Die Bewältigung der Folgen des Braunkohlenbergbaus wird die nachfolgenden Generationen noch lange nach Tagebauende beschäftigen. Doch RWE Power hat dafür kaum Rückstellungen gebildet. Der BUND fordert daher, den Verursacher endlich in die Pflicht zu nehmen. Wir erwarten, dass die Landesregierung endlich eine ökologische Gesamtbilanz des Braunkohlen-Bergbaus vorlegt, die Ewigkeitskosten seriös abschätzt und einen Ewigkeitslasten-Fonds einrichtet. Dieser kann - analog zum Steinkohlenbergbau - von einer Stiftung verwaltet werden.
Ökologische Gesamtbilanz fehlt
Die bisherigen volkswirtschaftlichen Gesamtkosten der Braunkohlengewinnung und –nutzung können nur überschlägig kalkuliert werden. Das Umweltbundesamt beziffert so zum Beispiel die externen Kosten – also die Kosten, die im Braunkohlenstrompreis nicht enthalten sind – auf etwa 10 Cent pro erzeugter Kilowattstunde Strom. Detailberechnungen der europäischen Umweltagentur für einzelne Kraftwerke ergeben allein Folgekosten durch die Luftverschmutzung (Schwermetalle, Feinstaub, NO2, SO2, etc.) von je ca. 1 Milliarde Euro pro Jahr für die Kraftwerke Neurath und Frimmerdorf, 1,135 Mrd. €/a für Weisweiler und 1,56 Mrd. €/a für Niederaußem.
Bis 2011 war RWE vom Wasserentnahmeentgelt befreit, musste also – anders als alle anderen Gewässernutzer – für die gigantischen Sümpfungswassermengen zur Trockenlegung der Tagebaue nicht bezahlen. Das waren immerhin bis zu 1,2 Milliarden Kubikmetern Grundwasser pro Jahr.
Niemand hat bislang monetarisiert, welche Umweltkosten durch die Zerstörung des Hambacher Waldes oder den irreversiblen Eingriff in die Grundwasserlandschaft der Niederrheinischen Bucht generiert werden. Dies gilt auch für die langfristigen Folgen der Zerstörung höchst produktiver Böden für die landwirtschaftliche Nutzung.
Trotzdem hat es die Landesregierung bislang entgegen unserer Forderung unterlassen, eine ökologische Gesamtbilanz der bisherigen Braunkohlennutzung aufzustellen. Genauso wenig wurden die zukünftigen volkswirtschaftlichen Gesamtbelastungen zur Beseitigung der Folgeschäden ermittelt.
Noch immer behauptet die Landesregierung, dass beim Tagebau "keine bergbaubedingten Ewigkeitslasten erwartet" würden.
Dabei zeichnen sich schon jetzt gigantische Folgekosten ab.
Bergschäden
Über das tatsächliche Ausmaß der Bergschäden durch die Braunkohlegewinnung ist nur wenig bekannt, da Bergbaubetroffene nach Bundesberggesetz Ansprüche gegenüber den Bergbautreibenden ausschließlich zivilrechtlich geltend machen können und der Bergbautreibende, anders als in der Steinkohlenförderung, keinerlei nachvollziehbare Daten hierzu veröffentlicht (siehe Landtagsdrucksache MMD16-3340 aus 2013).
Jährlich gibt es im Rheinischen Revier etwa 900 Bergschadensmeldungen, davon 300 Erstmeldungen. Laut Landesregierung werden davon 10-15 % anerkannt. Eine Beweislastumkehr - wie im Steinkohlenbergbau - ist zwingend erforderlich. Hierzu muss das Bundesberggesetz geändert werden. Mit dem späteren Wiederansteigen des Grundwassers des Grundwassers wird es zu Ausgleichsbewegungen kommen, die zu zusätzlichen Bergschäden nach Tagebauende führen können.
