BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

BUND-Bilanz: Ein Jahr Verbot des Kükentötens - kein Fortschritt beim Tierschutz

17. Januar 2023 | Landwirtschaft

Jahr für Jahr wurden allein in Deutschland etwa 45 Millionen männliche Hühnerküken direkt nach ihrem Schlüpfen getötet. Der Grund: sie legen keine Eier und setzen zuchtbedingt kaum Fleisch an. Sie sind damit für viele Betriebe unwirtschaftlich. Seit dem 1. Januar 2022 ist das Kükentöten in Deutschland untersagt. Ein Erfolg für den Tierschutz ist das bislang noch nicht, so die Bilanz von Ralf Bilke, Agrarreferent des BUND NRW.

 (Ralf Bilke)

Eiervernichtung trotz Schmerzempfinden

Das Töten und Wegwerfen von rd. 45 Millionen Tieren im Jahr allein aus wirtschaftlichen Gründen ist aus Tierschutzsicht und ethisch absolut inakzeptabel. Männliche Küken wurden wie unerwünschte Produktionsabfälle behandelt. Das Verbot des Kükentötens war deshalb überfällig.

Ein Jahr später ist jedoch Ernüchterung angesagt: In der praktischen Umsetzung hat das Verbot bisher kaum Tierleid verhindert. Der Ansatz der Geflügelwirtschaft besteht darin, schon während der Bebrütung das Geschlecht der nach 21 Tagen schlüpfenden Küken zu bestimmen und Eier, aus denen später männliche Küken schlüpfen würden, auszusortieren.

Die Geschlechtsbestimmung im Ei erfolgt – rechtlich derzeit noch zulässig – meistens zwischen dem 9. bis maximal 14. Tag der Bebrütung. Bei Hühnerembryonen entwickelt sich jedoch schon ab dem siebten Bebrütungstag das Schmerzempfinden. Tierleid entsteht demnach nicht allein durch das Töten der frisch geschlüpften Küken, sondern ab dem siebten Bebrütungstag auch durch das Aussortieren der Eier und das Töten der Hühnerembryos. Der Gesetzgeber verbietet deshalb ab dem 1. Januar 2024 das Töten von Hühnerembryonen im Ei bereits nach dem 6. Bebrütungstag. Mehr..

Wie viele Eier im zurückliegenden Jahr an welchem Bebrütungstag aussortiert wurden, bleibt offen. Klar ist aber: je weiter der Brutvorgang ab dem siebten Tag vorangeschritten ist, desto mehr ist davon auszugehen, dass der Abbruch der Bebrütung und die Herbeiführung des Todes des Hühnerembryos mit Schmerzen einhergeht.

 

Unklarer Verbleib männlicher Küken – Defizite bei Kontrollen

Darüber hinaus bestehen offenkundig große Unklarheit und Intransparenz darüber, was mit den ausgebrüteten männlichen Küken geschieht. Medienberichten zufolge werden männliche Küken auch aus NRW-Brütereien ins Ausland verbracht und dort entweder getötet oder gemästet. Zumindest ein Teil von ihnen verschwindet nach dem Schlüpfen schlichtweg vom ‚Radar‘. Dies zeigt aus BUND-Sicht erhebliche Defizite bei der Kontrolle des Umgangs der Brütereien mit den geschlüpften Küken. Zuständig für die Überwachung der tierhaltenden Betriebe sind die Kreise und kreisfreien Städte. Sie sollten eigentlich wissen, was in den Brütereien und Ställen vor Ort geschieht. Der BUND sieht nun NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen in der Pflicht, für Aufklärung zu sorgen.

Verbraucher*innen bleiben damit weiterhin im Unklaren: Ein Aufdruck ‚Eier aus Deutschland‘ auf dem Eierkarton bedeutet nicht automatisch ‚Eier ohne Kükentöten‘. Legehennenbetriebe können ihre Junghennen durchaus aus Brütereien aus dem Ausland beziehen, in denen das Kükentöten weiterhin erlaubt ist. Hier würde nur eine europaweite Regelung weiterhelfen.

 

BUND für Zweinutzungsrassen - ‚Sexing‘ ist keine Lösung

Das ‚Sexing‘, also die Geschlechtsbestimmung im Ei, ist ein im Grunde verfehlter und rein technischer Ansatz der Geflügelwirtschaft, der den Blick auf die eigentliche Misere in der Hühnerhaltung verstellt. Das Grundübel ist wie in anderen Bereichen der Tierhaltung auch die komplett einseitige Ausrichtung auf ein einziges Merkmal: hier ist es die maximale Legeleistung, bei Puten die Ausprägung des Brustmuskels und die extreme Gewichtszunahme, bei Rindern die Milchleistung.

Der BUND fordert eine grundlegende Abkehr von diesem System und ein Umdenken in der Tierzucht und -haltung. Der BUND tritt für die Zucht von Zweinutzungshühnern ein. Diese Tiere sind nicht auf einseitige Höchstleistung getrimmt, sondern können sowohl zur Eier- als auch zu Fleischerzeugung gehalten werden. Die Henne eignet sich bei verringerter Legeleistung auch weiterhin gut zur Eierproduktion und die Hähne gleichzeitig zur Mast. Dieser Weg muss konsequenter als bisher gegangen werden und hierfür müssen verstärkt öffentliche Forschungsmittel zur Verfügung gestellt werden.

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