Die Biber von Sonsbeck – eine Fortsetzungsgeschichte

31. Dezember 2023 | Biber

Wenn Biber andere Vorstellungen von Hochwasser-Management haben als menschliche Wasserbau-Ingenier:innen, kann das zu Konflikten führen. Ein anhaltendes Tauziehen seit nun gut 2,5 Jahren.

Jungbiber (links) und Elterntier (rechts) an der Sonsbecker Ley, November 2023 Jungbiber (links) und Elterntier (rechts) an der Sonsbecker Ley, November 2023  (Jos de Bruin)

Ein Kommentar von Justus Siebert.

Darum geht es: im beschaulichen Sonsbeck am Niederrhein hatte sich 2021 der Biber angesiedelt, genauer: mindestens zwei Biber, wir berichteten. Schon damals wurde er nicht nur freudig begrüßt, es gab Befürchtungen, seine Damm-Bautätigkeit an der Sonsbecker Ley, einem Entwässerungskanal, könne dessen Funktionstüchtigkeit beeinträchtigen und bei Starkregenereignissen zu Überflutungen der anliegenden landwirtschaftlichen Flächen und Wohngebiete führen. Das ist zwar bislang glücklicherweise nicht geschehen, aber mit den ergiebigen Regenfällen in diesem Dezember und den damit gestiegenen Pegelständen haben die Biber auch ihre Damm-Bautätigkeiten wieder intensiviert. Und damit das Tauziehen um die Dammhöhe und die Diskussion darum neu entfacht.

Wie hoch darf ein Biberdamm sein?

Dabei war damals, nach einigem hin und her, ein guter Kompromiss gefunden worden, das Worst-Case-Szenario, dass der Biber entnommen würde, war vom Tisch. Fachleute, auch ein Biber-Experte, waren zu Rate gezogen worden, wie man sowohl das Risiko einer Überflutung als auch den Schaden für den Biber (eine streng geschützte Art) möglichst gering halten könne. Vom Wasser- und Bodenverband Kervenheimer Mühlenfleuth (WBV KV), der für die Gewässerunterhaltung vor Ort zuständig ist, wurde in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde im Kreis Wesel ein Wehr unter der Straße „Zur Licht“ errichtet, als befristete Maßnahme, und der Biber-Damm nicht mehr komplett abgetragen. Seitdem gibt es ein ständiges Tauziehen zwischen Biber und Wasserbau-Ingenieur:innen über die Höhe des Dammes: die Biber wollen ihn höher haben, um zu gewährleisten, dass ihr Eingang zur Biberburg (mit den Jungtieren, wie man inzwischen weiß!) unter Wasser bleibt, und um eine größere Wasserfläche zum besseren Abtauchen zu erreichen.

Im Rahmen des Kompromisses wird also nach einem weiteren Kompromiss gesucht, es geht um ein paar Zentimeter Dammhöhe, auf die man sich noch nicht einigen konnte, die Frage, ab wann der Biberburg-Eingang freigelegt und die Jungbiber damit gefährdet sind, konnte auch noch nicht beantwortet werden. Da sich die zuständige Mitarbeiterin in der Unteren Naturschutzbehörde aus gesundheitlichen Gründen erst Anfang des Jahres 2024 wieder einschalten kann, muss eine Entscheidung für die weiteren Maßnahmen bis dahin vertagt werden.

Immerhin, aus der Situation heraus hat sich ein lokales Biber-Management ergeben, man kennt sich jetzt, die Ansprechpartner:innen und Zuständigkeiten, und kann sich an den dynamischen Prozess gewöhnen, den die Rückkehr des Bibers mit sich gebracht hat. Denn der Biber ist zurück gekehrt um zu bleiben, und das ist gut so. Diese Rückkehr ist nicht nur durch EU-Recht gedeckt, als Ur-Europäer hat er ein angestammtes Wohnrecht in unserer Landschaft. Schauen wir mal, wie gut das mit einer wertschätzenden Nachbarschaft von Biber und Mensch in Sonsbeck klappt. Die ökologischen positiven Effekte jedenfalls sind bereits jetzt zu sehen: auf den angestauten Überflutungsflächen sollen Eisvögel und Teichrallen gesichtet worden sein.

Einen aktuellen Pressebericht von der Rheinischen Post gibt es hier (Abo-Beitrag, kostenpflichtig).