Die Landesregierung behauptet hingegen schlichtweg, dass es durch den Wiederanstieg des Grundwassers– auch unter Berücksichtigung dauerhaft verbleibender Bergsenkungen – nicht zu Veränderungen des Grundwasserflurabstandes kommen wird, die dauerhaft bergbaubedingte Sümpfungsmaßnahmen erforderlich machen.
Dabei ist schon jetzt klar, dass z.B. in Korschenbroich, Dormagen und in anderen Bereichen der Erftaue dauerhaft Grundwasser gehoben werden muss, damit die Siedlungen nicht absaufen.
Sicherungskosten für Braunkohle-Kunstseen
Laut Landesregierung sind die Restseeplanungen (im Hinblick auf die Seeoberfläche, z. B. Hambach ca. + 65 ü. NHN) so ausgelegt, dass keine Ewigkeitslasten, d. h. dauerhafte Pumpmaßnahmen zur Abwendung von Gemeinschäden, entstehen können. Ob das tatsächlich so ist, kann niemand sagen. Der Restseespiegel für Garzweiler II soll so zum Beispiel erst im Jahr 2085 (!) erreicht werden. Wegen der hydraulischen Kopplung mit der benachbarten Erftscholle (Tagebau Hambach) fließen große Mengen des per Rhein-Pipeline herangeführten Wassers aus dem Garzweiler-Restsee dahin ab. Wie lange das ausgeglichen werden muss, vermag heute niemand zu sagen. Dazu kommt das Risiko durch Hangrutschungen.
Der Restseespiegel für Hambach soll erst um das Jahr 2100 erreicht werden. Dazu kommt das Problem der unterschiedlichen Restseewasserspiegel. Zwischen dem Inde-See (+ 92 m NHN) und dem geplanten Hambach-See (+ 65 m NHN) wird es eine erhebliche Druckdifferenz geben. Abflüsse vom höheren Niveau sind damit wahrscheinlich. Wie lange das ausgeglichen werden muss, vermag heute niemand zu sagen.
Weitere wasserwirtschaftliche Langzeit-Folgen
Beim Erftverband existiert gemäß § 38 ErftVG eine von RWE finanzierte Rücklage in Höhe von 102 Mio. €, aus der die Kosten für jetzt noch nicht absehbare, aber zukünftig erforderliche wasserwirtschaftliche Ausgleichsmaßnahmen nach Tagebauende zu bestreiten sind. Das ist wenig, wenn man betrachtet welche Langfristfolgen für unbestimmte Zeit noch wahrscheinlich sind, z.B.
- Versauerungsproblematik: Die Gegenmaßnahmen können das Problem nur minimieren, nicht lösen. Die Folgen für die Wasserwirtschaft nach Tagebauende sind unabsehbar.
- Stützung der grundwasserabhängigen Feuchtgebiete an Schwalm und Nette: Die FFH-Gebiete im Naturpark Maas-Schwalm-Nette müssen bis zum Erreichen natürlicher Grundwasserverhältnisse künstlich durch Versickerungsmaßnahmen und Wassereinleitungen gestützt werden. Um die Grundwasserstände zu halten, wurden im Wasserwirtschaftsjahr 2014 insgesamt 85 Mio. m3 Wasser eingeleitet. Das Maximum der „Ökowasser"-Einleitung wird bei etwa 100 Mio. m3/a liegen. Das derzeit überwiegend im Tagebau Garzweiler gehobene Wasser wird in extra dafür gebauten Wasserwerken aufbereitet und über ein Rohrleitungssystem zu den Feuchtgebieten transportiert. Insgesamt wurden bislang 3 Wasserwerke, 160 km Rohrleitungen, 13 km Sickergräben,150 Sohlschwellen, 72 Direkteinleitstellen, 90 Sickerschlitze sowie 188 Sickerbrunnen und Lanzeninfiltrationsanlagen errichtet.
