. Die BUND-Aktiven vor Ort kritisieren so zum Beispiel die Zerstörung des so genannten Beller Feldes mit seinen besten Ackerböden und verschiedenen auch angrenzenden kostbaren Lebensräumen. „Die Umsetzung einer dermaßen rücksichtslosen, nur auf die Interessen eines Weltkonzerns ausgerichtete Planung, können wir nicht hinnehmen.“

Der BUND sieht gute Erfolgsaussichten seiner Normenkontrollklage. Die natur- und artenschutzrechtliche Betrachtung des Plangebietes sei defizitär.  Damit seien auch die Folgen der Eingriffe in Natur, Landschaft und den Artenschutz nicht rechtskonform ermittelt worden. Gleiches gelte für die rechtlich vorgeschriebenen Ausgleichsmaßnahmen für die zerstörten Fortpflanzungs- und Ruhestätten der betroffenen Arten.

 

Ausgewählte Fakten zum Projekt:

Gebäudemaße

  • Länge 303 / Breite 186 / Höhe 27,27 m
  • Gebäude-Grundfläche: ca. 51.280m2
  •  Bruttogeschoßfläche 189.995 m² (inkl. Nebengebäude) / 43.603 m² (Lagerbereich auf 4 Ebenen), gestützt von  2.000 Beton-Rammpfählen
  • 791 PKW-Parkplätze für Beschäftigte
  • 220 LKW-Parkplätze
  • zwei Bushaltestellen für öffentlichen Nahverkehr am Gebäude 

Flächenversiegelung

  • 23 ha Komplettversiegelung durch Logistikhalle und Parkraum, das entspricht in etwas dem Drittel der Wirtschaftsfläche eines landwirtschaftlichen Vollerwerbslandwirts in NRW im Jahr 2021 oder 32 Fußballfeldern.
  • Die auf einer ca. 5 ha großen Grundfläche geplante Logistik-Halle mit einer Höhe von (fast) 30 m wird das Landschaftsbild dramatisch verändern
  • Nivellierung von ca. 34 ha Fläche auf eine einheitliche Höhe über NN, stellen einen erheblichen irreversiblen nachteiligen Eingriff in den Natur- und Wasserhaushalt dar

Emissionen

  • Lärm:  Be- und Entladung, LKW- und Kleintransporter-Verkehr sowie Pendelverkehr durch Schichtbetrieb
  • Licht: Schichtbetrieb erfordert Außenbeleuchtung, unverantwortliche Lichtverschmutzung im ländlichen Raum
  • Luftschadstoffe: Abgasemissionen vor allem durch Verkehr

Verkehr

  • Die Verkehrsplanung zum Planungs-Nullpunkt ohne Berücksichtigung weiterer Verkehrsentwicklungen (z. B. durch die Logistik-Ansiedlung) rechnet den Bestandsverkehr im Planungsgebiet fahrlässig klein, da eine wenig aussagefähige Verkehrserhebung im Coronajahr 2020 erfolgte und öffentlich zugängliche Zahlen zum Umgebungsverkehr von Straßen-NRW, die  bereits zum Planungszeitpunkt vorlagen, um mindestens 10% höher lagen.
  • Die vorhandene Infrastruktur besteht aus einer Bundesstraße (B 239) und einem kurzen 280 m langen Zubringer vor der Ortschaft Wöbbel auf eine zweite Bundesstraße, die „Ostwestfalenstraße“ (B 239/252): Durchleitung des gesamten Verkehrs im Planfall zu etwa gleichen Anteilen nach Westen durch die dörflich strukturierte Ortschaft Belle (zusätzlich 1.100 Fahrzeuge/Tag von 5.500 Bestandsverkehr), nach Osten in Richtung des Dorfes Wöbbel (knapp 1.000 Fahrzeuge/Tag von 7.300) bis zu dem benannten kurzen Zubringer, der die restlichen 50% des Logistik-Verkehrs auf die Ostwestfalenstraße in nördlicher (1.100 Fahrzeuge/Tag von 8200) und südlicher (1100 Fahrzeuge/Tag von 10200) Richtung verteilen soll;
  • kein Autobahnanschluss im Umkreis von 46 km (37 – 55km)
  • hauptsächliche Belieferung durch LKW (ca. 440 LKW-Bewegungen am Tag) und zusätzlich einer unbekannten Zahl Lieferwagen/Sprinter des Marketplace-Geschäfts, zusätzlich zweimal täglich Schichtwechsel-Pendelverkehr, gemäß Gutachter insgesamt etwa 3800 PKW-Bewegungen für den Logistiker;
  • allein die Ortschaft Belle bekommt 20% mehr Verkehr und Wöbbel 14% gemäß Gutachter

Entwässerung, Wasserwirtschaft, Hochwasserschutz

  • Der Niederbeller Bach ist Teil eines Biotopverbunds von grünlanddominierten Fließgewässern und Lebensgemeinschaften der Auen. Die herausragende Bedeutung dieser Landschaftselemente wird ignoriert. Die zugrundegelegten Biotopkatasterdaten sind veraltet und stammen überwiegend aus dem Jahr 2006 oder finden sich in Überarbeitung.
  • Hochwasserschutz: Die Hochwassergefahrenkarte des Digitalen Zwilling zum Hochwasserrisiko und den Überschwemmungsgebieten der Ortschaft Wöbbel ist für die Emmer, Napte und den Niederbeller Bach nicht angemessen abgebildet, weil die großflächige Versiegelung durch das Logistikgebäude und die Parkplätze sowie einen Zuwegungsdurchlass unter die Ostwestfalenstraße hindurch zum Ort Wöbbel bei der Simulation der Starkregenereignisse und den dadurch abzuleitenden Wassermassen nicht berücksichtigt werden.

Artenschutz

  • Artenschutz-Erfassungen bei der Bedeutung des Gebietes und der schieren Größe der Bebauung räumlich und zeitlich sowie tier- und planzenartenspezifisch nicht angemessen dimensioniert.
  • Ausgleichsflächen werden nicht wirkraumbezogen bereitgestellt, und die Ausgleichsflächen aus einem sog. „Flächenpool“ sind überwiegend kleiner als 1.000 m² (außer Grünland) und liegen z.T. in 9 km Entfernung!
  • Vorgezogene Ausgleichs-Maßnahmen sind nicht transparent registriert und nicht auf allen Flächen durchgeführt bzw. nicht wirksam durchgeführt worden.

 

 

 

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