BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Sonsbeck: darf die kürzlich zugezogene Familie Biber bleiben und ein Eigenheim bauen?

04. Juli 2021 | Biber

Kurz vor Ostern 2021 sind in dem beschaulichen Ort Sonsbeck, Kreis Wesel, zwei Neubürger aufgetaucht, im wahrsten Sinne des Wortes: In einem Entwässerungskanal, der Ley. Dass es zwei sind, konnte erst später durch aufgestellte Fotofallen festgestellt werden. Dass mindestens ein Biber vor Ort war, war schon vorher zweifelsfrei klar, aufgrund von typischen Fraßspuren am Uferbereich und, als deutlich sichtbares Zeichen: ein Biberdamm quer durch die Ley.

Biber in der Ley, Sonsbeck, 01.07.2021 Biber in der Ley, Sonsbeck, 01.07.2021  (Jos de Bruin)

Und dieser Damm ist auch gleich zum intensiv diskutierten Streitpunkt im Ort geworden: Stellt dieser Damm bei Starkregen ein Überflutungsrisiko dar? Weil der Biber nicht die von Wasserbauingenieuren errechnete Höhe eingehalten hat? Und weil das Baumaterial, Astwerk, im Falle eines Wegspülens nachfolgende Engstellen in der Ley verstopfen könnte? Oder bietet solch ein Biberdamm gar einen erhöhten Schutz vor Überschwemmungen, als natürlicher Rückstau?

Fragen zu Szenarien, auf die auch Experten keine eindeutige Antworten haben, denn Starkregen-Ereignisse und deren Folgen, in Sonsbeck gab es ein solches zuletzt 2016, sind nun mal schwer zu berechnen, auch ohne Biber, und mit Bibern hat man hier noch keine Erfahrung. Obwohl es am Niederrhein bereits seit etlichen Jahren wieder Biber gibt, so auch an der Auenlandschaft Bislicher Insel, gut 10km von Sonsbeck entfernt, von wo die Sonsbecker Biber evtl. auch zugewandert sind. Aber das ist eine ganz andere Situation dort, in einer Naturlandschaft, wo sie kaum in Konflikt kommen können mit menschlichen Nutzungsansprüchen, nicht wie in Sonsbeck, wo sie sich nicht vor einer direkten Nachbarschaft von Menschen gescheut haben. Und das sind auch die konservativen Argumente gegen eine freundliche Aufnahme dieses Neubürgers: es sei nun mal kein Platz in dieser vom Menschen gestalteten Landschaft für so ein Wildtier, und die Folgen seines Wirkens seien nicht kalkulierbar, würden schlimmstenfalls Überschwemmungskatastrophen nach sich ziehen. Es gibt jedoch auch nicht wenige Sonsbecker, die sich über den Neuankömmling Biber freuen (der eigentlich ein vertriebener Ureinwohner ist), eine Bereicherung für die Natur und für Sonsbeck in ihm sehen, und auch bereit sind, mehr Natur zu wagen.

Zunächst aber wurden konservative Tatsachen geschaffen: Um die (angenommene) Gefahr direkt zu bannen ist der Biberdamm durch den Wasser- und Bodenverband Kervenheimer Mühlenfleuth (WBV KV)  per Bagger abgetragen worden. Zunächst nur teilweise, aber auch ganz, inzwischen mehrfach, weil die Biber nach dem Bagger-Einsatz schon in der nächsten Nacht den Damm wieder hergerichtet hatten. Der Bagger hat also bislang nicht die Lösung gebracht, inzwischen wird aber auch die Frage diskutiert, ob dieser Einsatz überhaupt rechtens war, und ist. Tatsächlich hat der Biber auch Rechte, als eine unter Naturschutz stehende Art, und hier steht nun die Frage im Raum, ob die angenommene Überflutungs-Gefahr groß genug sei, um eine geschützte Art in ihrer Existenz zu gefährden. An dieser Stelle war auch die Unter Naturschutzbehörde im Kreis Wesel gefragt. Hier wird es nun etwas unübersichtlich: Laut WBV sei die Bagger-Maßnahme mit UNB abgesprochen gewesen, dazu gibt es aber auch anderslautende Angaben…

Die Kommunikation zwischen den zuständigen Behörden und Öffentlichkeit könnte etwas klarer sein, bis dahin werden weiterhin Tatsachen geschaffen, also der Biber-Damm regelmäßig weggebaggert, und wieder aufgebaut. Wobei es inzwischen auch Ideen für Kompromiss-Lösungen gibt, beispielsweise einen von menschlichen Ingenieuren gebauten Bretter- statt des Biberdamms, um die Gefahr von Verstopfungen durch abgetriebenes Astmaterial auszuschließen. Oder das Anbringen eines Überlaufrohres, um den Druck auf den Damm bei Starkregen zu verringern.

