BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Braunkohle und Bergschäden

Nicht nur im Ruhrgebiet bedroht der Bergbau die Bausubstanz, auch im Braunkohlenrevier sind tausende Bergschäden aktenkundig. Doch die wenigsten werden anerkannt und entschädigt. Der Verursacher, die RWE Power AG, lässt es zudem an Transparenz fehlen. Grundproblem ist, dass der Geschädigte die alleinige Beweislast trägt. Hier sind gesetzliche Änderungen dringend erforderlich. Wieder einmal werden die Folgeschäden der Braunkohlengewinnung und die dadurch entstehenden Kosten auf die Allgemeinheit abgewälzt.

Wie kommt es zu Bergschäden?

Bergschäden durch Grundwasserabsenkungen

Die Bodenschichten der Niederrheinischen Bucht bestehen aus Löss, Kies, Sand, Ton und Braunkohle. Diese Schichten sind von Natur aus mit Grundwasser gefüllt. Zur Gewinnung der Braunkohle im Tagebau wird das Grundwasser bis unter den tiefsten Punkt des Tagebaus abgepumpt. Im Tagebau Hambach reichen die Pumpen zur Druckentwässerung bis ins Liegende in etwa 550 m Tiefe.

Derzeit sind im Rheinischen Braunkohlenrevier rund 1.500 Brunnen in Betrieb, die jährlich mehr als 540 Millionen Kubikmeter Grundwasser fördern.

Diese Grundwasserabsenkung lässt sich nicht nur auf den Tagebau beschränken, sondern verursacht einen weiträumigen Absenkungstrichter ("Sümpfungstrichter“) mit dem Zentrum etwa im Raum Bergheim-Elsdorf.

Wegen der ungleichmäßigen Ausbildung und Lagerung der Grundwasserleiterschichten und ihrer Zerschneidung durch geologische Störungen erfolgt die Ausbreitung der Grundwasserabsenkung in der Regel nicht gleichmäßig in alle Richtungen. Eine Folge der Grundwasserabsenkung ist, dass infolge physikalischer Zusammenhänge die Erdoberfläche langsam und kontinuierlich abgesenkt wird, da die Verringerung des Wassergehaltes in den betroffenen Lockergesteinsschichten und zwar besonders in tonigen und humosen Schichten zu Setzungen des gesamten Schichtenprofils führen kann. Im Raum Elsdorf, dem Gebiet mit der größten Sümpfungsbeeinflussung, beträgt die Absenkung der Oberfläche derzeit etwa 4,5 m. Experten erwarten dort eine Absenkung von mehr als 7m.

Insbesondere dort, wo geologische Besonderheiten vorliegen, die eine gleichmäßige Bodensenkung verhindern, treten Bergschäden auf.

Dies ist im Verlauf von tektonischen Störungen oder in Flussauen gehäuft der Fall, also dort, wo auf beiden Seiten einer geologischen Störung der Untergrund unterschiedlich aufgebaut ist oder wo auf kleinem Raum der Aufbau des geologischen Untergrundes wechselt.

Die Schädlichkeit der Bodensenkungen hängt in erster Linie nicht allein von dem Ausmaß der Sümpfung oder dem Maß der Bodenabsenkung, sondern von Inhomogenitäten in der Schichtenausbildung ab. Diese Gesteinsinhomogenitäten reagieren bei Grundwasserentzug mit unterschiedlichen Setzungen. Dadurch können an den Gebäuden Risse und andere Schäden entstehen, die bis zum Totalverlust der Bausubstanz führen können.

Bergschäden durch Grundwasserwiederanstieg

Ein weiteres Problem entsteht lange nach Tagebauende. Insbesondere in Gebieten mit ehemals geringem Flurabstand sowie in Gebieten mit mächtigen hydromorphen Böden können in Verbindung mit den Geländesenkungen Vernässungen bei späterem Grundwasserwiederanstieg auftreten. Besonders empfindlich für die Bodensenkungen sind (meist) Niederungsgebiete mit anmoorig/torfigen Schichtgliedern, da diese bei Grundwasserwiederanstieg mit irre­versiblen Bodensenkungen reagieren.

Beispiel Korschenbroich: Die großzügige Ausweisung von Bebauungsgebieten in Bereichen, wo der oberste Grundwasserleiter durch die Sümpfung im Zuge des Tagebaus Garzweiler trocken gefallen war, führt heute - nach der Einstellung der Wasserhaltung - zu Problemen. Das Grundwasser steigt im Laufe der Jahre langsam wieder auf das ehemalige Normalniveau. Folge: Keller saufen ab.

Beispiel Erftaue: Für die Erftniederung bei Bedburg, Bergheim und Kerpen werden die bedeutsamsten Auswirkungen der Tage­bauentwässerungen und nachfolgendem Grundwasserwiederanstieg prognostiziert.

