BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen

Nachlese: Biber-Botschafter-Seminar in Lippstadt

28. Juni 2018 | Biber

Rund 19 Teilnehmer*innen waren an diesem Wochenende (16./17. Juni 2018) dabei, um mehr über den Biber zu erfahren, speziell die Situation in NRW, und was man als Biber-Botschafter machen kann.

Teilnehmer*innen des Biber-Botschafter-Seminars in Lippstadt, Juni 2018 Teilnehmer*innen des Biber-Botschafter-Seminars in Lippstadt, Juni 2018  (Olaf Zimball)

Ausgerichtet wurde die Veranstaltung von der NUA NRW (Natur- und Umweltschutz-Akademie NRW) und der AG Biber des BUND NRW: Birgit Langner von der BUND-Regionalgruppe Arnsberg, sozusagen als Botschafterin vor Ort, hatte die praktische Organisation inne.

So begrüßte sie auch um 10 Uhr die Teilnehmer*innen, die teils noch mit ihrem ersten oder zweiten Kaffee beschäftigt waren und gab das Wort gleich weiter an Holger Sticht, welcher als Vorsitzender des BUND NRW und Initiator der AG Biber einleitend erklärte, die entscheidende Rolle des Biber in der Natur, weshalb es die Biber-AG gibt, und warum Biber-Botschafter*innen und Berater*innen gebraucht werden.

Für die Natur ist der Biber wichtig, weil er natürliche Lebensräume schafft durch seine Bautätigkeit. Wo der Biber Bäume fällt und Dämme baut entstehen nicht nur Biber-Teiche, aufgrund ihrer speziellen Konstruktion ein artenreiches Biotop, es werden auch besonnte Landlebensräume (Wiesen) in unmittelbarer Umgebung des Gewässers geschaffen, Existenzgrundlage für viele Tier- und Pflanzenarten.

Nach seiner fast vollständigen Ausrottung ist der Biber inzwischen auch in NRW wieder auf dem Vormarsch, so ist er in den letzten vier Jahren in Wupper, Lippe und dieses Jahr in der Sieg aufgetaucht. Dies hat vor drei Jahren den Anstoß gegeben, eine Biber AG zu gründen, um vorbereitet zu sein auf das was da kommt, bzw. den Rest von NRW darauf vorbereiten zu können. Unter anderem durch Biber-Botschafter*innen, die über den Biber und seine Vorteile aufklären und für das faszinierende Tier begeistern. Nicht nur die "normale" Bevölkerung, auch Behörden wissen nicht oder kaum, wie mit dem Thema umzugehen ist (Stichwort EU-Wasserrahmen-Richtlinie (WRRL)). Wie auch, denn der Biber war ja weg, es gibt also keine Erfahrungswerte in NRW.

Georg Gellert: Wie erkenne ich den Biber in der Landschaft?

Auch Georg Gellert, der in seinem Arbeitsleben mit Wasserwirtschaft beschäftigt war, ist erst über die AG Biber dem Phänomen Biber näher gekommen, wie er in seinem Vortrag "Wie erkenne ich den Biber in der Landschaft?" selbst erzählt. Er nimmt Meldungen von (vermeintlichen) Biber-Sichtungen entgegen, die per Email über die Biber-Website reinkommen. Ein Fazit: es kommen zahlreiche Meldungen! Viele Menschen interessiert offenbar, was sie da gesehen haben und wollen mehr wissen, aber: größtenteils sind es Nutrias, aus Südamerika stammend, wenig scheu, fast flächendeckend vertreten. Georg Gellert erzählte lebhaft "aus dem Leben eines Biber-Botschafters", welcher Art die Meldungen sind (unscharfe Fotos, irgendwas Schwimmendes; ohne Foto, habe Biber gesehen, …) und wie man damit umgeht (nachfragen, Bitte um Suche nach Biber-Spuren), und wie man denn nun selbst vor Ort erkennt, ob es Biber oder Nutria oder Bisam ist. Dies ist ihm nach eigener Aussage anfangs auch noch schwer gefallen, weil man meist von dem Tier nicht viel zu sehen bekommt. Meist nur für paar Sekunden und ohne das eindeutige Erkennungsmerkmal, den platten Schwanz.

Einen ausgestopften Biber und ein Biberfell gab es auch zum Anfassen, was nochmal deutlich machte: ein Biber ist kein Meerschweinchen, sondern deutlich größer (bis zu 1,30 m von der Nase bis zur Schwanzspitze und rund 25 kg schwer). Eine entspannte Botschaft hatte Georg aber auch: wesentlich einfacher als er selbst ist der Biber anhand seiner Spuren, v.a. der Fraßspuren, zu erkennen. An- und abgenagte Bäume sind ein eindeutiger Nachweis, und lassen sich auch schön fotografieren (weil sie nicht weglaufen oder abtauchen).