- Ewige Wasserhaltung in der Erftaue notwendig: Die Niedrighaltung der Grundwasserstände in den bebauten Bereichen wird nur durch eine Weiterführung des Grundwassermanagements zu erreichen sein. Bei RWE rechnet man mit jährlich zu hebenden Wassermengen bis ca. 100 Mio. m3/a. Als Folge der sümpfungsbedingten irreversiblen Bodensenkungen werden allerdings dauerhaft zusätzliche Wasserhaltungsmaßnahmen notwendig werden, die weit über das zur Erhaltung der vorbergbaulichen Grundwasser-Flurabstände notwendige Maß hinausgehen dürften.
- Renaturierung Erft: Bislang sind dafür etwa 70 Mio. Euro vorgesehen, von denen der Steuerzahler etwa 50 Millionen Euro übernehmen soll.
Deponierung von Kraftwerksreststoffen
Bis in die 1980er Jahre hinein wurde die zum Teil mit Schadstoffen stark belasteten Kraftwerksreststoffe einfach in den Tagebauen verkippt. Diese Aschen sind keineswegs harmlos: Neben z.B. verschiedenen Schwermetallen wie Quecksilber kommen darin auch Radionuklide in aufkonzentrierter Form vor. Niemand kann heute sagen, wo welche Mengen gelagert sind. Geraten diese Altlasten nach Tagebauende in den Grundwasserstrom, muss gegebenenfalls saniert werden.Welche Gefahren zu besorgen sind, wird derzeit durch eine vom BUND initiierte Untersuchung der Ruhr-Universität Bochum geklärt.
Seit den 1980er Jahren werden die Kraftwerksreststoffe auf fünf KWR-Deponien abgelagert. Erst seit März 2014 hat die Bezirksregierung Arnsberg für vier dieser Deponien nachträglich Sicherheitsleistungen in Höhe von insgesamt 51 Millionen Euro verlangt. Dies ist vollkommen unzureichend. Das Umweltministerium hat bestätigt, dass ein Teil dieser Deponien später in den Grundwasserstrom gelangt; dafür sind diese aber nicht ausgelegt. Allerdings hat die Bergbehörde den Bemessungszeitraum für die Sicherheitsleistung nur auf 30 Jahre nach Deponieende ausgelegt. Die Probleme kommen aber wenn viel später. RWE wäre damit aus dem Schneider und die Allgemeinheit trägt mögliche Sanierungskosten.
Ewigkeitslasten-Fonds notwendig
Nach RWE-Angaben hat der Konzern bisher 1,615 Milliarden Euro zur Bewältigung der Spätfolgen des Braunkohlenabbaus zurückgestellt. Die bislang gebildeten Rückstellungen dienen jedoch im Wesentlichen der Erfüllung der im Rahmen der Tagebaugenehmigungen gemachten Vorgaben zur laufenden Rekultivierung. Tauchen z.B. unvorhergesehene Probleme nach Tagebauende (2045) oder nach Ende der Restsee-Befüllung auf (2085), muss der Steuerzahler ran. Für wasserwirtschaftliche Maßnahmen nach Tagebauende, die nach RWE-Angaben bis etwa zum Jahr 2350 (!) durchgeführt werden müssen, hat der Konzern gerade einmal 165 Millionen Euro vorgesehen.
Doch heute ist es mehr als fraglich, ob das RWE dann, wenn die Folgeschäden auftreten, überhaupt noch haftbar gemacht werden könnte. RWE muss deshalb verpflichtet werden, entsprechende Gelder in einen Ewigkeitslasten-Fonds einzuzahlen. Weder die bisherigen Einschätzungen der Landesregierung noch die RWE-Aussagen zur Höhe der Rückstellungen sind nachvollziehbar. Ein unabhängiges Gutachten zur Quantifizierung der möglichen Kosten zur Bewältigung der Langzeitfolgen ist deshalb überfällig.
Wie hoch diese sein werden, kann derzeit nur spekuliert werden. Die Sanierung der ostdeutschen Tagebaue hat so zum Beispiel bis heute etwa 13 Milliarden Euro verschlungen.
In einem Gutachten hat der BUND mögliche Konstruktionen für einen solchen Ewigkeitslastenfonds untersuchen lassen.