Urteil mit weitreichenden Auswirkungen: § 13b Baugesetzbuch verstößt gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht

26. Juli 2023 | Freiraumschutz, Naturschutz

Konsequenz: Sämtliche Pläne zur beschleunigten Bebauung des Außenbereichs sind rechtswidrig

Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sind viele Bebauungspläne im Außenbereich rechtswidrig und können erfolgreich angefochten werden. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sind viele Bebauungspläne im Außenbereich rechtswidrig und können erfolgreich angefochten werden.

Ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in Leipzig hat wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung auch gravierende Auswirkungen auf viele in Nordrhein-Westfalen erlassene Bebauungspläne. Etliche im so genannten "beschleunigten Verfahren" ohne Umweltbericht, Umweltprüfung und Ausgleichsplanung – zugelassene B-Pläne sind damit rechtswidrig und können juristisch angegriffen werden.

Mit Urteil vom 18.07.2023 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig festgestellt, dass § 13b des Baugesetzbuchs (BauGB) mit Unionsrecht unvereinbar ist (4 CN 3.22). Die Entscheidung erging im Ergebnis der Revision eines Urteils des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zu einem Bebauungsplan der Gemeinde Gaiberg. Diese hatte im Außenbereich ein neues Wohngebiet für Einfamilienhäuser geplant. Obwohl die Planung die Rodung und Überbauung einer ökologisch wertvollen Streuobstwiese vorsah, wurde keine „Umweltprüfung“ durchgeführt und kein hinreichender Ausgleich für den Eingriff in die Natur geplant. Aufgrund der 2017 in das BauGB eingeführten Regelung des § 13b sollten diese Maßgaben zum Schutz von Natur und Umwelt im Falle der Realisierung von Wohnbebauung entbehrlich sein.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Landesverband Baden-Württemberg e.V. hatte bereits im Verfahren der Bebauungsplanung auf die mangelnde Vereinbarkeit eines Verzichts auf die Umweltprüfung mit den Vorgaben der sog. „SUP-Richtlinie“ hingewiesen. Nachdem der Bebauungsplan Ende 2019 gleichwohl als Satzung beschlossen wurde, hatte die Frankfurter Kanzlei Philipp-Gerlach und Teßmer für den BUND als Rechtsmittel einen Normenkontrollantrag beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg eingereicht. Dieser hatte im April 2020 im Eilverfahren und nachfolgend im Mai 2022 mit Urteil im Normenkontrollverfahren die Rechtsmittel abgewiesen, aber aufgrund von Zweifeln hinsichtlich der Vorgaben des europäischen Gemeinschaftsrechts die Revision gegen sein Urteil zugelassen.

Im Ergebnis des Revisionsverfahrens war der Normenkontrollantrag des BUND nun erfolgreich: Der Bebauungsplan wurde vom BVerwG für unwirksam erklärt, da dieser auf der für europarechtswidrig erkannten Vorschrift des § 13b BauGB beruhte. [Pressemitteilung des BVerwG].

Urteil bundesweit von grundlegender Bedeutung

Das Urteil betrifft sämtliche Bebauungspläne, die im so genannten „vereinfachten, beschleunigten Verfahren“ eine Wohnbebauung im Außenbereich - insbesondere ohne Umweltbericht, Umweltprüfung und Ausgleichsplanung - ermöglichen soll(te). Noch nicht abgeschlossene Verfahren nach § 13b BauGB müssen danach eingestellt bzw. in das „Regelverfahren“ der Bebauungsplanung gem. §§ 1 ff. BauGB überführt werden.

Das bedeutet, dass fehlende Prüfungen und Planungen durchgeführt sowie in einem ordnungsgemäßen Verfahren behandelt werden und neu beschlossen werden müssen. Die Bedeutung des Urteils erfasst aber auch bereits abgeschlossene Bebauungsplanverfahren. Diese sind sämtlich aufgrund des Verstoßes gegen die Vorgaben der SUP-Richtlinie und des Fehlens der danach erforderlichen Untersuchungen sowie Unterlagen rechtswidrig. Der bzw. die Mängel der Bebauungsplanung müssen allerdings binnen eines Jahres nach öffentlichen Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses schriftlich bei der Gemeinde gerügt werden. Die Gemeinde muss dem Mangel dann abhelfen und die Fehler beseitigen. Außerdem besteht binnen eines Jahres ab der öffentlichen Bekanntmachung die Möglichkeit, nach Maßgabe des § 47 VwGO gegen den Satzungsbeschluss einen Normenkontrollantrag zum  Oberverwaltungsgericht einzureichen.

Jeder zulässige Normenkontrollantrag zieht eine gerichtliche Prüfung u.a. der binnen Jahresfrist geltend gemachten Fehler nach sich. Kommt die gerichtliche Prüfung zu dem Ergebnis, dass ein Bebauungsplan im Verfahren nach § 13b BauGB aufgestellt und beschlossen wurde, wird dies aufgrund des aktuellen Urteils des BVerwG nunmehr grundsätzlich den gerichtlichen Ausspruch der Unwirksamkeit des Bebauungsplans erbringen.

Vielzahl von Bebaungsplänen rechtswidrig

Der BUND NRW geht davon aus, dass auch in NRW in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Bebauungsplänen in diesem nunmehr  als rechtswidrig bestätigten „vereinfachten, beschleunigten Verfahren“ aufgestellt bzw. beschlossen wurden. Der dadurch bereits entstandene Schaden für Umwelt und Natur dürfte immens sein. In welcher Größenordnung Biotope und sonstige ökologisch wertvolle Landschaftsbestandteile ohne jeglichen Ausgleich überplant wurden und ersatzlos verschwunden sind, kann nur grob erahnt werden.

Jetzt bleibt zu hoffen, dass die Gemeinden neuen Wohnraum künftig – der gesetzlichen Vorgaben des § 1 Abs. 5, § 1a Abs. 2 BauGB entsprechend – vorrangig innerörtlich entwickeln und nur dann, wenn die diesbzgl. Möglichkeiten ausgeschöpft sind, unter besonderer Beachtung der Belange des Natur- und Umweltschutzes eine Überplanbarkeit des Außenbereichs prüfen. Jedenfalls ist nunmehr sichergestellt, dass dies auch bei Wohnbebauung nur unter vollständiger Beachtung der Vorgaben der europäischen und deutschen Regelungen zum Schutz von Umwelt und Natur möglich ist.

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