BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Boden und Freiraum schützen

Wir treten ihn mit Füßen, tragen ihn ab, vergiften, versiegeln und verdichten ihn: dabei ist ein intakter Boden eine unverzichtbare, nicht beliebig vermehrbare Ressource. Grund genug, ihn besser zu schützen. Genauso wie den gesamten Freiraum.

Intakte Böden sind eine Grundvoraussetzung, um gesunde, vielfältige Lebensmittel zu erzeugen, das Klima zu schützen und die Artenvielfalt zu erhalten. Seine Schutz-, Filter- und Speichereigenschaften sind wesentlich für einen intakten Gewässerhaushalt.

Aber der Zustand der Böden ist schlecht, mehr als ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Flächen weltweit gelten als degradiert. In der Europäischen Union sind mittlerweile mehr als 60 Prozent der Böden geschädigt – verursacht unter anderem durch industrielle Landwirtschaft und die Auswirkungen der Klimakrise wie Trockenheit und Bodenverluste.

Dabei ist Boden kein vermehrbares Gut. Der Verlust durch Straßen- und Siedlungsbau, Abgrabungen und Versiegelung ist nicht umkehrbar. Trotzdem werden immer mehr Flächen für Siedlung und Verkehr auch in Nordrhein-Westfalen "verbraucht". Im Jahr 2019 lag der Flächenverlust bei 8,1, im Jahr 2020 bei 5,7, im Jahr 2021 bei 5,4 und im Jahr 2022 bei 5,6 Hektar pro Tag [LANUV-Flächenbericht 2022].

BUND Forderungen

Der Erhalt der Bodenvielfalt und Fruchtbarkeit muss auch im Sinne einer nachhaltigen Nutzung gestärkt werden. Die Förderung und Erhaltung von artenreichem Dauergrünland, eine strukturreiche Agrarlandschaft, in der auf chemisch-synthetische Pestizide und Kunstdünger verzichtet wird, sowie eine schonende Bodenbearbeitung sind deshalb unabdingbar.

Der Flächenverbrauch in NRW soll  bis spätestens 2035 gestoppt bzw. auf Netto-Null gebracht werden. Dies ist als Ziel im Landesentwicklungsplan festzuschreiben. Ferner ist die Einführung neuer Modelle in der Städtebau- und Kommunalförderung erforderlich. Eine Neuausweisungsumlage soll dazu führen, dass Verbraucher von Neubauland Geld in einen Fond einzahlen, aus dem Mehrkosten (Abriss, Bodensanierung) bei der Nachverdichtung, bei Siedlungsumbauten und Industriebrachen mitfinanziert werden.

Ein weiteres notwendiges Instrument sind handelbare Flächenausweisungsrechte, damit vor allem Kommunen auch untereinander eine sinnvolle Verteilung von Flächen erzielen können. Ökologische Steuerungsinstrumente wie eine Rohstoffabgabe sind notwendig, um den Flächenfraß durch Kies- und Sandabgrabungen zu regulieren.

Hintergrund

Böden sind eine unverzichtbare Lebensgrundlage für Menschen, Tiere und Pflanzen. Sie liefern Nahrungsmittel und Rohstoffe, speichern und filtern Wasser und können Schadstoffe abbauen. Böden bieten Flächen zur Besiedelung, für Verkehr und Freizeit. Und nicht zuletzt sind sie ein Archiv der Natur- und Kulturgeschichte. Jedoch können die Böden nicht alle diese Funktionen gleichzeitig erfüllen. Zudem sind manche dieser Funktionen durch Verunreinigungen, Erosion, Humusrückgang und Verdichtung bedroht. Eingetretene Schäden sind kurzfristig kaum behebbar, denn fruchtbare Böden sind das Ergebnis langer physikalischer, chemischer und biologischer Prozesse: Bis sich ein Zentimeter neu bildet, dauert es 200 bis 300 Jahre.