Bergschäden durch tagebauinduzierte Seismizität

Die Niederrheinische Bucht ist auch heute noch ein tektonisch höchst aktives Senkungs-Gebiet, das in unterschiedliche tektonische Schollen gegliedert ist. Sie wird durch zahlreiche im Wesentlichen von Nordwesten nach Südosten verlaufende Störungen und Verwerfungen gegliedert. Entlang dieser Störungszonen kommt es häufig zu natürlichen Erdbeben.

Die Großtagebaue führen allerdings zu einer Änderung der Auflastverhältnisse auf der Erdkruste. Dadurch kann es zu weiteren, tagebauinduzierten Mikrobeben kommen, die auch negative Auswirkungen auf Gebäude haben können.

Dazu kann es beim Wiederanstieg des Grundwassers zu ruckartigen Ausgleichsbewegungen entlang der zahlreichen Verwerfungen kommen.

Die Kenntnis von den Störungszonen ist trotz aller geologischen Erkundungen und eines dichten Netzes von Bohrungen noch immer nicht vollständig. So kam der Wassereinbruch im Tagebau Hambach (1997) durch das Anbaggern einer Störung für die RWE-Experten vollkommen überraschend.

Nachterstedt und die Folgen

Nach dem verheerenden Tagebau-Erdrutsch im sachsen-anhaltinischen Nachterstedt (Juli 2009) gaben RWE und Landesregierung Entwarnung. Wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen sei ein solches Ereignis hier unwahrscheinlich. Doch stimmt das?

Auch wenn die geologische und bergbauliche Situation in Sachsen-Anhalt nicht 1:1 auf das Rheinland übertragbar ist, gibt es  Parallelen. Auch in Ostdeutschland erfolgte eine kontinuierliche Überwachung und die vermeintlichen Experten haben Vorfälle dieser Art immer ausgeschlossen. Den Mitgliedern des Braunkohlenausschusses im Rheinischen Revier wurden die ostdeutschen Tagbaue sogar immer als Paradebeispiel für eine gelungene Rekultivierung vorgeführt. Dabei hat es bereits entsprechende Ereignisse auch im Rheinland gegeben, so z.B. im ehemaligen Tagebau Zukunft und den Gruben Fortuna und Fischbach. Etliche größere Hangrutschungen sind auch für den Tagebau Hambach dokumentiert. (vgl. Antwort der Landesregierung vom 7.1.2010 auf die Große Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen "Konsequenzen aus der Katastrophe von Nachterstedt für die Rheinischen Braunkohlentagebaue").

Dazu sind die hiesigen Tagebaue und die zukünftigen Restlöcher und - seen von weitaus größeren Dimensionen. Das Tagebau Restloch Hambach wird so z.B. Tiefen von über 400 m erreichen. Dabei sind die Sicherheitszonen u.E. nicht ausreichend dimensioniert.

Bei einer Größe des Abbaugebietes Garzweiler II von 4.800 Hektar ist eine Sicherheitszone um den Tagbau von insgesamt 210 Hektar vorgesehen. Im Braunkohlenplan Inden II ist festgelegt, dass die Sicherheitszone etwa halb bis ganz so breit, wie der Tagebau an der betreffenden Stelle tief ist, festzulegen ist. Bei einer maximalen Tiefe des Tagebaus Inden von 230 m ist nach dieser Faustformel somit ein Sicherheitsabstand von 115 m ausreichend. Auch beim Tagebau Hambach wird diese Faustformel zur Anwendung gebracht. Im Bereich von Kerpen-Buir ist die Sicherheitszone demgemäß nur etwa 250 m breit.

Der BUND fordert daher, die Sicherheitszonen um die Tagebaue wesentlich größer zu dimensionieren bzw. die geplante Abbaufläche zu verkleinern, um einen größeren Sicherheitspuffer zu den Siedlungen zu erhalten. Wo immer möglich, müsse zudem die Verfüllung der Restlöcher vorgeschrieben werden.

Bergschäden in Bergheim. © D. Jansen

Bergrecht novellieren

Jährlich gibt es allein im Rheinischen Braunkohlenrevier etwa 900 Bergschadensmeldungen, davon 300 Erstmeldungen. Nur maximal 10 bis 15 Prozent dieser Bergschadensfälle werden von Bergbautreibenden anerkannt und entschädigt. Zwar besteht nach dem BBergG eine Haftungspflicht des Bergbauunternehmens für die durch bergbauliche Tätigkeiten verursachten Schäden am Eigentum Dritter, die Beweislast liegt jedoch - anders als im Steinkohlenbergbau - allein beim Geschädigten. In der Praxis führt das dazu, dass die Betroffenen massiv benachteiligt werden. Eine Beweislastumkehr ist überfällig.

Der BUND fordert deshalb eine Novellierung des Bergschadens- und Entschädigungsrechts  mit einer umfassenden Schadensersatz- und Entschädigungspflicht nach dem Verursacherprinzip unter Zugrundelegung der Bergschadensvermutung und Beweislast des Verursachers. Die Regelung zur Bergschadensvermutung (§ 120 BBergG) muss dazu auf Schäden erweitert werden, die im Einflussbereich von Tagebauen, Erdgas- und Erdölbohrungen sowie Untergrundspeichern liegen.

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