Lutz Dalbeck, Biostation Düren: Biber als Gestalter von Ökosystemen

Schon einige Jahre länger und intensiver hat Lutz Dalbeck mit dem Biber zu tun. Naturgemäß deshalb, weil der Biber in seinem Revier seit den 1980er Jahren vorkommt, nämlich in der Nordeifel im Einzugsgebiet der Rur (die ohne "h"). Als Angestellter der Biologischen Station Düren (mit Sitz in Nideggen) und als jemand, der sich eigentlich mehr für Libellen und Amphibien interessiert, kam er fast zwangsläufig auf den Biber und betreut sozusagen die Urzelle des Biber-Bestandes in NRW. Lutz Dalbeck könnte stundenlang und alles über den Biber erzählen, beschränkte sich aber darauf, was der Biber für dieses spezielle Mittelgebirgs-Ökosystem bedeutet. Kurz gesagt: enorm viel.

Speziell heißt: In den höheren Lagen, vornehmlich nur forstwirtschaftlich genutzt, gab es kaum Konflikt-Potential (auch weil der Biber dort von Förstern, nicht Naturschützern in der 1980er Jahren ausgesetzt wurde), es gibt dort nur kleinere Bäche (Rote und Weiße Wehe), weshalb er sich seine Biber-Teiche bauen musste, um genügend Wasserfläche zum Abtauchen zu haben. Was das über die Jahre nach sich zieht, stellte Lutz Dalbeck anhand von Bildern und Zahlen vor. Punkt eins: es kommt Licht auf den Boden und auf die Gewässer, Voraussetzung für viele Arten, um überhaupt hier existieren zu können. Prachtlibellen zum Beispiel brauchen besonnte Bachufer. Viele Amphibien haben im dunklen Wald bis dahin nur ein Schattendasein geführt, selbst der überall vorkommende Grasfrosch, den wir als "häufig" eingestuft haben, hat sich in seinem Bestand um ein Vielfaches vermehrt, weil ein Biber-Teich offenbar als Laichgewässer eine andere Qualität hat als ein von Menschenhand angelegter. Und viele Frösche bedeuten viel Nahrung zum Beispiel für Schwarzstörche, die hier auch vorkommen. Die Geburtshelferkröte, damals nur noch in Relikt-Beständen vorkommend, hat sich als auf Biber-Lebensräume spezialisierte Art heraus gestellt. Sie braucht die von Bäumen freigestellten und besonnten Hanglagen entlang der Bäche als Landlebensraum und ihre Reproduktionsrate ist in den Biber-Teichen offenbar deutlich höher als in anderen Stillgewässern – die es ohne den Biber ohnehin nur in sehr begrenzter Zahl gegeben hat - meist eher in Pfützengröße. Damit ist die Geburtshelferkröte nur ein Repräsentant für viele Arten, die massiv vom Biber profitiert haben, erwähnt seien noch Molche (Berg-, Teich- und Fadenmolche), Heuschrecken und Schmetterlinge. Wozu Lutz Dalbeck wissenschaftlichen Publikationen geschrieben hat.

Das war schon viel Stoff für den Vormittag. In der Mittagspause hatte der ein oder andere die Gelegenheit, nachzufragen, glücklicher (oder netterweise) hatten sich die Experten an verschiedene Tische verteilt, so dass jede(r) Zusatz-Fachwissen abgreifen konnte. Nicht nur zum Biber. Auf dem Gang zum Buffet konnte man zudem einen Blick auf die dort aufgebaute fünfteilige Biber-Ausstellung werfen, um das Gehörte noch einmal zu erfassen. Diese Biber-Ausstellung kann auch beim BUND Rhein Sieg geliehen werden.

