CCS - Feigenblatt "saubere Kohle"

BUND-Protest in Bergheim-Niederaußen gegen das geplante CCS-Kraftwerk der RWE Power AG. © D. Jansen

Nach den ursprünglichen Plänen der RWE Power AG sollte bis 2014 ein so genanntes „CO2-freies“ Kraftwerk in Hürth realisiert werden. RWE bezeichnete dies als „Herzstück des Klimaschutzprogramms“.

Die Bezeichnung „CO2-freies“ Kraftwerk ist dabei irreführend. „CO2-freie“-Kraftwerke gibt es nicht. Bei allen bisher geplanten Verfahren (Oxyfuel-Verfahren, Integrated Gasification Combined Cycle - IGCC) verbleiben je nach Kraftwerksart Kohlendioxid Emissionen zwischen 60 und 150 Gramm pro erzeugter Kilowattstunde Strom. Über die gesamte Prozesskette betrachtet ermittelte das Wuppertal-Institut ein CO2-Reduktionspotenzial von 78 %.

Bei dem angekündigten IGCC-Kraftwerk in Hürth sollte die Vergasung von Kohle mit einer CO2-Abtrennung kombiniert und der Strom in nachgeschalteten Gas- und Dampfturbinen erzeugt werden. Vorausgesetzt, diese Technologie könnte in absehbarer Zeit tatsächlich zur großtechnischen Anwendungsreife gelangen (- was heute mehr als unwahrscheinlich ist), so brächte sie hinsichtlich der durch den Tagebau Garzweiler bedingten CO2-Emissionen keinerlei Verringerung. Bei keinem der geplanten (BoAplus) oder existierenden Kraftwerke käme diese Technologie zum Einsatz. Allgemein wird damit gerechnet, das CCS großtechnisch erst in Jahrzehnten zur Verfügung stehen würde.

Erinnert sei daran, dass im Zuge der o.g. Vereinbarung zwischen RWE und der Landesregierung („20-Milliarden-DM-Kraftwerkserneuerungsprogramm“) schon einmal die zugesagte Entwicklung von Braunkohlekraftwerken mit Kohlevergasung („KoBra“) gescheitert ist.

Mit der als CO2-Wäsche bezeichneten Abtrennung des Kohlendioxids aus dem Rauchgas soll des Weiteren ein Verfahren eingesetzt werden, dass es ermöglichen soll, im Rahmen von Nachrüstungen existierender Kraftwerke deren Emissionen nachhaltig zu mindern. Allerdings ist die RWE Power AG auch diesbezüglich bis auf gelegentliche Absichtserklärungen jegliche verbindliche Aussage schuldig geblieben, ob, wann und wo diese Technik zum Einsatz kommen soll. Die Abtrennung von CO2 nach der Verbrennung mittels Rauchgaswäsche (Post Combustion) ist zwar die am weitesten ausgereifte Technik. Sie gilt jedoch als teuer, energieintensiv und erfordert einen erheblichen Flächenbedarf.

Am 18. September 2009 weihte RWE am Kraftwerksstandort Niederaußem eine Pilotanlage zur CO2-Wäsche ein. Die für die Errichtung lagen bei 9 Mio. Euro, 40 % davon wurden vom Steuerzahler über eine Förderung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie getragen. Die Anlage kann 300 Kilogramm CO2 pro Stunde aus dem Rauchgas "waschen". Gemessen an den gesamten CO2-Emissionen des Kraftwerks von über 2,5 Millionen kg/h sind das ca. 0,01 %.

Das ausgewaschene CO2 wird lt. RWE in den Rauchgasstrom des BoA-Blockes zurückgeführt, da es in Niederaußem keine geeignete Möglichkeit gibt, das Kohlendioxid zu speichern oder anderweitig zu verwenden.

Für alle CCS-Vorhaben ist eine CO2-Lagerung erforderlich, um das abgetrennte CO2 sicher und dauerhaft zu speichern. Diese „Endlagerfrage“ ist bis heute ungelöst. Niemand kann garantieren, dass geeignete Lagerstätten entsprechender Kapazität zur Verfügung stehen und die mit einer CO2-Verpressung verbundenen, derzeit noch unkalkulierbaren Risiken beherrschbar sind.

Zudem vermindert der zusätzliche Energiebedarf für die Abscheidung die Reichweite fossiler Ressourcen. Die bisherigen Prognosen rechnen bei Anwendung der Technik mit einem signifikanten Absinken der Kraftwerkswirkungsgrade um etwa 8-10%-. Das heißt: Mögliche Wirkungsgradsteigerungen bei konventionellen Kraftwerken würden durch CCS wieder zunichte gemacht. Es müsste wiederum mehr Kohle gefördert werden, um die gleiche Strommenge erzeugen zu können.

Der kumulierte Energieaufwand – bezogen auf die komplette CCS-Prozesskette (CCS= Carbon Capture and Storage) steigt nach Angaben des Wuppertal-Instituts um bis zu 34 %. Vollends negativ wird die CO2-Bilanz, wenn das Treibhausgas in Öl- oder Gaslagerstätten verpresst wird, um diese dadurch möglichst vollständig auszubeuten (“Enhanced Oil/Gas Recovery“).

Auch wenn die Bandbreite der prognostizierten CO2-Vermeidungskosten durch CCS aufgrund der verschiedenartigen Anwendungsfälle sehr breit ist, liegen die Kosten für die CO2-Abtrennung, den -Transports und die –Lagerung im Vergleich zu anderen Klimaschutzoptionen deutlich höher. Die Bandbreite der Schätzung reicht bis zu Zusatzkosten in Höhe von 120 US $ je Tonne CO2. Die Abscheidung stellt den größten Kostenfaktor dar und liegt allein bereits zwischen 8 und 68 Euro/Tonne CO2.Insgesamt sind die Kosten immens, die Stromkosten könnten sich leicht verdoppeln. Spätestens mit Einführung von CCS wären alle Erneuerbaren Energien preiswerter als Kohlestrom.

Das Umweltbundesamt kommt deshalb zu dem Fazit, CO2-Abscheidung und -Speicherung seien keine dauerhafte Lösung und nicht nachhaltig. Und auch die Energiewirtschaft selbst ist mehr als skeptisch. Für Evonik/Steag-Chef Tacke ist die CO2-Abscheidung eine Alibi-Technik, die nie zum Einsatz kommen wird. Auch die NRW-Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag 2012 festgehalten, dass die CCS-Technologie für NRW in den kommenden Jahren nicht von praktischer Relevanz zur Senkung der CO2-Emissionen der Energiewirtschaft sei. "CCS ist keine Begründung, den notwendigen und überfälligen Strukturwandel hin zu Erneuerbaren Energien und Effizienztechnologien aufzuschieben" heißt es im Koalitionsvertrag.

Ungeachtet der zahlreichen Risiken ist CCS bestenfalls eine Zukunfts-Technologie für industrielle Prozesse. Wirksame Klimaschutzmaßnahmen müssen jedoch jetzt umgesetzt werden, um dem Klimawandel entgegen zu wirken. Das Problem irreversibler Kollateral-schäden durch die Kohlegewinnung bleibt auch bei CCS bestehen. „CO2-arme“ Kraftwerke dienen als „ökologisches Feigenblatt“, um Akzeptanz für den Neubau von klimaschädlichen Kohlekraftwerken zu schaffen. "CO2 nicht vergraben, sondern vermeiden" lautet deshalb die BUND-Forderung.

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