Verhindert der Biber den Neubau einer Umgehungsstraße bei Kreuztal / Siegen?

07. März 2021 | Biber

Anfang Januar 2020 sind im Ferndorfbach erstmals Biberspuren gesichtet worden.

Ferndorfbach bei Ferndorf, Kreuztal: ein durchaus geeigneter Lebensraum für den Biber Ferndorfbach bei Ferndorf, Kreuztal: ein durchaus geeigneter Lebensraum für den Biber  (Justus Siebert / Justus Siebert)

Das ist deshalb durchaus brisant, weil genau in diesem Bereich die Südumgehung Kreuztal gebaut werden soll, zur Entlastung der B 508. Als geschützte Art, die gerade erst im Begriff ist, einstige Lebensräume, so auch im Siegerland, zurück zu erobern, sollte der Biber bei seiner Rückkehr eigentlich unterstützt werden, anstatt dass man ihm sein neues Zuhause wegbaggert. Dass es ein Biber ist und keine Nutria, die stellenweise an der Sieg häufig vorkommen, war klar erkennbar an den Fraßspuren am Ufer: Angenagte und gefällte Bäume, mit zylindrisch zulaufenden Baumstümpfen als Ergebnis, das können nur Biber. Aber weil es hier um so einiges geht, wurde nochmal genauer hingeschaut, letzte Gewissheit ergaben Aufnahmen von Fotofallen. Und dass es sich um den einheimischen eurasischen, und nicht den kanadischen Biber handelt, ergab sich aus der Genanalyse von Haarproben, die man eingesammelt hatte.

Also, aus ökologischer Sicht eine erfreuliche Nachricht, dass sich dieser Naturlandschafts-Architekt hier niedergelassen hat, zu wünschen wäre natürlich, wenn er nicht alleine wäre, und sich hier eine Population entwickeln würde. Viele Tier- und Pflanzenarten warten sehnsüchtig darauf, dass der Biber hier frisch ans Werk geht, die Uferbereiche durch seine Baumfällaktionen von ihrem Schattendasein befreit, vielleicht hier und da einen Biberteich anstaut, wovon viele Amphibien und Libellen, aber auch Heuschrecken, Vögel, wie der Schwarzstorch, und andere profitieren können.

Apropos Schwarzstorch: den gibt es hier in der Gegend, und auch er wäre von dem Neubau der Umgehungsstraße  betroffen, weil diese teilweise durch wertvolle Landschaftsbereiche, wie Alt-Eichenwälder führen, die damit zerstört oder zumindest durchschnitten würden. Und nicht zu vergessen weitere geschützte Arten wie Uhu, Haselhuhn, Wildkatze und verschieden Fledermaus-Arten. Der Biber ist also „nur“ einer von vielen Betroffenen, aber vielleicht derjenige, der nochmal entscheidenden Schwung in die Diskussion bringt. Denn diese Diskussion gibt es, auch ohne Biber & Co., um die Frage, ob dieses Straßenbauprojekt überhaupt Sinn macht (wir sagen: Nein!), ob die verkehrstechnische und Lärm-Entlastung  für die Anwohner überhaupt realistisch eingeschätzt wurde, und ob andere, bislang naturidyllisch lebende Anwohner nicht mit genau diesen Belastungen konfrontiert würden. Es gibt jedenfalls auch alternative Vorschläge, u.a. den Ausbau der vorhandenen Strecken, Tunnel-Varianten, Verbesserung des ÖPNV-Angebotes (Rothaarbahn)…

Wie man sieht, der Biber ist mitten in ein regional heftig diskutiertes Thema reingeplatzt, hätte er das gewusst, hätte er sich vielleicht einen anderen Abschnitt des Ferndorfbaches, oder der Sieg, ausgesucht. Dass er aber nunmal gerade hier und jetzt aufgetaucht ist provoziert schon die Frage, ob er nicht aus einem Kofferraum gefallen ist, denn wie soll er von alleine hier hin gekommen sein!? Unrealistisch ist es jedoch nicht, dass er über die Sieg, in deren Mündungsbereich es schon vor drei Jahren die ersten Biberspuren gab, in den Ferndorfbach gewandert ist, oder auch aus der anderen Richtung, aus dem Sieg-Quellgebiet, wo auch die Ems entspringt, und da hat sich auch schon was getan mit ersten Biber-Ansiedlungen.

So oder so, wie der Biber, vielleicht sind es ja auch mehrere, hier her kam, man wird es nicht mehr feststellen können, sicher ist nur: es ist der einheimische eurasische Biber, und damit hat er eine absolute Daseinsberechtigung, auch juristisch gesehen. Der BUND vor Ort hat ihm auch schon einen Anwalt zur Seite gestellt, welcher auch schon eine Anfrage formuliert hat, wie denn mit Herrn Biber (oder Frau?) jetzt umzugehen sei. Und nicht zu vergessen die bereits erwähnten anderen Tiere des Waldes…

Was der Ferndorf-Biber jetzt aber vor allem noch gebrauchen kann, ist eine grundsätzliche lokale und überregionale Unterstützung: und nicht nur der Biber, die gesamte, oft unterschätzte Naturidylle in diesem Tal des Siegerlandes. Wobei, Naturidylle: Gerade jetzt, nach den letzten drei Dürrejahren, sehen die einst dicht bewaldeten Hänge entlang des Tals, mit ihren nunmehrigen Kahlschlagflächen, erstmal ungewohnt „schlimm“ aus. Dabei ist genau das die Chance, weg von den Fichten-Monokulturen, zu einem naturnahen Laubmischwald, der die Artenvielfalt in dieser Region und damit das Naturerlebnis nur befeuren kann. Zugegeben, das braucht noch etwas Zeit, und auch etwas Phantasie, aber das ist sowohl für die Forstwirtschaft als auch für die Natur das Modell der Zukunft, und der Biber ist ein Teil davon, zumindest in den Bachtälern, wo er seine ganze schöpferische Kraft entfalten kann, durch Schaffung von artenreichen Lebensräumen entlang und neben den Bächen. Aber das muss man wollen.

Der Hambacher Forst 2019 hat gezeigt, was möglich ist, wenn genug Menschen deutlich genug sagen, was sie von fragwürdigen Bau- und Abbauprojekten halten. Warum nicht auch hier? Vielleicht nicht ganz so groß. Wenn man Natur und Naturerlebnis will, dann muss man halt irgendwo anfangen, am besten, bevor Andere Tatsachen geschaffen haben, und die Straße dann gebaut ist.

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