Gerhard Schwab: Biber-Management in Bayern

Nach dem Mittag ging es mit geballter Information von Gerhard Schwab weiter, der seit 30 JAhren für den BIber in Bayern aktiv ist. In Bayern gibt es fast flächendeckend geschätzt 15 - 20.000 Biber. Im Vergleich: in NRW einige hundert, die meisten davon in der Nordeifel, einige am Niederrhein und im restlichen NRW nur Einzelvorkommen oder Bestände im Anfangsstadium. In Bayern gibt es entsprechend längere und breiter gestreute Erfahrungen mit Bibern, Biber-Management und Konflikt-Potentialen. Letzteres gibt es, vor allem wenn der Biber in von Menschen genutzten Flächen, wie landwirtschaftlich genutzten Äckern, auftaucht. Landwirte finden es meist nicht gut, wenn ihre Felder überflutet werden, weil ein Biber den Bach nebenan angestaut hat. Gartenbesitzer finden den Biber teils nicht mehr so nett, wenn er ihren Lieblings-Apfelbaum gefällt hat. Was ärgerlich ist, wenn bereits geschehen. Doch das lässt sich leicht mit einer Drahtzaun-Ummantelung verhindern. In dem Fall ist es gut, wenn es eine*n Biber-Botschafter*in vor Ort gibt, der*die auch weiß, dass es ihn gibt und wie man sich an ihn wenden kann. Bei ernsteren Fällen, mit nicht so einfachen Lösungen, zum Beispiel wenn ein Regenabflussrohr oder Kanal zugebaut und verstopft worden ist und eine großflächige Überflutung von Wohngebieten oder Straßen droht, ist hingegen ein*e Biber-Berater*in gefragt, der*die über deutlich mehr Erfahrung mit solchen Fällen verfügt als ein*e Botschafter*in. Biber-Berater*innen sind auch als Ansprechpartner für die Behörden zuständig. Zum Stichwort Biber-Management gehört laut Gerd Schwab aber auch diese Wahrheit: es gibt nicht nur die sanfte Umsiedlungs-Methode, es werden auch gefangene Biber getötet. Vor allem auch, weil es die Forderung gibt, dass man "was tun muss gegen die Biber-Plage", auch wenn das den Bestand nicht spürbar dezimiert, man hat was getan, und den Zorn (erstmal) beruhigt.

Ob ein Tier Sympathieträger oder Problemtier wird, ist oder bleibt, hänge von verschiedenen Faktoren ab, so Gerd Schwab und das kann auch ganz leicht kippen. Als Beispiel erinnerte er an Problembär Bruno, seine These: hätte er Edmund geheißen, hätte ihn Herr Stoiber nicht zum Abschuss frei gegeben, dann wären auch ein paar geplünderte Bienenstöcke nicht so sehr ins Gewicht gefallen.

Festzuhalten bleibt: Es gibt in Bayern viele Biber, das ist natürlich gut so und wird auch so bleiben, auch dank eines ausgeprägten Biber-Managements.

Birgit Langner: Der Biber an der Lippe

Zum Abschluss des samstäglichen Seminar-Tages trug Birgit nochmal vor, wie die Biber-Situation hier vor Ort aussieht, in Ostwestfalen an der Lippe. Seit vier Jahren gibt es hier Biber, wie viele weiß man nicht, aber immerhin eine vermehrungsfähige kleine Start-Population. Auch das Biber-Management hier vor Ort steht somit noch am Anfang, doch dazu würden wir am folgenden Tag im Gelände noch mehr zu hören und sehen bekommen.

Sonntag: Exkursion ins Gelände, mit Olaf Zimball (ABU)

Die ABU (Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz Bad Sassendorf)   betreut einige Projekte und Projektgebiete an der Lippe, vor allem extensive Beweidungsprojekte. Kompetenz in Sachen Natur, Naturschutz und Nuturschutz-Management gibt es hier also genug, mit Bibern hat man aber erst seit kurzem Erfahrung. Besonders Olaf Zimball von der ABU arbeitet zum Thema Biber. Zu den Lehrstunden gehöre auch: Eine Fotofalle zwecks Biber-Monitoring nicht an einen Baum binden - weil den der Biber abnagen und ins Wasser ziehen könne, wie auch geschehen. Sei aber von vornherein eine blöde Idee gewesen, so Olaf Zimball.

Die erste Station ging dann zum ersten Biberdamm im Lippe-Kreis, in einem Kanal neben einem Maisacker, der "ganze Stolz hier bei uns". Mit dem Landwirt, dem der Acker gehört, hat Olaf auch schon gesprochen, man kennt sich bereits. Der Landwirt sei entspannt, dass der Acker unter Wasser gerät ist nicht zu erwarten, dafür liegt der Kanal zu tief, und die paar Maiskolben, die der Biber holt, fallen auch nicht ins Gewicht. Da richten Wildschweine und Nutrias andere Schäden an. Für Olaf ZImball ist klar: Naturschutz ohne Einbeziehung der Menschen könne nicht funktionieren, habe noch nie funktioniert. Und wenn man sich bereits kennt, geht alles einfacher und schneller.

Nächste Station: Projektgebiet Klostermersch

Olaf Zimball öffnete für uns das Gatter zur Beweidungsfläche direkt an der Lippe. Wir sind auch hier, weil es Biber-Spuren zu sehen gibt, angenagte Weiden auf einer Lippe-Insel. Ein Angler nennt uns freundlicherweise die Stelle mit neuen Fraßspuren. Ansonsten erfuhren wir noch einiges zu den Beweidungsgebieten: Dass die Taurus-Rinder gerne am Lippe-Strand sind, da es eomem flacher Zugang zum Baden gibt, eine scharfe Brise und weniger Insekten. Dass die Tiere nicht entwurmt werden, damit der Mist von Insekten genutzt werden kann.