Kreis Wesel, da war doch noch was: Gloria

Übrigens ist der Biber nicht der einzige „Unruhestifter“ im Kreis Wesel. Das ist der Kreis am Niederrhein, in dem Wölfin „Gloria“ in den letzten Wochen durch Nutztierrisse unfreiwillig auf sich aufmerksam gemacht hat. Anders als die Sonsbecker Biber hat es die Schernbecker Gloria über die lokalen Schlagzeilen hinaus bis in die Tagesschau gebracht. Die Diskussion dreht sich um die Frage, ob wir (wir, in diesem Fall: die Landwirt:innen im Kreis Wesel) ein angestammtes Wildtier dulden, uns sogar über dessen Wiederkehr freuen können, und dafür einen erhöhten Aufwand in Form von Herdenschutzmaßnahmen in Kauf nehmen? Oder Gloria doch einfach abschießen? Letzteres war bereits beschlossen, per Allgemeiner Verfügung vom Kreis Wesel, wenig später setzte das Düsseldorfer Verwaltungsgericht, nach einer Klage des BUND, diese Allgemeinverfügung wieder außer Kraft.

Aktuelle Beiträge zu Wölfin Gloria gibt es u.a. vom BUND und beim WDR / Tagesschau.

Biber und Wolf – ein Politikum

Wie man an diesem Beispiel sieht: der Wolf (pardon, die Wölfin) polarisiert viel mehr als der Biber (nochmal pardon, die Biber-Familie), trotz eines umgesetzten Wolf-Management-Planes für NRW, mit Wolfs-Beratern, und mit für Herdenschutzmaßnahmen bereitgestellten finanziellen Mitteln (aus Steuergeldern, wir sind also alle beteiligt). Und dennoch findet der Wolf, als Beutegreifer, nur schwer Akzeptanz. Er frisst nicht nur Schafe auf, sondern auch alle Ressourcen, die wir für ein landesweites Biber-Management brauchen, jedenfalls wenn man das LANUV fragt (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW). Anders als für den Wolf gibt es für den Biber bislang nur den Entwurf eines Management-Planes, finanzielle Mittel schon gar nicht, und Ansprechpartner:innen und Berater:innen vor Ort auch nicht. Das muss sich dann bei Bedarf finden, wie in Sonsbeck, effektiv ist das aber nicht. Experten, auch der BUND, fordern schon seit Jahren einen solchen Plan, hier ist die Politik gefordert, diese Forderung ernst zu nehmen und präventiv tätig zu werden, statt nach dem Motto zu verfahren „das schauen wir dann mal wenn der Biber da ist, jetzt haben wir erstmal Wolf“.

Dank an die Landespolitik für nix

Vielleicht sogar irgendwie verständlich, wenn man bedenkt, dass Politiker:innen verstärkt auf das reagieren, was die Wählerschaft umtreibt, und ein vom Wolf gerissenes Schaf treibt nun mal nicht nur die Wähler:innen im Kreis Wesel um, ein Biber-Damm in Sonsbeck aber kaum jemanden außerhalb von Sonsbeck.

Dennoch schade, bei allem Verständnis für nix (tun), denn je mehr man investieren würde in Prävention, Vernetzung und Koordination von Zuständigkeiten, Erfahrung sammeln und austauschen, statt dem Problem hinterher zu rennen wenn es dann auftaucht, um so weniger Aufwand, auch finanziell, müssten wir dann betreiben. Wie es aussieht, wird uns die Null-Investition in einen Biber-Management-Plan mittelfristig noch viel Geld kosten, leider. Hoffen wir, dass nicht erst etliche Maisäcker überflutet werden müssen, durch Biber-Dammbauten, um den Druck auf die Politik zu erhöhen. Bei einem Maisacker besteht noch eine gewisse Chance, dass die Einsicht Richtung präventive Maßnahmen geht, bei fünf Maisäckern besteht dann schon die Gefahr, dass der heftigen Forderung aus einigen Teilen der Bevölkerung nach schnellen Maßnahmen nachgegeben wird, also Entnahme, durch Umsiedeln, oder Abschuss, wie bei Gloria. Hoffen wir, für den Biber und für den Zustand unserer Naturlandschaft, dass es dazu nicht kommt.

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