Fläche ist – wie auch der Boden – eine endliche Ressource, mit der der Mensch sparsam umgehen muss, um sich seine Lebensgrundlagen zu erhalten. Flächenverbrauch ist ein schleichendes  Phänomen. Bürger und selbst politische Entscheidungsträger nehmen es kaum wahr. Daher mangelt es weithin am nötigen Problembewusstsein.

Boden ist kein vermehrbares Schutzgut. Der Verlust wertvoller Acker- und Weideflächen durch Bebauung und Versiegelung ist nicht umkehrbar. Die Erhaltung der natürlichen Filter-, Puffer- und Lebensraumfunktionen von land- und forstwirtschaftlich genutzten Böden ist jedoch von besonderer Bedeutung, um nachteilige Auswirkungen auf das Grundwasser, die Pflanzen, die Luft, das Klima und den Boden selbst zu verhindern.

Sorge bereitet, dass die Nutzung der Böden für Siedlung und Verkehr die anderen Funktionen immer weiter zurückdrängt. In jeder Sekunde werden in Deutschland fast elf Quadratmeter Fläche für Siedlungs- und Verkehrszwecke neu in Anspruch genommen. Knapp die Hälfte davon wird versiegelt. Durch Versiegelung gehen aber zunehmend natürliche Bodenfunktionen wie Wasserdurchlässigkeit oder -speicherfähigkeit, Bodenfruchtbarkeit sowie Lebensraum für Organismen verloren.

Eingetretene Schäden sind kurzfristig kaum behebbar, denn fruchtbare Böden sind das Ergebnis langer physikalischer, chemischer und biologischer Prozesse.

Flächenverbrauch als Umweltproblem

Der Flächenverbrauch für Siedlungen und Verkehr hat erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt. Flächenverbrauch ist häufig mit dem unumkehrbaren Verlust von Landschaftsräumen verbunden. Er beeinträchtigt landwirtschaftliche Produktionsmöglichkeiten, wirkt sich nachteilig auf Biotop-, Landschafts- und Naturschutz aus, verringert Erholungs-, Ruhe- und Frischluftbereiche und trägt durch ausufernde Siedlungsstrukturen zum Klimawandel bei.

Versiegelte Flächen schaden Böden und begünstigen Hochwasser. Mit der Zersiedelung wächst das Verkehrsaufkommen und die Infrastrukturkosten steigen. Unter dem Verlust von Naherholungsgebieten im Umkreis von Städten und Ballungsräumen leidet außerdem die Lebensqualität. Zudem verlieren Tiere und Pflanzen dringend benötigen Raum, in dem sie ungestört leben und sich fortpflanzen können. Diese Qualitätsverluste können, wenn überhaupt, nur mit erheblichem Aufwand wieder rückgängig gemacht werden. Gerade auch die indirekten Flächenbeanspruchungen von Verkehrswegen, wie Zerschneidungseffekte und Lärm, tragen zu erheblichen Umweltbelastungen bei.

Mit der Inanspruchnahme von Freiflächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke gehen nicht nur direkte und indirekte ökologische Folgewirkungen einher, sondern es treten auch verstärkt ökonomische und soziale Folgewirkungen auf. Betroffen durch die Inanspruchnahme sind dabei alle Umweltgüter, d.h. Boden, Wasser, Luft und Klima, Biodiversität und das Landschaftsbild. [hierzu und im Folgenden: Flächenportal.NRW]

An ökologische Folgen sind zu nennen:

  • Zerstörung der begrenzten Ressource Boden durch Versiegelung,
  • Verlust wichtiger Bodenfunktionen durch Erosion oder Verdichtung,
  • Verlust fruchtbarer landwirtschaftlicher Flächen,
  • Verlust naturnaher Flächen,
  • Zerschneidung von Natur- und Lebensräumen für Flora und Fauna,
  • Verlust an Biodiversität,
  •  Erhöhung von Lärm- und Schadstoffemissionen durch Verkehrsaufkommen.

Auch die sozialen Folgen sind beachtlich:

  • soziale Entmischung,
  • Verödung von Innenstädten und gewachsenen Quartieren,
  • weite Wege für Versorgung und Freizeit,
  •  Erhöhung der Abhängigkeit vom PKW,
  • hohe Mobilitätskosten.

