Am 26. Januar war der WDR mit seinem Format „Stadtgespräch“ zu Gast im Schützenhaus in Hünxe im Gebiet des sogenannten „Schermbecker Rudels“. Thema des Stadtgesprächs war die Frage „Der Wolf in NRW: Noch fremd oder schon heimisch?“ Schwerpunkt des Abends war fast ausschließlich die Koexistenz von Wolf und Weidetierhaltung, insbesondere bei steigender Wolfspopulation in Deutschland.
Angelika Eckel von der BUND Kreisgruppe Wesel: „Mich erinnerte die Veranstaltung in großen Teilen an die Veranstaltung, die das LANUV zur Bekanntgabe der Einrichtung des Wolfsgebietes Schermbeck im Oktober 2018 durchführte, sowie an mehrere Diskussionen an runden Tischen, an denen ich teilnehmen durfte. Mir scheint, in den letzten 5 Jahren sind wir kein Stück in unserem Umgang mit der Rückkehr des Wolfes weitergekommen.“
Dabei sollte es bei dieser Diskussionsveranstaltung diesmal um die kürzlich veröffentlichte Resolution des EU Parlamentes zur Überprüfung des derzeitigen Schutzstatus für Wölfe, um eine Herabstufung der Art von „streng geschützt“ auf „geschützt“ in den EU-Ländern zu ermöglichen. Der derzeitige Schutz innerhalb der EU basiert auf der Flora-Fauna-Habitat-(FFH)-Richtlinie von 1992. Deutschland hat sich damit dazu verpflichtet, Wölfe auf seinem Hoheitsgebiet streng zu schützen, also dazu beizutragen, für einen günstigen Erhaltungszustand zu sorgen.
Für Weidetierhalter*innen hingegen bedeutet die Rückkehr der Wölfe nun seit 20 Jahren mehr Arbeit. Sie müssen ihre Tiere auf der Weide zusätzlich wolfsicher einzäunen. Bei dieser Aufgabe fühlen sie sich nach wie vor allein gelassen, da sie lediglich das Zaunmaterial erstattet bekommen, nicht aber den zusätzlichen Arbeitsaufwand. Die Weidetierhalter*innen empfinden die Antragstellung für Präventionsmaßnahmen weiter hin als zu bürokratisch. Zudem dauere die Bewilligung eines Antrags zu lange. Angelika Eckel: „Leider stehen sich nach wie vor Weidetierhalter*innen und Politik, bzw. Weidetierhalter*innen und Naturschützer*innen teils konfrontativ gegenüber, anstatt gemeinsam das Problem anzugehen. So vermisse ich bei der Lösungsfindung die Einbeziehung neuer Erkenntnisse aus der Wissenschaft. Außerdem wird stets gefordert, sich an Ländern, die eine Regulierung (Bejagung) des Wolfsbestands zulassen zu orientieren. Dass diese Länder nicht unbedingt das EU-Recht achten und deshalb unter genauer Beobachtung seitens der EU stehen, wird dabei nicht berücksichtigt.“ Genau hier setzt die Resolution einiger Parteien des EU Parlamentes nun an. Um den aufgestellten Forderungen zu entsprechen, müsste die EU-Kommission die FFH-Richtlinie überarbeiten, mit der der Schutz bedrohter Arten geregelt ist.
Aber inwieweit würde eine Regulierung des Wolfsbestandes, also eine Quote von zum Abschuss freigegebenen Wölfen, den Weidetierhalter*innenhelfen? Bei einer Regulierung des Wolfsbestandes wird nur die Anzahl von Wölfen, die gejagt werden darf – nichtbestimmte Individuen – festgelegt. Das heißt, getötet werden nicht unbedingt die Wölfe, die in der Vergangenheit bereits mehrfach Nutztiere gerissen haben. Für Weidetierhalter*innen würde sich also nichts ändern, im schlimmsten Fall sogar verschlechtern, da es zu vermehrten Übergriffen auf Nutztiere kommen kann, wenn ein Elterntier eines Rudels getötet wird. Für eine*n Schäfer*in ist es letztendlich egal, wie viele Wölfe in Deutschland leben, da Herdenschutz in jedem Fall notwendig ist. Weidet eine Herde in einem Wolfsgebiet und finden – trotz wolfsabweisendem Zaun – immer wieder Übergriffe seitens eines Wolfes auf die Weidetiere statt, gilt auch heute schon die Rechtsgrundlage: Für Wölfe, die den standardisierten Grundschutz mehrfach überwunden und Weidetiere gerissen haben, kann eine Abschussgenehmigung per Ausnahmeverfahren erteilt werden. Wichtig ist aber zu wissen: Die meisten Wölfe in Deutschland verhalten sich unauffällig und fressen Wildschweine und Rehwild.
Auch eine Regulierung des Wolfbestandes entbindet die Weidetierhalter*innen daher nicht, ihre Tiere, wie auch im Tierschutzgesetz festgelegt, zu schützen. Aber: Eine aufwandsgerechte, unbürokratische Entschädigung der Weidetierhalter*innen ist dringend geboten. Und vor allem ist die finanzielle Würdigung des Berufs des Schäfers/der Schäferin wie auch der Produkte der Schäferei unumgänglich, wenn wir den Existenzängsten der Schäfer*innen begegnen wollen. Die geringe Bezahlung wichtiger Pflege von Naturschutzflächen durch Schafbeweidung und der niedrige Preis für Schafprodukte treiben viele Weidetierhalter*innen in existentielle Nöte. Begegnen könnte man dieser Problematik mit der Einführung einer Weidetierprämie, wie sie schon länger von Naturschutzverbänden gefordert wird. Dies wäre eine primäre Aufgabe der Politik, auf EU-Ebene und deutschlandweit, und nicht etwa die wenig langfristige Scheinlösung von Wolfsabschüssen.
Kontakt: Dr. Christine Thiel-Bender; christine.thiel-bender@bund.net; 0211 - 30 200 523