Letztendlich wird aber auch über Lösungen ohne Kompromiss nachgedacht: die Biber zu entnehmen, durch Einfangen in Lebendfallen, und an „geeigneter“ Stelle, es wurde die Bislicher Insel genannt, wieder auszusetzen. Das wäre, für die Biber, gar keine gute Lösung, denn es ist davon auszugehen, dass die beiden Biber ein Paar sind, und gerade zu dieser Jahreszeit Junge haben, wahrscheinlich in ihrem Bau unweit des Dammes, weshalb sie auch so hartnäckig diesen immer wieder aufbauen. Die Elterntiere zu fangen, oder nur eines, würde bedeuten, das Leben der wahrscheinlich noch in ihrem Biberbau sitzenden Jungtiere zu gefährden. Und die Elterntiere umzusiedeln, womöglich in ein schon von anderen Bibern besetztes Gebiet, würde auch deren Leben bedrohen, denn Biber dulden keine Artgenossen in ihrem eigenen Revier, Eindringlinge werden heftig bekämpft.

Derzeit hängt es also an technischen und juristischen Fragen, ob die Biber in Sonsbeck bleiben dürfen oder nicht. Aber auch davon, ob sich die skeptische oder die freudige Biber-Stimmung in Sonsbeck durchsetzen wird, denn technische und juristische Fragen kann man sowohl konservativ, bloß keine Experimente, als auch optimistisch beantworten.

Die Frage, ob die Biber eine Überflutungsgefahr für Sonsbeck darstellen, ist in der Tat nicht einfach zu beantworten, es gibt jedoch Ideen genug, diese Gefahr zu bannen oder zu minimieren, die alle ohne größeren Aufwand umsetzbar sind.

Was jedoch klar ist: die Ankunft der Biber bieten eine große Chance für Sonsbeck, die Naturvielfalt in und um Sonsbeck enorm zu bereichern, denn das ist es, was den Biber eigentlich ausmacht: die durch seine Dämme angestauten Biber-Teiche bieten nicht nur ihm eine Möglichkeit zum Abtauchen, diese Teiche bieten einer Vielzahl von anderen Tieren Lebensraum, neben Amphibien und Wasservögeln auch Fischen, die hier bessere Laichmöglichkeiten finden als in einem durchfließenden Kanal. Die vom Biber freigestellten Uferbereiche bieten z.B. vielen Libellenarten eine Lebensgrundlage, es können dort blütenreiche Kräuterwiesen entstehen,…

Und in diesen Zeiten des Klimawandels gibt es nicht nur Starkregen-Ereignisse, es gibt auch Trockenphasen, 2020 wird nicht das letzte Dürrejahr gewesen sein, und dann kann es auch hilfreich sein, wenn durch Biberdämme Wasser zurück gehalten wird, das ohne Damm zu schnell abgleitet wird. Es gibt also auch viele gute Gründe, sich über die Rückkehr des Bibers zu freuen, es braucht zuweilen jedoch etwas Geduld, bis die positiven Auswirkungen sichtbar werden.

Wir wünschen jedenfalls allen Sonsbeckern Geduld und Mut genug, sich auf diesen niederrheinischen Ureinwohner einzulassen, vielleicht eines noch: Der Biber an sich ist eigentlich auch ein Konservativer, er hätte gerne einen möglichst gleichmäßigen Wasserstand in seinem Swimming-Pool, deshalb baut er ja seinen Damm. Vielleicht sollten wir da seiner jahrtausendealten Erfahrung einfach mal mehr vertrauen.

Hier noch ein paar Stimmen aus Presse und Medien:

https://rp-online.de/nrw/staedte/xanten/sonsbecker-befuerchten-probleme-durch-biber-damm-an-der-ley_aid-57607813

https://rp-online.de/nrw/staedte/xanten/das-sagen-rp-leser-zum-biber-in-sonsbeck_aid-58710841

https://www.regionalepinnwand.de/kreis-wesel-sonsbeck-cdu-kreistagsfraktion-wesel-biberdamm-in-sonsbeck/

https://rp-online.de/nrw/staedte/xanten/biberdamm-in-sonsbeck-abgerissen-kuenstliche-barriere-dient-als-ersatz_aid-60512909

https://secure.avaaz.org/community_petitions/de/biberfreunde_sonsbeck_rettet_den_sonsbecker_biber/?fpla

Nochfolgenes Video: zwei Biber beim Dammbau in der Sonsbecker Ley 2021, aufgenommen von einer Fotofalle. Uns zur Verfügung gestellt von Jos de Bruin.

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