Und in ökonomischer Hinsicht sind ebenfalls Nachteile zu berücksichtigen:

  • Erhöhter Kostenaufwand durch geringere Auslastung bestehender technischer, sozialer und kultureller Infrastrukturen.
  • Gleichzeitig steigender Kostenaufwand für die Erschließung, den Ausbau und die Unterhaltung neuer Infrastrukturen im Umland.
  • Wertverlust von Immobilien im Siedlungsbestand durch Ausweisung neuer Baugebiete im Außenbereich (Überangebot).

Das Ausmaß der Folgen der Flächeninanspruchnahme ist demzufolge sehr umfangreich. Aufgrund der integrativen Funktion des Bodens innerhalb des Naturhaushalts führen Bodenbelastungen zu vielfältigen, häufig schwierig prognostizierbaren Folgen mit synergetischem Charakter. Auch im sozialen und ökonomischen Bereich verfügt der Flächenverbrauch über komplexe Wirkungsketten. Insgesamt bedingen und verstärken sich die verschiedenen Auswirkungen unter- und gegeneinander, so dass ein komplexes Wirkungsgefüge erkennbar ist. Angesichts dieser Auswirkungen ist ein erheblicher Handlungsbedarf zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme zu sehen.

Flächenverlust nimmt zu

[Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/flaeche/siedlungs-verkehrsflaeche#anhaltender-flachenverbrauch-fur-siedlungs-und-verkehrszwecke-] [Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/flaeche/siedlungs-verkehrsflaeche#anhaltender-flachenverbrauch-fur-siedlungs-und-verkehrszwecke-]

Während der letzten 60 Jahre hat sich die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland allerdings mehr als verdoppelt. Ausweislich der amtlichen Flächenstatistik des Bundes wurden in Deutschland im Vierjahresmittel 2019 bis 2022 jeden Tag rund 52 Hektar als Siedlungsflächen und Verkehrsflächen neu ausgewiesen. Dies entspricht einer Fläche von circa 72 Fußballfeldern täglich.

Ökologisch wertvolle Flächen werden in Bauland und Standorte oder Trassen für Infrastrukturen wie Kläranlagen, Flugplätze, Straßen oder Bahnlinien umgewidmet. Negative Umweltfolgen sowie schädliche städtebauliche, ökonomische und soziale Auswirkungen sind unausweichlich. Insgesamt sind die Inanspruchnahme immer neuer Flächen und die Zerstörung von Böden auf die Dauer nicht vertretbar und sollten beendet werden. Angesichts global begrenzter Landwirtschaftsflächen und fruchtbarer Böden sowie der wachsenden Weltbevölkerung ist der anhaltende Flächenverbrauch mit all seinen negativen Folgen unverantwortlich.

Dies gilt auch und besonders mit Rücksicht auf künftige Generationen.

Die Bundesregierung wollte den Flächenverbrauch bis 2020 auf 30 ha pro Tag und bis 2030 auf weniger als 30 ha pro Tag senken. Das integrierte Umweltprogramm des BMU formuliert für 2030 ein Ziel von 20 ha pro Tag, denn spätestens zum Jahr 2050 soll – nach der Ressourcenstrategie der Europäischen Union und dem Klimaschutzplan der Bundesregierung  – der Übergang zur Flächenkreislaufwirtschaft (Netto-Null-Ziel) geschafft werden.

Von diesen Zielen sind wir weit entfernt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts hat sich die Fläche für Siedlung und Verkehr von 1992 bis 2022 von 40.305 auf 51.903 Quadratkilometer (km²) ausgedehnt. Damit ist die Fläche für Siedlung und Verkehr in 30 Jahren um 11.598 km² bzw. 28,8 % angestiegen. Mit Blick auf die Teilflächen dehnte sich die Siedlungsfläche um 41,6 % und die Verkehrsfläche um 10,1 % aus. Der Zuwachs der Fläche für Siedlung und Verkehr vollzog sich in weiten Teilen zu Lasten der landwirtschaftlich genutzten Fläche.