Was noch schön wäre, fand Olaf Zimball: Wenn die Lippe-Auen noch mehr Auen wären, mit mehr Wasser in der Fläche und mehr Altarmen und Buchten. Das ist aber einfacher gewünscht als umgesetzt, in einer landwirtschaftlich dicht genutzten Landschaft.  Ob der Biber da helfen kann, wird man erst in ein paar Jahren sehen.

Dritte Station: Projektgebiet Hellinghauser Mersch

Hier fließt keine Lippe, es gibt (noch) keine Biber, aber dafür gibt es Anderes zu sehen von der Aussichtsplattform aus. Eine vielgestaltige Landschaft, zwischen Landstraße und Kirchturmspitze, mit von Buschwerk durchsetzte Offenflächen in den höheren Lagen und flachen Tümpeln durchzogenen in den niedrigen. Wären wir nicht vormittags sondern abends unterwegs, und wäre es etwas weniger frisch, dann würden wir jetzt, Mitte Juni, ein Teich- und Laubfrosch-Konzert geboten bekommen haben, laut Olaf ZImball, was ihm letztens unmöglich gemacht habe, dem Wachtelkönig nachzuspüren, weil die Frösche einfach alles übertönt hätten. Wir haben davon gar nichts gesehen oder gehört, weil zur falschen Zeit am richtigen Ort. Immerhin konnten wir Weißstörche am Nest beobachten und eine Herde Wildpferde kam auch in Sichtweite getrabt. Wildpferde heißt: Hauspferde-Rassen mit viel möglichst viel Wildpferd-Blut, vornehmlich Konik, reinrassige Tarpans, denn das ursprüngliche europäische Wildpferd, gibt es nicht mehr.

Lisa Marga: Masterarbeit zum Biber

Lisa Marga stellte ihre Master-Arbeit zum Thema "Akzeptanzanalyse zum Biber am Niederrhein – Konflikte in Kleve/Wesel" vor, welche sie an der Uni Münster geschrieben hatte. Nach der Eifel ist der Niederrhein diejenige Region in NRW, die den ältesten und größten Biber-Bestand hat, man kennt ihn also durchaus, wenn auch noch nicht so gut, dass man ihn als etablierten Einwohner betrachten würde. Und so verbreiteten sich schnell seltsame Wahrheiten, zum Beispiel unter den untereinander gut vernetzten Anglern, er würde die Fische fressen, was ihm natürlich keine Sympathien einbrachte. Um so wichtiger sei es, mit den Leuten zu reden, dann ließen sich solche Missverständnisse schnell auflösen, und die Akzeptanz sei eine ganz andere. Was vielen Leuten einfallen würde, wenn man ihnen das Stichwort Biber nennt: Zahnpasta. Besser als den Biber kennt man auch am Niederrhein den Nutria, eher als Problem-Nutria, der Deiche unterwühlt, was auch in den benachbarten Niederlanden ein Thema ist. Sowohl hier als auch dort wird ihm nachgestellt, mit Fallen, was auch für den Biber eine Rolle spielt, weil er auch darein tappt, wobei es einen Unterschied macht, ob es eine Lebend- oder Totschlagfalle ist. Denn einen lebenden Biber in einer Nutria-Falle kann man wieder fei lassen. Jedenfalls haben die Niederländer ein anders System bei der Erfassung, am Niederrhein gibt es die Schwanz-Prämie, und die ist ungünstig für den Biber.

Abschlußrunde und Fazit

Zum Abschluss gab es dann noch eine lockere Gesprächsrunde auf der grünen Wiese, Gelegenheit für letzte Fragen und Feedbacks, und dem nochmaligen Hinweis von Lutz Dalbeck, wie wichtig es sei, mit den zuständigen Stellen und Menschen in Kontakt und vertraut zu sein. Im Dürener Kreis habe sich über eine zehnjährige Zusammenarbeit eine Vertrauensbasis gebildet, die es nun ermögliche, in Akutfällen (verstopfter Kanal) schnell und pragmatisch zu handeln. Dann muss man auf Genehmigungen nicht mehr warten, die werden dann spontan erteilt, weil man auf die erwiesene Kompetenz vertrauen kann.

Das war auch eine Intention dieses Biber-Seminars und der Biber AG sowie insofern ein passendes Schlusswort.

Bei weiteren Fragen für alle Teilnehmer*innen und sonstige Interessierten steht Ihnen die AG Biber gerne zu Seite. Melden Sie sich unter bund(at)biber-nrw.de.

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