BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

"Ein Weiter-so-wie-bisher darf es nicht geben."

14. April 2020 | KlimaDiskurs.NRW e.V.

Interview des Klima.Diskurs.NRW zum Klimaschutz in Corona-Zeiten.

BUND-Geschäftsleiter Dirk Jansen. [Foto: Steffen Hoeft]

5 Fragen an...


Dirk Jansen. Er ist Diplom-Geograf und verantwortet seit über 20 Jahren als Geschäftsleiter des BUND NRW e.V. die dortige Fachpolitik sowie die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Als Experte für Energiepolitik begleitet er u.a. die verschiedenen Genehmigungsverfahren für Kohlekraftwerke und Braunkohlentagebaue. Dirk Jansen ist Mitglied des Vorstands des KlimaDiskurs.NRW.

1. Sehr geehrter Herr Jansen, das Jahr 2020 sollte zu einem Schlüsseljahr für den Klimaschutz werden. Jetzt reden alle nur noch über Corona. Hier in Deutschland wurde das Kohleausstiegsgesetz schon verschoben und erste EU-Mitgliedsländer plädieren dafür, den Green Deal auszusetzen. Erleben wir jetzt einen fatalen Shutdown in Sachen Klimaschutz? Befürchten Sie, dass die jetzige Krise die Klimakrise langfristig in den Hintergrund drängt und wir wichtige Jahre verlieren?

Die Ausbreitung des Corona-Virus und die Gegenmaßnahmen stehen derzeit zu Recht im Fokus der Öffentlichkeit. Die Klimakrise, das Artensterben und der anhaltend verantwortungslose Umgang mit Natur und Umwelt sind aber langfristig eine ebenso große Bedrohung für uns. So ist sich die Wissenschaft einig, dass die fortgesetzte Umweltzerstörung die Infektionswahrschein-lichkeit von Wildtieren mit potenziell auch Menschen gefährdenden Krankheiten fördert. Klimaschutz und Biodiversität sind essenziell für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen. Deshalb müssen wir allen Bestrebungen, die Klimaschutzmaßnahmen auszusetzen, eine klare Absage erteilen. Alles andere ist verantwortungslos.

2. Flugzeuge fliegen nicht mehr, die Autobahnen sind leer und die Industrie fährt ihre Produktion zurück. Durch den europaweiten Shutdown sinkt der Energieverbrauch und dementsprechend der CO2-Ausstoß. Auf den ersten Blick eine gute Nachricht. Können wir durchatmen? 

Die jetzige Krise zeigt, dass Weniger auch Mehr sein kann. Wir erleben eine große Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft, der gesellschaftliche Zusammenhalt steigt. Wir erleben auch eine gewisse Entschleunigung und Rückbesinnung auf alte Werte. Ich hoffe, dies ist ein dauerhafter Effekt. Die Krise zeigt aber auch, wie anfällig unser Wirtschafts- und Sozialsystem ist.


"Ein Weiter-so-wie-bisher darf es nicht geben."


Die extreme Exportorientierung, der Wachstumsfetischismus und die Auswüchse der Globalisierung schlagen jetzt auf uns zurück. Daraus müssen wir die Lehren ziehen. Ein Weiter-so-wie-bisher darf es nicht geben. Sonst machen die Rebound-Effekte alle vielleicht positiven Entwicklungen zunichte.

3. Bund und Länder haben einen beachtlichen Rettungsschirm zur Bewältigung der Krise gespannt. Sollte die Politik ihre staatliche Unterstützung gegen die Corona-Krise mit ökologischen Zielen und Auflagen verbinden?

Deutschland braucht einen  echten „Green Deal“, um nach der Beendigung der Corona-Krise gut aufgestellt zu sein. Zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen, eine klimafreundliche Zukunft mit starken regionalen Kreisläufen aufbauen, die umweltfreundliche Mobilität forcieren - das müssen jetzt Grundsätze sein, um unsere Wirtschaft aus der Krise zu führen. Parteipolitisch motivierte Blockaden wie beim Ausbau der Windkraft oder der längst überfälligen Aufhebung des Solardeckels haben hier nichts verloren. Die ökologisch-soziale Transformation ist eine Überlebensfrage. Deshalb brauchen wir klare ökologische Kriterien für Konjunkturhilfen.

4. Ein Schwerpunkt Ihrer Klimaaktivitäten hat sich in den letzten Wochen sehr stark auf die umstrittene Inbetriebnahme von Datteln IV fokussiert. Dürfen sich die Befürworter jetzt darüber freuen, dass Sie Ihren Protest nicht weiter fortführen können oder wie sieht Ihre Antwort auf den Shutdown aus?
 
Der Protest gegen dieses Relikt des Kohlezeitalters wird nicht verstummen – im Gegenteil. Datteln IV ist eine einzige in Stein und Beton gegossene Provokation. Dass die Regierenden in Bund und Land diesem Kraftwerk entgegen der Empfehlungen der Kohle-Kommission ans Netz verhelfen, ist kaum vermittelbar. Das Vorhaben verstößt nicht nur gegen zahlreiche Umweltvorgaben, sondern würde trotz Abschaltung aller anderen Uniper-Kohlekraftwerke und trotz zusätzlicher Sonder-Ausschreibungen zu CO2-Mehremissionen von etwa 40 Millionen Tonnen führen. Das hat unlängst ein DIW-Gutachten gezeigt. Auch verfügt das Kraftwerk wegen der anhängigen Klagen des BUND und anderer über keine rechtskräftigen Genehmigungen. Alle Beteiligten wären gut beraten, eine Verhandlungslösung zur Beerdigung dieses Zombie-Kraftwerks zu suchen.

5. Gibt es etwas, was wir aus der Corona-Krise für den Klimaschutz lernen können?

Die Corona-Krise zeigt: Politik und Gesellschaft können konsequent und entgegen der Partikularinteressen im Sinne des Wohls der Allgemeinheit handeln – wenn sie denn wollen. Die gleiche Konsequenz wünsche ich mir in Anbetracht der Klimakrise, denn ihre Bewältigung ist eine noch größere existenzielle Notwendigkeit.

Vielen Dank, Herr Jansen!

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