In Nordrhein-Westfalen gehen gemäß der Angaben des Umweltministeriums im langjährigen Mittel täglich rund 10 Hektar wertvolle Natur- und Freifläche verloren. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche nimmt inzwischen bereits einen Anteil von rund 23,8 % an der gesamten Landesfläche ein. Nach Aussagen des Umweltministeriums des Landes NRW bleibe es langfristiges Ziel, zum Schutz der landwirtschaftlichen Flächen, der Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie NRWs und zum Erhalt der Biodiversität den Flächenverbrauch weiter zu minimieren. Im Rahmen von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel spiele der unverbaute Freiraum auch eine wichtige Rolle, denn für Siedlungs- und Verkehrszwecke genutzte Flächen können Frischluftschneisen in die Städte blockieren und die Böden verlören ihre Funktion als Bodenkühlleister sowie als Wasserspeicher für den Hochwasserschutz.

Netto-Null-Ziel

Es ist daher erklärtes Ziel der Landesregierung, u.a. auch die Neuinanspruchnahme landwirtschaftlicher Produktionsflächen zu reduzieren, denn es gingen weiterhin im Durchschnitt 17 Hektar pro Tag an landwirtschaftlichen Flächen verloren. Dazu bedürfe es wirksamer Maßnahmen dies zu begrenzen. Den Kommunen falle hier die Schlüsselrolle zu, weil sie bei ihren Entwicklungsplanungen die wesentlichen flächenrelevanten Entscheidungen treffen.

Deshalb ist höchste Zeit, auch landesplanerisch die Grundlagen für einen Stopp des Flächenverbrauchs zu legen. Dazu müssen in einem ersten Schritt die Fehler der CDU/FDP-Regierung korrigiert und der Landesentwicklungsplan (LEP) novelliert werden. Das verlangt auch das Oberverwaltungsgericht des Landes NRW: Es gab der Normenkontrollklage des BUND gegen die Verordnung zur Änderung des LEP weitestgehend statt. Ziel muss es sein, den Flächenverbrauch netto auf Null zurückzufahren.

Gesetzliche Vorgaben

Um den zunehmenden Flächennutzungskonkurrenzen gerade in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland gerecht zu werden, bedarf es einer sorgfältigen planerischen Konfliktbewältigung. Der Bund stellt den Ländern und Kommunen mit dem Raumordnungsgesetz, dem Baugesetzbuch und dem Bundesnaturschutzgesetz ein umfassendes rechtliches Instrumentarium zur Steuerung der Flächeninanspruchnahme zur Verfügung. Das Baugesetzbuch verpflichtet die Kommunen als Träger der Bauleitplanung zum sparsamen und schonenden Umgang mit Grund und Boden und zur Begrenzung der Bodenversiegelung auf das notwendige Maß. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz sind Eingriffe in Natur und Landschaft soweit wie möglich zu vermeiden.

Seit 2017 sieht das Raumordnungsgesetz (ROG) des Bundes einen Grundsatz der Raumordnung zu Vorgaben für quantifizierte Flächensparziele vor. Zudem gilt seit September 2023 der gesetzliche Grundsatz der Raumordnung, dass die Brachflächenentwicklung einer neuen Flächeninanspruchnahme nach Möglichkeit vorgezogen werden soll. Diese Grundsätze sind auf den nachgelagerten Ebenen gemäß § 4 ROG zu berücksichtigen.

Auch Landesebene werden diese Vorgaben z.B. durch das Landesnaturschutzgesetz, das Landesplanungsgesetz und den Landesentwicklungsplan umgesetzt.

Mit diesem Atlas wollen wir auf eine Ressource aufmerksam machen, die bei der Bewältigung vieler globaler Krisen eine Schlüsselfunktion innehat: unsere Böden. Böden sind unsere Lebensgrundlage. Und doch stehen sie selten im Rampenlicht der gesellschaftlichen und politischen Debatte. 

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