Münster | Mit großer Genugtuung reagiert der nordrhein-westfälischen Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) auf die heutige Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster zum Kohlekraftwerk Datteln IV. Dieses hatte den Bebauungsplan für das seit 15 Jahren umstrittene 1.050 Megawatt-Steinkohlekraftwerk heute für unwirksam erklärt. Damit hat das Gericht die vom BUND vertretene Rechtsauffassung geteilt.
„Bereits der erste Punkt unserer Normenkontrollklage hatte durchgreifenden Erfolg“, sagte der stellvertretende BUND-Landesvorsitzende Thomas Krämerkämper. „Die Stadt Datteln, Uniper und das Land NRW sind in ihrem Versuch, den falschen aber bereits bebauten Standort nachträglich zu begründen, immer nach dem Prinzip `was nicht passt, wird passend gemacht` vorgegangen. Dem haben die Richter heute einen Riegel vorgeschoben.“ Auf die zahlreichen anderen Punkte, die nach Ansicht des BUND für die Rechtswidrigkeit des Bebauungsplans sprechen, kam es daher gar nicht mehr an.
„Die heute vom Senat vorgetragenen Gründe zur Rechtswidrigkeit des Bebauungsplans waren vollauf überzeugend. Wir gehen davon aus, dass dieses Urteil Rechtskraft erlangen wird“, so BUND-Rechtsanwalt Dirk Teßmer. „Der 8. Senat hatte bereits 2012 entschieden, dass eine Betriebsgenehmigung ohne Bebauungsplan rechtswidrig ist. Damit ist die Bezirksregierung Münster jetzt gefordert, dem Kraftwerk die Betriebserlaubnis von Amts wegen zu entziehen.“ Der BUND dringt auf eine schnelle Entscheidung und kritisiert die Versuche der Stadt Datteln und Uniper, auf Zeit zu spielen. „15 Jahre Rechtsstreit sind genug. Das Kraftwerksprojekt Datteln 4 muss jetzt schnell beerdigt werden.“
In dem Urteil sieht der BUND auch eine „schallende Ohrfeige“ für Ministerpräsident Armin Laschet. „Armin Laschet hat dem Kraftwerk unter Missachtung der Empfehlungen der Kohlekommission und unter Inkaufnahme einer rechtswidrigen Planung politisch unterstützt. Das Gericht musste wieder einmal diese politischen Fehlentscheidungen korrigieren“, sagte BUND-Geschäftsleiter Dirk Jansen. „Kohle darf keine Zukunft haben.“
schriftliche Urteilsbegründung
Pressemitteilung des OVG Münster
Bebauungsplan für das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 ist unwirksam
26. August 2021
Der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat heute mit drei Urteilen auf die Anträge der Stadt Waltrop, des BUND Landesverband NRW sowie von vier Privatpersonen den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 105a - Kraftwerk - der Stadt Datteln für unwirksam erklärt.
Das Kraftwerk ist auf der Grundlage eines früheren Bebauungsplans, den der Senat 2009 für unwirksam erklärt hatte, und vollziehbarer immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen bereits errichtet und 2020 in Betrieb genommen worden. Gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des Kraftwerks aus dem Jahr 2017 sind Klagen beim 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts anhängig.
Zur Begründung der Urteile führte der Vorsitzende des 10. Senats in der mündlichen Verhandlung aus: Die Wahl des Standortes für das Kraftwerk, das Gegenstand des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 105a ist, genügt nicht den einschlägigen gesetzlichen Anforderungen. Der Rat der Stadt Datteln hat bei seiner Abwägung die auf der Ebene der Regionalplanung erfolgte fehlerhafte Standortauswahl übernommen. Die 7. Änderung des Gebietsentwicklungsplans Regierungsbezirk Münster Teilabschnitt Emscher-Lippe beruht auf einer Verletzung der Vorschriften über die Umweltprüfung und damit zugleich auf einem Abwägungsfehler. Der für die Regionalplanung zuständige Regionalverband Ruhr ist mit Blick auf diese Vorschriften im Sinne der Umweltvorsorge gehalten gewesen, im Zusammenhang mit dem Umweltbericht frühzeitig anderweitige vernünftige Planungsmöglichkeiten zu ermitteln. Er hatte dabei den Suchraum für Standortalternativen wegen der ganz erheblichen umweltbezogenen Auswirkungen des Steinkohlekraftwerks, für das er die raumplanerische Grundlage schaffen wollte, möglichst weit zu bestimmen. Stattdessen hat er die Suche entgegen der Kritik im Erarbeitungsverfahren lediglich auf den Geltungsbereich des Gebietsentwicklungsplans Regierungsbezirk Münster Teilabschnitt Emscher-Lippe und damit auf einen Teil seines Zuständigkeitsbereichs begrenzt. Auf diese Weise hat er sich den Blick auf möglicherweise vorzugswürdige anderweitige Planungsmöglichkeiten verstellt. Der Regionalverband Ruhr hat sich zudem hinsichtlich der Kriterien für die Suche nach anderweitigen vernünftigen Planungsmöglichkeiten ausschließlich an den Anforderungen des konkret in den Blick genommenen Steinkohlekraftwerks orientiert und damit auch insoweit die Suche fehlerhaft eingeschränkt. Anderweitige vernünftige Planungsmöglichkeiten etwa in Form von Standorten für ein Gaskraftwerk, das wesentlich geringere Anforderungen an den Raum stellt und erheblich weniger Auswirkungen auf die Umwelt hat, sind nicht ermittelt worden. Dafür, dass eine insoweit zweigleisige Suche nach alternativen Standorten im gesamten Zuständigkeitsbereich des Regionalverbands Ruhr von vornherein unverhältnismäßig gewesen wäre, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Aktenzeichen: 10 D 106/14.NE, 10 D 40/15.NE und 10 D 43/15.NE
Hinweis:
Dass der 10. Senat den Bebauungsplan für unwirksam erklärt hat, bedeutet nicht, dass das Kraftwerk nun nicht mehr betrieben werden darf. Grundlage hierfür ist die vollziehbare immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 19. Januar 2017. Gegen diese sind Klageverfahren beim für das Immissionsschutzrecht zuständigen 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts anhängig. Kläger sind der BUND, die Stadt Waltrop sowie vier Privatpersonen. Welche Bedeutung die Unwirksamkeit des Bebauungsplans für die Rechtmäßigkeit dieser Genehmigungen hat, ist eine Rechtsfrage, über die der 8. Senat zu entscheiden haben wird.